18. März 2017

"Keiner soll sich falsche Hoffnungen machen"

Interview geführt von

Fury In The Slaughterhouse melden sich 2017 aus der Versenkung zurück. Der Grund: Die Hannoveraner feiern in diesem Jahr ihr 30-jähriges Band-Jubiläum.

30 Jahre Fury In The Slaughterhouse: Da kann man schon mal die Sektkorken knallen lassen. Und so hauen die Hannoveraner, die ihre Bandaktivitäten eigentlich schon zu den Akten gelegt hatten, nochmal so ein richtig amtlich geschnürtes Paket raus. Soll heißen: Die Fans dürfen sich dieser Tage über ein Greatest Hits-Album mit sechs neuen Songs und drei ausverkaufte Arena-Shows freuen. War's das dann aber? Oder kommt da vielleicht noch mehr? Wir trafen uns mit Band-Aushängeschild Kai Wingenfelder zum Gespräch und fragten nach.

Kai, ich beginn mal mit einem Zitat von dir, ok?

Kai Wingenfelder: Schieß los!

Deine Worte: "Ich bin nicht so ein Stones-Typ, der da mit 60 Jahren ausgemergelt auf der Bühne herumspringt, und versucht, einen juvenilen Typ zu mimen." Nun steht ihr demnächst dreimal hintereinander in Hannover auf der Bühne, weitere Sommer-Shows sind auch schon unter Dach und Fach und nicht zu vergessen: eure Greatest Hits-Collection mit sechs neuen Songs, die dieser Tage veröffentlicht wird. Meine Frage: Was hat sich in Bezug auf dein Zitat verändert?

Nichts. Das bin immer noch ich, ganz klar. Das eine hat ja auch nix mit dem anderen zu tun. Ich meine, wir ziehen ja keine nicht enden wollende Abschiedstour durch. Wir hauen jetzt bis Silvester nochmal ordentlich auf den Tisch. Und dann war's das! Mehr kommt nicht.

Das klingt sehr bissig und kommt ja wie aus der Pistole geschossen. Bist du schon genervt, dass dir gerade alle die Tür einrennen und wissen wollen, was los ist?

Nein gar nicht. So wollte ich auch gar nicht rüberkommen. Mir ist es nur wichtig, dass sich keiner falsche Hoffnungen macht. Wir wollten nie wie eine Band enden, die sich nach dem Zenit ihres Schaffens nur noch wie Marionetten von einer Abschiedstour zur nächsten hangelt. Wenn ich so etwas sehe, muss ich immer den Kopf schütteln. Wir ziehen das jetzt ein Jahr lang durch, und dann ist gut. Vielleicht spielt man dann nochmal zum 40-Jährigen kurz auf. Aber auf mehr sollten sich die Fans nicht einstellen.

Demnach wird es auch kein neues Studioalbum mehr geben?

Nein, definitiv nicht. Ich meine, Fury-Fans wissen, dass es bei uns im Studio oftmals hoch her ging. Da flogen manchmal ganz schön die Fetzen. Heute sind wir natürlich alle viel entspannter. Aber die Angst vor einem neuerlichen Band-Infight während einer Albumproduktion wäre einfach allgegenwärtig. Diese Erinnerungen kann man ja nicht einfach so aus den Köpfen löschen. Momentan haben wir einfach eine viel zu gute Zeit. Da wären wir schön blöd, wenn wir da jetzt unnötige Risiken eingehen würden. Und ein neues Album wäre ein Risiko.

Für sechs neue Songs hat es aber gereicht.

Naja, diese Aufnahmen liefen eher so nebenher. Da steckte keine tiefere Planung hinter. Ich drehe ja immer so kleine Werbefilmchen für unsere Konzerte. Für die letzte große Show in Hannover vor drei Jahren hatte ich beispielsweise die Idee, in der Kabine von Hannover 96 was zu machen. Daraus entstand dann der Film mit Mirko Slomka. Diesmal fiel mir aber so gar nichts ein. Ich habe dann Christof gefragt, ob er nicht Lust hätte einen alten Song mit mir aufzunehmen, der schon ewig im Archiv lag. Naja, und während der Aufnahmen haben wir dann die Kameras mitlaufen lassen. Das lief dann so harmonisch, dass wir gleich noch fünf weitere Songs geschrieben und aufgenommen haben.

"Ich war schon mit der letzten Platte sehr unzufrieden"

Hat es bei euch allen sofort wieder klick gemacht?

Eigentlich schon. Sicher, es gab auch Diskussionen. Der eine wollte das, der andere was anderes. Wie das halt so läuft. Aber wir haben uns nicht mehr gestritten. Das war der große Unterschied zu früher. Wir haben die Sachen ausdiskutiert, ganz ruhig und sachlich. Und wie gesagt, ganz viel gelacht.

Vor sieben Jahren sah die Fury-Welt noch anders aus.

Das kann man so sagen. (lacht) Aber ich hab's auch irgendwie geahnt.

Inwiefern?

Die Bombe platzte ja nicht von heute auf morgen. Das war ja ein schleichender Prozess. Ich war schon mit der letzten Platte sehr unzufrieden. Da war mir schon klar, dass das Ende vor der Tür steht. Ich meine, "Nimby" war noch ok, aber alles was danach kam hätten wir uns auch sparen können.

Wie ging's nach dem letzten Gig für dich weiter?

Wie gesagt, ich war vorbereitet. Ich bin nach der letzten Show hinter die Bühne gegangen, und da waren schon alle weg. Ich saß ganz allein in der Garderobe. Ich habe mich dann ordentlich volllaufen lassen und bin am nächsten Morgen mit einem tierischen Kater nach Bremen gefahren. Dort habe ich die Medienagentur einer Reederei geleitet. Das habe ich dann zwei Jahre lang durchgezogen. Dann habe ich wieder gekündigt und zusammen mit meinem Bruder Wingenfelder gegründet. Naja, und jetzt sitzen wir wieder hier und ziehen das Ding nochmal ein Jahr lang durch.

Über 30 Jahre im Musikgeschäft: Da gibt's bestimmt viel zu erzählen. Wenn du jetzt an ultimative Höhe- und Tiefpunkte deiner bisherigen Karriere denkst – Was schießt dir da zuerst in den Kopf?

Ich fange mal mit den Tiefpunkten an. Unsere erste Plattenfirma hat uns damals total über den Tisch gezogen. Das war so der erste Downer. Dann habe ich mal in Luxemburg mit angetapten Drumsticks an den Waden auf der Bühne gestanden. Das war auch nicht so toll. Der absolute Tiefpunkt war aber ein Konzert zusammen mit Herbert Grönemeyer vor fast 300.000 Menschen. Da bin ich nach dem dritten Song auf ein Kabel getreten und hab mir dabei einen Muskelfaserriss zugezogen. Heute würde ich mir in so einer Situation einen Hocker auf die Bühne stellen und locker im Sitzen weitermachen. Damals war ich aber noch total unerfahren und verunsichert. Ich hab dann rumgejammert und die Show gegen die Wand gefahren. Das war ziemlich heftig und definitiv mein ganz persönlicher Fury-Tiefpunkt.

Und die Highlights?

Das erste Mal in den Charts war ein Hammergefühl. Die Gewissheit zu haben von der Musik leben zu können: Das ist, glaube ich, mit das Größte für einen jungen Musiker. Danach gab's eigentlich nur noch Zugaben. Amerika war natürlich auch geil. Ich kann mich noch erinnern, wie wir dort am Flughafen von einem Stretch-Limo-Fahrer empfangen wurden. Im Auto haben wir ihm dann gesagt: Hey, ist ja total nett von dir, aber du kannst jetzt die Fury-Cassette wieder ausmachen. Alles ist gut. Er drehte sich dann zu uns um und meinte nur: Das ist keine Cassette von euch. Ihr lauft hier schon den ganzen Tag im Radio. Da kriege ich heute noch Gänsehaut, wenn ich daran denke.

Und das trotz dieses Bandnamens!

Krass, oder? (lacht)

"Ich habe höchsten Respekt vor Helene Fischer"

Ihr hattet ja damals drei Namen zur Auswahl: Bibo und der Schlotterklaus, Boomer beißt Franz Josef Strauß oder eben Fury In The Slaughterhouse. Würdest du heute einen anderen Namen wählen?

Ich würde natürlich keinen von den drei Namen nehmen, ganz klar. Damals musste ich mich aber schnell entscheiden. Wir mussten Plakate für ein kurzfristiges Konzert anfertigen. Als mich Rainer mitten in der Nacht anrief und mich zu einer Entscheidung zwang, war ich total betrunken. Naja, und dann habe ich mich eben entschieden. Hätte ich Biber oder Boomer genommen, würden wir heute bestimmt nicht miteinander reden.

Gut möglich. Heutzutage tritt ja kaum noch eine deutsche Band in puncto Bandnamen ins Fettnäpfchen. Wie siehst du eigentlich die aktuelle Lage hierzulande? Gibt’s Bands und Künstler, die dich aus den Socken hauen?

Da gibt's jede Menge. Kraftklub und Jennifer Rostock sind beispielsweise Bands, die mich schwer beeindrucken. Die haben tolle Texte am Start. Casper mag ich auch sehr gerne. Mir gefallen aber auch ein paar Songs von Andreas Bourani, wenngleich ich sagen muss, dass mir diese Deutschpop-Szene grundsätzlich zu steril rüberkommt.

Was ist mit Helene Fischer?

Auch toll. Musikalisch nicht meine Baustelle. Aber ich habe höchsten Respekt vor dieser Frau. Die ackert total, bezahlt ihre Leute fair und soll eine ganz umgängliche Person sein. Das Gleiche kann ich auch über die Scorpions sagen. All die Lästermäuler sollten mal lieber den Ball flach halten. Das ist ne Band, die überall auf der Welt Erfolg hat. Das soll erstmal einer nachmachen. Und Klaus Meine ist ein richtig feiner Kerl.

Ihr wart ebenfalls im Ausland sehr erfolgreich. Was habt ihr damals anders gemacht als andere deutsche Bands?

Keine Ahnung. Wenn wir uns getroffen haben, dann war da einfach eine Magie am Start. Ich meine, bis auf Gero waren und sind wir alle total unterdurchschnittliche Musiker. Das ist nun mal eine Tatsache. Aber wenn wir zusammen in einem Raum sind, dann passiert etwas. Ich kann das gar nicht beschreiben. Das passt irgendwie. Und so war das damals auch schon. Diese Energie, die sich dann entwickelt, ist der Schlüssel.

"Won't Forget These Days" ist für viele DER Fury-Song schlechthin. Für dich auch?

Nein. Sicher, das ist wahrscheinlich die größte Hymne, die wir je geschrieben haben. Für viele Leute gehört dieser Song ja zum Soundtrack des Lebens dazu. Aber bei mir steht eher "Every Generation Got It's Own Disease" ganz oben auf der Liste. Das ist für mich der perfekte Fury-Song. Da ist alles drin.

Ich steh ja mehr auf "Time To Wonder".

Auch ne coole Nummer. Wir haben schon ein paar richtig gute Songs geschrieben. Und ich freu mich echt tierisch, die alle in diesem Jahr noch einmal live singen zu dürfen. Da bin ich wie ein kleines Kind, das sich auf Weihnachten freut.

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