laut.de-Kritik
Wenn schon kein frischer Wind weht, dann wenigstens die Bierfahne.
Review von Christian Kollasch"Komm', wir grölen noch ein bisschen, denn ich bin schon wieder voll." Die nordrhein-westfälischen Punkrocker Kärbholz untermauern mit ihrem achten Studioalbum "Herz & Verstand" ihren Status als erste Wahl für VW-Polo-Heckscheibenaufkleber. Ein Meilenstein, für den sich das Quartett ruhig mal auf die breiten Schultern klopfen sollte. Denn der Markt für gefühlsduseligen Phrasendrescher-Rock mit Bierzeltatmosphäre ist in Deutschland hart umkämpft.
Trotz zahlreicher Bands wie Unantastbar, Krawallbrüder und natürlich Frei.Wild, die ihr Erfolgsrezept allesamt darauf aufbauen, schwülstigen Mutmacher-Metal in die Welt zu krakeelen, hatten sich Kärbholz mit den Vorgängern zu "Herz & Verstand" in den oberen Albumcharts breitgemacht. Das neueste Werk wird da keine Ausnahme machen, denn es schlägt - Verzeihung - in dieselbe Kerbe.
Eine dankbare Aufgabe für Kärbholz, die erneut das abliefern, worauf die heisere Fangemeide wartet: Ein entschärfter Heavy-Punk-Sound mit Motörhead-Anleihen trifft hier auf die entzündeten Stimmbänder von Sänger Torben Höffgen, der unter Hochdruck Plattitüden bellt. Hätten die vier ein Phrasenschwein als Bandkasse, wäre es nach jedem ihrer Gigs prall gefüllt.
Den Einstieg macht "Tabula Rasa", in dem Kärbholz mit Seefahrer-Sprech im Refrain die Segel für einen Neuanfang setzen und dabei gleich Teile der ewig schunkelnden Santiano-Anhängerschaft mit abholen. Die Ironie der Thematik wiegt besonders schwer, da die Band natürlich denselben Schweinerock durch die Boxen prügelt, zu dem Höffgen seine Glückskeks-Weisheiten röhrt. Geistreiches Storytelling gibt es nicht, Kärbholz bedienen sich stattdessen lyrischer Taschenspielertricks.
Den Wunsch nach einem frischen Start hat wohl jeder schon mal verspürt, und Kärbholz konservieren diese Emotionen in einem plumpen Rocksong. Dabei treiben sie ihre Metaphern bis weit über die Schmerzgrenze hinaus: "Auf den Boden der Tatsachen bin ich hart aufgeschlagen / Hab' mir irgendwas gebrochen in meinem Herzen / Und alle Ziele und Träume und alle Hoffnung und so / Lagen zersplittert um mich herum / Und da bin ich aufgestanden, hab' alles aufgehoben / Mir in die Tasche gesteckt um es später zu reparieren / Und im Großen und Ganzen ist mir das auch gut gelungen / Doch genauso wie es vorher wurde es nie". Das ist dermaßen platte Lyrik, um noch nach zehn Bier eine Träne dazu verdrücken zu können.
Das zur Schau gestellte Außenseitertum und die Kopf-hoch-Mentalität zerrt an den Nerven. Leute, reißt euch doch mal etwas zusammen. Nach außen zeigen sich Kärbholz als kernige, tätowierte Rocker, im Inneren entpuppen sie sich als die größten Mimosen. Gefühle zeigen ist ja voll in Ordnung, Bands in dieser Sparte fühlen sich jedoch ständig grundlos auf den Schlips getreten. In "Keiner Befiehlt" dreschen Kärbholz auf iPhone-Besitzer und Influencer ein, und obwohl diese oberflächliche Kultur durchaus kritikwürdig ist, kommt ihr Ansatz als bockige, unreflektierte Antihaltung herüber.
Mit "Mutmacher" kuschelt sich die Band dann ganz nah an alle Niedergeschlagenen: "Du bist stärker als du ahnst / Lass dir von niemandem sagen / Dass du irgendwas nicht kannst / Du bist stark, sei stolz auf dich / Denn du bist großartig, du bist großartig / So wie du bist". Gegen diese Botschaft lässt sich natürlich nichts einwenden, im Kontext des Albums bildet der Song aber nur einen weiteren Tropfen im Testosteron-Tränenmeer.
Wie lassen sich diese schweren Schicksale am besten ertragen? Natürlich im Suff. Und auch dafür haben Kärbholz die passende Trunkenbold-Serenade parat. Mit dem beschwipsten Lagerfeuer-Lied "Alle Systeme Auf Vollgas" drängeln sie sich auf jede ordentliche Scheunenfeten-Playlist: "Ich greife nicht nach den Sternen / Bin lieber sternhagelvoll". So viel zum Thema Neuanfang. Wenn mal kein frischer Wind weht, dann wenigstens die Bierfahne.
Wenn am nächsten Tag dann der Kater dröhnt, bauen Kärbholz mit Durchhalteparolen und tausendmal gehörten Punk-Riffs in "Gewitter" schon wieder auf. Aufstehen, weitermachen, weiterkämpfen. Aber gegen was eigentlich? Das Leben, wie es Kärbholz auf "Herz & Verstand" beschreiben, besteht für sie aus einem endlosen Kreislauf aus Niederlagen, Enttäuschungen, Vollrausch und anschließendem Wiederaufstieg - immer mit großer Antipathie für die Masse der Gesellschaft.
Das große Problem besteht darin, dass Kärbholz dem Hörer eigentlich nur das Außenseiter-Dasein vorleben. Auf Albumlänge beschwören sie ein Loser-Mantra, das haften bleibt. Lösungen bieten sie - außer in platten Phrasen und im Saufen - keine an. "Herz & Verstand" liefert selbst ohne Texte einen durchschnittlichen Einheitsbrei aus Punk und Metal. Darum geht es eigentlich auch gar nicht, sondern darum, sich gegenseitig immer wieder runterziehen und wieder aufbauen zu können. Und das klappt auch ohne Fremdeinwirkung durch iPhone-Nutzer und Influencer hervorragend.
3 Kommentare mit 4 Antworten
grausame review. von oben herab versucht sich der rezensent als etwas besseres darzustellen. diss gegen eine bestimmte gruppe von autofahren inbegriffen, obwohl er selbst bestimmt nur mit dem klapprad durch konstanze düst...vermutlich spukt auch das wort "grauzone" noch in seinem hinterkopp herum. lasst euch mal was neues einfallen, ihr seid einfach zu berechnebar geworden...
"lasst euch mal was neues einfallen, ihr seid einfach zu berechnebar geworden..."
Das trifft auf dich natürlich überhaupt nicht zu.
Sodhahn wacht bestimmt jeden Morgen zu "Mutmacher" auf.
"Mit dem Klapprad durch Konstanze" Wäre ein cooler Name für eine Studenten-Punk-Band oder so.
>sich über Berechenbarkeit beschweren
>Kärbholz verteidigen.
Wähle eins.
Unglaubliche kack-band!
https://www.deepground.de/wp-content/uploa…
könnte mir vorstellen, dass die junx beim obligatorischen ausbrechen aus der ländlichen provinz am we ins nahgelegende köln, auch gern mal auf ein piccolöchen im stiefelknecht hallo sagen.