Porträt

laut.de-Biographie

Ho99o9

Wer sich vom Besuch einer Live-Show eine Ganzkörpererfahrung erhofft, gerät bei Ho99o9 an genau die Richtigen. Niemand, der je einem Auftritt des Duos beigewohnt hat, wird den Namen mit der kopfstehenden 666 jemals wieder vergessen.

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"Es gehört einiges dazu, eine Berghain-Crowd zu verängstigen", schreibt etwa The Quietus, "aber Ho99o9 haben das ruhmreich hinbekommen." Autor Daniel Dylan Wray schildert seine Eindrücke: "Als ich Ho99o9 das erste Mal gesehen habe, endete es damit, dass Eaddy bis auf die Socken nackt durch den Raum sprang und über jeden, den er dabei über den Haufen rempelte, drüberrutschte, so dermaßen schweißgebadet als sei er ein menschliches Stück Seife, das durch die Hände der Zuschauer glitscht, die ihn entweder aufzufangen oder ihn sich vom Leib zu halten versuchten."

"Wenn du zu einer Ho99o9-Show gehst, betrittst du eine andere Dimension", versucht sich das Upset Magazine an einer Beschreibung. "Eine Dimension, frei von den Beschränkungen des Alltags, frei von Erwartungen oder Zurückhaltung. Eine Ho99o9-Show gehört unzweifelhaft und in einzigartiger Weise nur ihnen, ein durchgeknallter, kompromissloser Ort, durch und durch bad-ass."

Noch ein Augenzeugenbericht? Cuepoint listet Ho99o9s Auftritt beim SXSW-Festival 2017 unter den "30 freshest sets" weit, weit vorne: "Worte werden dem nicht gerecht", schreibt John Gorman dort. "Wie zur Hölle kann eine Band, von der ich noch nie gehört habe, mit zwei Leadsängern - einer in einem Krankenhaus-Nachthemd und einer Taylor Swift-Perücke, der andere in einem flauschigen, blauen Karnevals-Vogelkostüm - einfach so die außergewöhnlichste Liveshow abziehen, die ich jemals gesehen habe? Ich werde ihre Musik wahrscheinlich nie im Auto spielen. Vermutlich werde ich auch niemals wissen, wie ein einziger ihrer Songs heißt. Aber ich kann euch versichern: Wann immer die wieder nach Austin kommen, kaufe ich Tickets und erzähl' es jedem, den ich kenne. Das war nicht nur der schockierendste Liveact des Festivals. So etwas gibt es auf diesem Planeten einfach kein zweites Mal."

"Das kommt ganz von selbst", erklären Ho99o9, was sie auf der Bühne abziehen. "Für uns ist das wie Aufwachen, Zähneputzen und Unterhosen anziehen. Die Musik aufnehmen, das ist der einfache Teil, aber die Liveshows verlangen deine Energie und deine volle Aufmerksamkeit. (...) Du musst die Intensität rüberbringen. Aufnehmen ist leicht, aber das dann auf die Bühne stellen? Das ist der spaßige Teil."

Fast noch schwieriger als die Liveauftritte von Ho99o9 zu beschreiben gestaltet sich der Versuch, sie in musikalische Schubladen einzusortieren. Der völlig hemmungslose Mix aus Hip Hop und Punk, und Hardcore und Thrash schlägt schlicht das ganze Genre-Koordinatensystem, um sich hernach ausgiebig in den scharfkantigen Trümmern zu suhlen.

"Musik von der Lieblichkeit einer Kreissäge", probiert es die Spex, der zufolge die "schwer zu definierende Mixtur aus Hardcore, Rap und elektronischen Störgeräuschen klingt, als würden die Bad Brains zusammen mit den Gravediggaz etwas Sperriges in ein hochtouriges Getriebe fallen lassen".

Außerdem führen Ho99o9 auf die Frage nach musikalischen Einflüssen Onyx, Bone Thugs-N-Harmony, Nas, G-Unit, DMX, Nine Inch Nails und Body Count ins Feld, oder je nach Tagesform auch Milli Vanilli, die Temptations, Sum 41, Hanson und die Backstreet Boys. Was für Spinner sind das eigentlich?

Rapper und DJ The OGM und sein Kollege Eaddy, der auch unter dem Namen Yeti Bones antritt, kommen, wenngleich seit 2014 in Los Angeles ansässig, beide aus New Jersey. Ersterer entstammt einem strengen haitianischen Elternhaus, in dem allerdings jede Menge Musik steckt: Wenn der Vater nicht gerade in der Fabrik malocht, spielt er Bass oder legt auf Partys auf. Seine Plattensammlung: entsprechend umfangreich.

Ho99o9 - United States Of Horror Aktuelles Album
Ho99o9 United States Of Horror
Hardcore-Horrortrap: eher nix für den gepflegten Tanztee.

Der andere, Eaddy, erblickt das Licht der Welt in Newark, wo er auch aufwächst, umgeben von Armut, Drogengeschäften und Ganggewalt. Davor, sich darin nicht verstricken zu lassen, bewahrt ihn einzig der Sport: Zu Highschool-Zeiten konzentriert er sich voll auf Basketball.

Ganz so voll dann aber doch wieder nicht: Irgendwann treffen er und The OGM aufeinander. Eine Begegnung, die um 2009 in der Gründung des Künstlerkollektivs NJstreetKLAN mündet. "Unser Ziel bestand darin, lokalen Künstlern aus New Jersey Aufmerksamkeit zu verschaffen, richtig coole Shows aufzuziehen und die Typen aus New York City anzulocken, weil die solche Trips hassen. Darüber wurden wir auch gleich bessere Künstler, weil wir plötzlich eine Bühne zum Üben hatten."

Bald stehen Ho99o9 auch bei größeren Festivals im Line-Up und setzen mehrfach nach Europa über, wo sie ebenfalls staunendes und verstörtes Publikum hinterlassen. Die eigene Diskografie kommt über den Liveauftritten lange zu kurz. Ho99o9 gründen sich zwar schon 2012, den EPs "Mutant Freax" und "Horrors Of 1999" aus den Jahren 2014 und '15 folgt, ebenfalls 2015, das Mixtape "Dead Bodies In The Lake" - und dann lange nichts. Erst 2017 erscheint das Album-Debüt "United States Of Horror".

Darauf greifen Ho99o9 Themen wie Polizeigewalt, Rassismus, Machtmissbrauch und allgemein die Schieflage der Verhältnisse auf. Als politisch motivierte Künstler verstehen sie sich dennoch nicht: "Wir wollen einfach eine Band mit einer Stimme sein", so Eaddy. "Eine Band, die über lustige Dinge spricht, über schlimme Dinge, gute Dinge - einfach über alles."

"Ho99o9 ist kein bisschen politisch. Wir reden einfach über das, das wir tagtäglich sehen und wovon wir etwas verstehen", fügt The OGM an. "Wir haben nicht viel Geld, also reden wir nicht darüber, im Benz herumzufahren, oder über verdammte Villen. Wir sprechen über den Scheiß, den wir in den Nachrichten sehen, über Dinge, die wir hören oder durchmachen, im Leben. Die Dinge, über die die Menschen sprechen. Realität." Eine Einstellung, die Ho99o9 vermutlich mehr Sprengkraft beschert, als viele dezidiert politisch motivierte Künstler jemals erreichen.

"Du kannst die Welt, in der wir heute leben, nicht mit Zuckerguss überziehen", so Eaddy. "Uns umgibt das alles, ob es dir gefällt oder nicht. Lies die Zeitung, schalt' den Fernseher ein, tritt einen Schritt zurück und schau' dir die Welt an: Terrorangriffe, Rassismus, Krieg, Waffen, Polizeigewalt, die Liste lässt sich endlos fortsetzen, und du kannst all das nicht verstecken. Es geht gar nicht darum, ob es uns fasziniert. Vielmehr haut dir das echte Leben auf dein verdammtes Maul."

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