laut.de-Kritik
Wie man Soul singt, ohne fingerdick Schmalz aufzutragen.
Review von Klaus HardtJoan Osborne ist mit ihrer neuen CD ein gewagtes Unternehmen eingegangen, da sie nur Coverversionen alter Soul-Klassiker enthält. Man kann sich bei so etwas natürlich leicht die Finger verbrennen, doch Osborne hat ihre Sache gut gemacht. Die Songs interpretierte sie auf ihre Weise, es ist eine Mischung aus Soul und Singer/Songwriter-Stilistik mit einer Spur Country heraus gekommen. Das äußert sich konkret in einer viel intimeren und ruhigeren Umsetzung des Songmaterials als bei den Originalen.
"Think" von Aretha Franklin oder auch "Everybody Is A Star" von Sly and the Family Stone haben nicht mehr das Feuer wie die ursprünglichen Aufnahmen, doch diese ruhigen Fassungen kann man genießen. Das Wesentliche sind die fließenden Grooves und der Gesang. Osborne arbeitet viel mit unterschiedlichen Klangfarben und deutet den Text mit dem Ausdruck in ihrer Stimme in typischer Singer/Songwriter-Manier aus. Dabei übertreibt sie nicht und bleibt somit authentisch. So ist ihre Art, Soul zu singen, ein gutes Beispiel, wie man diesen Stil ausformen kann, ohne fingerdick den Schmalz aufzutragen. Daran könnten sich einige andere aktuelle R'n'B-Sänger und -Sängerinnen ein Beispiel nehmen.
Einen positiven Eindruck muss auch Isaac Hayes von der Amerikanerin haben, denn ihn hört man neben Joan Osborne bei "Smiling Faces" von Undisputet Truth. Das Stück ist ebenfalls ruhig und zum Entspannen geeignet, obwohl die Rhythmusgruppe mit Ahmir Thompson und Meshell Ndegeocello doch recht funky spielt. Die Instrumentation ist sparsam mit Gitarre, ein wenig Keyboard und ein paar zurückhaltenden Bläsern. So bleibt genug Platz für Osborne und Hayes, sich auszudrücken und gegenseitig die Bälle zuzuspielen.
Richtig ab geht es bei "Only You Know And I Know", einem Midtempo-Rocksong mit Soul und leichten Country-Anleihen. Eine Wah-Wah-Rhythmusgitarre bringt den Song nach vorne. Die langgezogenen Bläsersätze machen den Sound im Refrain breit. Der mehrfach gedoppelte Gesang erinnert an Country und kann schon mal etwas Gänsehaut verursachen.
Alles in allem ist Joan Osborne ein gutes Album gelungen. Natürlich hat sie die Originalversionen der Soul-Nummern mit ihren Interpretationen nicht hinweg gefegt. Dies war wahrscheinlich auch nicht ihr Anspruch. Sie wollte wohl vielmehr aus der heutigen Sicht und auf ihre eigene Art die Stücke einspielen. Das ist ihr überzeugend gelungen. Wer auf Sängerinnen in der Art von Alanis Morissette steht und ruhigen Soul mag, der wird sich an dieser Scheibe erfreuen.
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