laut.de-Kritik

Die Wut sitzt tief - und bricht sich Bahn.

Review von

"Du machst Hip Hop, Gangster-Rap, doch ich nehm' dir die Lizenz." 18 Karat erkannte das Potenzial des Offenbachers und stellt ihm mittels Supremos Musik eine schriftliche Genehmigung für den amtlichen Sprechgesang aus. Dabei fehlen ihm dafür laut "Risiko" eigentlich die Ressourcen: "Keine Zeit für Rap. Ich bin auf der Straße aktiv." Das erklärt zumindest, weshalb sich die Veröffentlichung von "Knast Oder Palast" mehrfach verschoben hat. Umso dichter pflügt der Newcomer nun durch sein Debütalbum. Ab dem eröffnenden "Für Die Blocks" läuft Hemso durchgehend bei 120 Prozent.

Inhaltlich folgt der Rapper einer einfachen Formel: Rauschmittel gehen raus, Scheine kommen rein. "Gib Mir Den Batzen Ich Zähl" fasst es salopp zusammen. Der Feind "Im Ghetto" lässt sich unter diesen Umständen natürlich umgehend ausmachen: "Fick das Kommissariat, Polizei und Officer, Oberkommissar, Landesgericht und LKA". ThisIsYT versorgt Hemso dazu mit einem potenten Glockenbeat, den auch SSIO nicht verschmähen würde. Sowohl wuchtig als auch unheilvoll und mystisch kommt die Produktion von "Press Alles Weg" daher, die denselben Reglern entstammen.

Dabei müssen die Instrumentals gar keine großen Sprünge machen. Hemso beansprucht derart viel Raum, dass er wohl auch ohne Beats auskäme. Da er fortwährend unter Strom steht, schleichen sich durchaus Ermüdungserscheinungen ein. Der Vorwurf der "Heliumstimme", der sich durch die Kommentarspalten zieht, erscheint aber kurzsichtig. Schon 2011 stellte Kool Savas in "Die Stimme" fest, dass er nach längerem Hadern mit dem eigenen Organ feststellen durfte, dass gerade die Speerspitzen des Hip Hop in höheren Lagen operieren: "Meine Idole hatten Stimmen wie ich".

Die Stimme Hemsos bildet dann auch einen gelungen Kontrast zum dumpfen Vortrag von Sa4 oder LX von der 187 Strassenbande. Letztgenannter pflegt auf "Schmeckt" ein vorzivilisatorisches Auftreten wie es sich laut Fler für einen Rapper gehört: "Was für ausdiskutier'n? Alles wird bei mir mit der Faust reguliert". Haftbefehl-Wiedergänger Ramo zeigt in "Wo Bist Du", dass er auch die überzogenen Bilder des Meisters beherrscht. Und Brecho erinnert daran, dass auch Gangster-Rapper mit Zeichentrick-Serien aufwachsen. Wenn es um Geld gehe, sei er noch "schlimmer als Mr. Krabs".

Hemsos Idole bevölkern aber doch weniger Bikini Bottom, sondern treiben die Handlung in "Boardwalk Empire" oder "Narcos" voran: "Nenn mich Lucky Luciano oder nenn mich Al Capone, Meyer Lansky, Pablo Escobar, El Chapo". Die Auflistung aus "Automatikk" weist bereits daraufhin, dass das kriminelle Milieu eine enorme Faszination auf den Rapper ausübt. Das "Risiko" geht der Sensation-Seeker dann wohl auch ein, obwohl keine monetäre Notwendigkeit vorliegt: "Guck, ich riskier' meine Freiheit. Das hier wird alles kein Easy Going. Doch ich liebe dieses Risiko".

Dank der Religion bereitet ihm dieser Lebensstil jedoch schlaflose Nächte, denn beim "Freitagsgebet gibt es keine Ausreden". Im persönlichen "1993" führt er durch seine Biografie und übt für einen Rapper auf erstaunlich umfängliche Weise Selbstkritik: "Ich hab' alles falsch gemacht, was geht". Das Aufwachsen im finanzschwachen Schmelztiegel stärkt nicht nur die Rolle des Glaubens ("Halten uns hier fest an Religion."), sondern immunisiert den Offenbacher auch dagegen, die Feindbilder bei anderen Minderheiten zu suchen: "Jeder hat seine Kultur, trotzdem sind wir alle gleich".

Hemso vermeidet es nicht nur, nach unten zu treten. Anders als Beckenrandspringer Gzuz lehnt er sich auch nicht sinnlos gegen jede noch so vage Autorität auf, sondern mimt den klassischen Wutbürger, der jedes Vertrauen in die Parlamente verloren hat: "Fick die Politiker, alles ein paar Pisser, die nur labern". Das mag alles andere als differenziert daherkommen, erscheint aber als Ausdruck einer tiefsitzenden Wut, die sich Bahn bricht und in der Schwarz-Weiß-Malerei eines Titels wie "Knast Oder Palast" mündet: "Erreichst du die Spitze oder fällst du in die Tiefe?".

Trackliste

  1. 1. Für Die Blocks
  2. 2. Schmeckt (mit LX)
  3. 3. Risiko
  4. 4. Im Ghetto (mit Brudi030)
  5. 5. Automatikk
  6. 6. Wo Bist Du (mit Ramo)
  7. 7. 1993
  8. 8. Knast Oder Palast (mit 18 Karat)
  9. 9. Gib Mir Den Batzen Ich Zähl
  10. 10. Skit
  11. 11. Was Low (mit Sa4)
  12. 12. Klick Klack
  13. 13. Push
  14. 14. Cream (mit Hamada und Brecho)
  15. 15. Fick Auf Die Polizei (mit Undacava und Pablokk)
  16. 16. Press Alles Weg
  17. 17. Wo Wir Herkommen (mit Bozza)
  18. 18. Ausm Ghetto In Die Charts

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Hemso

"Hier gibt's nicht viel zu machen, nur Spielotheken, Dönerläden, Internetcafés, Shisha-Bars." Die Trostlosigkeit Offenbachs bietet sich für zünftigen …

5 Kommentare mit einer Antwort