laut.de-Kritik
In der Nische zu bleiben ist keine Schande.
Review von Yannik GölzGunna gehört zu den unspektakuläreren Rappern im aktiven Mainstream. Auch wenn der Mann in den letzten Jahren ohne Übertreibung auf jedem zweiten populären Release gefeaturet war, müsste man schon lange nach einem Part suchen, der den Hörer sofort umhaut. Er ist eben kein Typ, der auf den Wow-Effekt schielt, aber wenn er flowt, dann flowt er. Wer einmal Songs wie "Sold Out Dates" oder "Drip Too Hard" in Rotation hatte, weiß um die Anziehungskraft, die ein Gunna-Part ausüben kann. Gerade wenn er sich dann die kohärent psychedelische Produktion zusammenpickt, sind diese Mixtapes mit absolutem Sucht-Faktor wie "Drip Season 3" oder das fantastische "Drip Or Drown 2" entstanden, die zum besten gehören, das Atlanta-Trap je hervorgebracht hat.
Leider hat sich mit seinem letzten Album "Wunna" ein bisschen der Wurm eingeschlichen: Irgendjemand muss gesagt haben, dass Gunna bitte mal mit den Flows vielseitiger werden solle und mal andere Songkonzepte ausprobieren solle. Die vierte Installation seiner "Drip Season"-Reihe macht genau damit weiter und verheddert sein eigentlich makelloses Erfolgsrezept mit einer inkohärenten Tracklist und Songskizzen, die wirklich nicht hätten sein müssen.
Wir bekommen auf "Drip Season 4 Ever" nämlich eine ganze Riege an R'n'B-Cuts von und mit Gunna, die nicht einmal daran kranken, dass sein Flow auf diese Art Musik nicht passen würde, sondern die Einzigartigkeit seiner sonstigen Produktion vermissen lassen. "Die Alone" mit Yung Bleu und Chris Brown zum Beispiel macht servierfähigen Mikrowellen-RnB, hebt sich aber um nichts und wieder nichts von jedem anderen RnB-Song in den einschlägigen Playlists ab. Genauso durchschnittlich klingt die Chloe-Kollabo "You & Me", auf der Gunna einfach nicht als feinfühliger Meister der romantischen Gesten hervorsticht. Ja, die beiden scheinen in echt ein Paar zu sein, aber so wenig On-Record-Chemie hatten zuletzt Halsey und G-Eazy.
Die Features mit 21 Savage, Kodak Black und leider auch mit Mentor Young Thug im ersten Drittel des Albums vertiefen diesen Wühltisch-Charakter. Es fehlt die Vision, die Stimmung, in der Gunna sonst Album-weise eigentlich stark abschnitt. Ähnlich wie Roddys enttäuschendes zweites Album "Live Life Fast" kommt hier ein uninspiriertes Session-Gefühl auf, als hätte man diese Songs einfach irgendwem gegeben.
Trotzdem bleiben eine ganze Menge Wermutstropfen, die sich vor allem in der zweiten Hälfte vertiefen: Das verzerrte Sample mitsamt Turbo-Beat auf "Livin Wild" bauen dichte, nostalgische Atmosphäre auf, auf "Flooded" holt er die submarinen Synthesizer-Sounds und die Stimmlage der "Drip Or Drown"-Serie zurück, beide Songs klingen nach High Fashion und Penthouse-Downern, wie es die besten Gunna-Songs tun. Besonders die Kollabos mit Lil Baby ("25k Jacket"), Future ("Too Easy") und G Herbo ("Idk That Bitch") fühlen sich wie Formhochs an, die auf seine besten Alben gepasst hätten.
Wenn er mit dem opulenten Closer "So Far Ahead > Empire" schließlich noch einmal auf ein wechselndes Instrumental in eine minimale Synth-Komposition durchrappt, bleibt ein starker Eindruck von einem hungrigen, ambitionierten Gunna zurück. "DS4Ever" hat ähnliche Stärken und Schwächen wie Vorgänger "Wunna": Die Highlights bleiben schön, Gunna hat seine eine Nische, die er bedienen kann wie kaum ein Zweiter, aber dazwischen finden sich hier wieder eine ganze Stange Songs, die diese Stärken zurückstellen und Gunna ins Auswärtsspiel zwingen. Das läuft nie furchtbar, aber zieht ihn auf die Durchschnittlichkeit herab, die Kritiker sowieso meistens in ihm hören. Der Wiederhörwert seiner besten Alben ist damit leider mehr oder weniger dahin und das Erbe dieses Tapes wird kaum über ein paar Adds zur Playlist hinausgehen.
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