Porträt

laut.de-Biographie

Joy Orbison

Seit 2009 sind im Elektrozirkus der Musikbranche mindestens zwei Ewigkeiten vergangen und zwanzig Subgenres vorübergezogen (Ciao, Brostep!). Dementsprechend lässt sich an einer Hand abzählen, wer in diesem Zeitraum für die Weiterentwicklung des Genres relevant bleibt und das als DJ auch noch selbst umsetzt. Einer, bei dem sich alle einig sind, dass er dazu zählt, ist Joy Orbison aus der Nähe von Croydon bei London.

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Der Engländer heißt bürgerlich Peter O'Grady. Sein Künstlername spielt auf Roy Orbison an - miteinander zu tun haben die beiden zwar herzlich wenig, aber das störte Voodoo Jürgens bekanntlich auch nicht.

Orbison betritt 2009 mit einem Knall die Bühne, von der er sich in den gesamten Zehner-Jahren nicht mehr verabschiedet. Seine Debütsingle "Hyph Mngo" führt zu Begeisterungssalti in den Szene-Mags wie Resident Advisor, selbst Pitchfork sieht eine große Karriere am Horizont. Das hat einen guten Grund: "Hyph Mngo" ist ein krummes Riesending. Viel zu souverän für ein Debüt schleicht es sich an, nimmt sich Zeit, schöpft Kraft im Noise, liebäugelt auf einmal mit French House, nur um endgültig Richtung Chicago abzubiegen.

Der Synkretismus im 130- bis 140-BPM-Spektrum aus Jungle, Drum'n'Bass, viel perkussivem UK Garage, Electronica und allem Houseverwandtem bleibt das prägende Merkmal von O'Grady. Man hört die musikalische Bildung durch seinen Onkel, den Drum'n'Bass-Produzenten Ray Keith, heraus, hinzu kam die Cousine Leighann, die den jungen Peter an Jungle heranführt. Da kann die durchschnittliche Verwandtschaft nicht mithalten.

Folgerichtig fängt Peter mit 13 an, Platten zu sammeln, traut sich allerdings erst mit 18 an die Produktion eigener Musik. Er benennt als Einflüsse eine wilde Reihe von Elektronikern, natürlich englische Szenehelden wie die DJs im Umfeld von Hessle Audio, aber auch den deutschen Techno-DJ Shed, die Drum'n'Bass-Legende Calibre aus Nordirland und den House-Veteranen Todd Edwards, aber auch Pop-Post-Punk wie Grizzly Bear.

In den Folgejahren erweist sich der Engländer als Tausendsassa. Neben etlichen Auftritten als DJ und dem Betrieb seines Labels Hinge Finger mit Will Bankhead von The Trilogy Tapes kooperiert er mit dem japanischem Label Cav Empt (falls ihr nicht in Berlin-Mitte wohnt: Die verkaufen für 200 Euro Pullis mit Streifen drauf) und gibt den Gasthost bei BBC Radio 1.

Joy Orbison - Still Slipping Vol. 1 Aktuelles Album
Joy Orbison Still Slipping Vol. 1
Wer so rutscht, muss nicht gehen.

Ganz nebenbei veröffentlicht er regelmäßig 12-Inches von herausragender Qualität und festigt sein Standing in der Elektroszene Londons. Veröffentlichungen vom Schlage "Ellipsis", "GR Etiquette", "Big Room Tech House DJ Tool-TIP!" begleiten zahlreichen Kollaborationen mit Mansur Brown, Overmono und dem Saxofon-Virtuoso Ben Vince.

Über die Jahre arbeitet er zeitweise aus Al Greens (aka Boddika und Instra:mental) Studio und steigt dank seines Labels zu einem Fixpunkt der Londoner Elektroszene auf. Eine Adelung erfährt er Ende 2020 mit der Einrichtung seiner eigenen Radiostation bei GTA Online mit dem schönen Namen "Still Slipping: Los Santos".

Trotz all dieses Erfolgs: Es kommt kein Album, bis "Still Slipping Vol. 1" 2021 das Licht der Welt erblickt. Orbison betonte zu Beginn seiner Karriere, er wolle sich Zeit lassen und sehe noch keine Notwendigkeit für ein Albumformat. Nach zwölf Jahren Produktionsdauer kommt ein nostalgischer und sehr gelungener Nachfolger zur EP "Slipping" aus dem Jahr 2019 heraus, der an vielen Stellen an die Atmosphäre von Mount Kimbie erinnert.

Orbison verweigert sich nicht nur lange dem Albumformat, auch den Gesetzen der PR und der Musikpresse mag er nicht folgen. Er gibt über die Jahre nur wenige (aber halt auch nicht keine) Interviews, was in der hektischen Welt der EDM-Magazine zur verklärenden Mysterienbildung und Porträts in The Guardian und ähnlich hochrangigen Feuilletons über den "geheimnisvollen" DJ führt.

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