laut.de-Kritik

Einfallslos. Nicht nur in diesem Moment.

Review von

Um einen Song als Popsong zu enttarnen, muss man sich das Stück oft noch nicht mal anhören. Ein schneller Blick auf die Lyrics genügt. Findet man darin Wörter wie "Reise", "Abenteuer", "Sterne", "Umlaufbahn", "Leuchten" oder auch Phrasen wie "bis ans Ende der Welt", "keine Träume sind für uns zu groß", "du und ich durch die Nacht" und "für immer dein", dann stehen die Chancen nicht schlecht, dass man es mit einem Vertreter der Populärmusik zu tun hat. Womit wir bei Glasperlenspiel wären.

Der Wortschatz der deutschen Sprache umfasst grob 75.000 Wörter – warum das Duo auch auf den sieben neuen Songs der Extended Version ihres letztjährigen "Grenzenlos"-Albums auf die ewig gleichen sprachlichen Bilder zurückgreift, ist nur mit mangelnder Inspiration oder Kreativität zu erklären. Es fällt zumindest schwer, einen Songwriter ernst zu nehmen, wenn sich seine Werke aus dem Stegreif mitsingen lassen.

Dazu ein Experiment, bitte ergänzt die Lücken des folgenden Textes: "In diesem Moment wünsche ich mich zu dir. Wünschte ich, du wärst bei [...] - Ich brauche dich doch zum Glück. Warum bist du nicht [...]?"

Ein bisschen trickier wird es hier: "Ich bin nicht so stark, wie du meinst, es ist nicht immer [...]" Kleiner Tipp: Hier müssen gleich vier Worte eingefügt werden.

Dass Glasperlenspiel diese abgedroschenen Floskeln und Metaphern benutzen, ist vor allem deshalb ärgerlich, weil der Sound an sich durchaus Potenzial für Größeres hätte. Blendet man im Track "Folge mir" die glattgebügelten, einfallslosen, immer demselben Reimschema folgenden Vocals aus, hat man plötzlich eine Klanglandschaft vor sich, die Ähnlichkeit mit Bands wie Chvrches oder Claire hat. Indie-Elektro-Pop also, der zwar von der Melodie her eingängig ist, aber dennoch genug Twists und Eigenwilligkeit aufweist, um als halbwegs originell durchzugehen.

Selbiges gilt für den neuen Song "Sonne und Erde": eine sphärische, verträumte Tech-House Nummer, die ohne den penetranten, schon x-fach gehörten Kitsch-Gesang, als passabler Soundtrack für ein lässiges Beach Open Air unter freiem Himmel durchgehen würde.

"Ich kämpfe um dich" kann es wiederum locker mit einer David Guetta- oder einer Calvin Harris-Produktion aufnehmen. Beats, Synthies und Club-Appeal sind in selbiger Qualität und gleicher Ausführung vorhanden, nur eben mit Texten und Melodien versehen, die jeden Hipness-Faktor im Keim ersticken. Wenig überraschend klingt auch ihre Neuauflegung des GZSZ-Titellieds "Ich seh' in dein Herz" trotz der integrierten Elektro-Pop-Elemente nicht unbedingt moderner als das Original.

Was also tun? Sich seiner Wurzeln besinnen, rät man ja in solchen Schaffenskrisen gerne. Im Falle von Glasperlenspiel kann man das sogar wortwörtlich nehmen, ist ihr Bandname doch von einem Buch des Schriftstellers Hermann Hesse abgekupfert. Eine intensive Lektüre seiner Werke könnte das Vokabular der Band vielleicht ein wenig erweitern. An den einfältigen Gesangsmelodien ändert dies freilich nichts.

Trackliste

  1. 1. Grenzenlos
  2. 2. Nie Vergessen
  3. 3. Moment
  4. 4. Herz Aus Gold
  5. 5. Unsterblich
  6. 6. Für Immer Dein
  7. 7. Was Du Nicht Weißt
  8. 8. Tief
  9. 9. So Leicht
  10. 10. Wie Ich Nicht Sein Will
  11. 11. Wie Sonne Und Erde
  12. 12. Tanzen Den Schmerz Weg
  13. 13. Ich Kämpfe Um Dich
  14. 14. Lasst Uns Was Bewegen
  15. 15. Bevor Ich Gar Nichts Sage
  16. 16. Risiko
  17. 17. Zu Hause
  18. 18. Folge Mir
  19. 19. Ich Seh Dein Herz

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20 Kommentare mit 90 Antworten

  • Vor 9 Jahren

    Die fand ich schon scheiße, da gab es sie noch gar nicht. #yolo

  • Vor 9 Jahren

    Viel zu trendorientiert, um cool, smart oder "erfrischend" (um mal Patrick23 zu zitieren) zu sein. Ich will jetzt nicht sagen, dass alles, was den Weg ins Radio findet per se schlecht ist, aber Glasperlenspiel kommen sogar ohne ein Veto in die Playlist. Wer so wenig Ecken und Kanten hat und allen ernstes "jung" (=innovativ? rebellisch?? interessant???) genannt wird, kann sich gleich mit den "Jungen" der letzten 20 Jahre messen lassen, die in etwa genauso spannend oder vielsagend sind wie Glasperlenspiel. Für mich ein Schlag ins Gesicht für jeden Musikliebhaber, der aus Naivität einer solchen Band Hördurchgänge schenkt...

  • Vor 9 Jahren

    Boah, Glasperlenspiel ... da kann ich nicht anders und muss in die unterste Schublade greifen: Das ist unfassbare Riesenscheiße! Diese Schmocks machen mich wirklich aggressiv mit ihrem blutleeren und talentfreien Gedudel.
    Wenn der Typpie sein "ich bin schuld" ins Mikro haucht - singen kann er ja nicht - ballt sich unbewusst meine Faust und ich möchte am liebsten die Schuld aus ihm rausprügeln!
    So ein Rotz kann doch nichtmal SozPäds gefallen.

    Muss jetzt unter die kalte Dusche ...