laut.de-Biographie
Ghost Atlas
Wer musikalisch so viel drauf hat wie Jesse Cash, kann unmöglich als Gitarrist einer Metalcore-Band alles ausleben. Erst recht nicht, wenn zu schier unerschöpflichen Gitarrenskills auch noch gesanglicher Wiedererkennungswert kommt. Es braucht also mehr künstlerischen Freiraum, um dem aufwühlenden Innenleben Ausdruck zu verleihen. Deshalb beginnt das Mastermind der Band Erra 2013 damit, sich mit dem Soloprojekt Ghost Atlas in leiseren Tönen zu verwirklichen.
Irgendwo zwischen Post-Hardcore, Alternative Rock und gitarrenverliebtem Singer/Songwriter deutet Cash mit der ersten Single "Elixir Of Life" erstmals an, wie viel Bandbreite er sowohl stimmlich als auch instrumental abdeckt. Was zunächst als unausgegorenes Nebenprojekt mitläuft und zwischen Studio- und Tour-Alltag mit der eigentlichen Band nur wenig Platz findet, nimmt 2017 konkretere Formen an.
Das Debüt "All Is In Snyc, And There Is Nothing Left To Sing About" lebt als Self Release gleich all das aus, worauf sich das stetige Wechselspiel aus Härte und Melodie bei Erra nie so richtig eingelassen hat. Cash vertieft sein Gespür für Melodien hier zwar ganz ohne Metal-Elemente, aber nicht ohne seine Stimme auch druckvoll einzusetzen. Treibende Riffs und wahlweise Schlagzeug oder Bass ergänzen den Mix. Mal verspielt, mal straight, bleibt es das Werk eines begnadeten Songwriters und macht Lust auf mehr.
Da Erra dennoch weiter Priorität genießen und deren Veröffentlichungen, auch dank Cashs Handschrift, immer erfolgreicher werden, müssen sich Fans des vielversprechenden Debüts zur Überbrückung mit einer Akustik-Platte begnügen. Neben wenigen neuen Nummern greift "Sleep Therapy" 2019 bereits veröffentlichte Tracks noch einmal im Singer/Songwriter-Gewand auf. Auch derart reduziert holt der Kerl aus Alabama nicht zuletzt mit seinem filigranen Gitarrenspiel jede Menge heraus.
Ganze fünf Jahre ziehen ins Land, ehe Cash seine gesammelten Ideen wieder in ein Album packt. 2024 erscheint "Dust Of The Human Shape", diesmal nicht in Eigenregie, sondern unter UNFD, jenem Label, das bereits Erra vertraglich unter seinen Fittichen hat. Warum also nicht gleich den talentierten Songwriter der Band mit dazu nehmen?
So bekommt das zweite Studio-Album eine schicke Produktion und beweist mehr Hang zum Pop, ohne sich jedoch auf einzelne Genreeinflüsse festnageln zu lassen. Über allem schwebt Cashs Fähigkeit, jeder Songidee mit verträumten Gitarrenfiguren Leben einzuhauchen. Dabei gibt es viele kleine Kniffe im Songwriting zu entdecken. Grund genug, sich so langsam vom Status des Geheimtipps zu verabschieden.
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