laut.de-Kritik
Wortgenaue Trap-Imitation verkauft als Reform des Rap-Rades.
Review von Dominik LippeKalim glänzte nie als innovationstreibendes Original. Als er mit dem Mixtape "Sechs Kronen" seinen Durchbruch einleitete, tat er sich als verhandlungssicherer Straßenrapper mit angenehmer Erzählerstimme hervor. Der damalige AON-Trademark-Sound distanzierte sich bewusst von Trends, um in stilvoller Weise das etablierte Konzept des Westcoast-Rap durchzuspielen. Für Xatars Label wäre es abwegig gewesen, an der Mär von der Reform des Rap-Rades zu schrauben, denn immerhin gilt nach wie vor: Gut kopiert ist besser als schlecht erfunden.
Mittlerweile steht Kalim bei Universal Urban unter Vertrag, wo er seine Trap-Vorbilder aus den Vereinigten Staaten bis zur Wortebene imitiert. Mit "Trapper Of The Year" oder kurz "T.O.T.Y." legt der Hamburger sein drittes Werk bei dem Major-Label vor. Tiefbassige Instrumentals, die selten intim ("Bleib' Über Nacht"), manchmal schwermütig ("1942", "Paid In Full"), doch zumeist oberflächlich daherkommen, treffen auf die textlichen Versatzstücke über Waffen und Wertsachen, die der Rapper mit der Mentalität eines Buchhalters quantifiziert. "Ich chase nur Money, ich chase keine Bitch."
Als wollte Haftbefehl diese lyrische Arbeitsverweigerung kommentieren, inszeniert er sich in "Ozean" völlig losgelöst vom restlichen Song mit allerlei Anspielungen auf die japanische Kultur als Freund des Inselstaats. Er hätte seine Strophe gleich in der passenden Landessprache einrappen können, ohne damit ein Konzept zu durchkreuzen. Auch Layla brilliert mit jeder Menge Charisma in "Savage" neben dem zumeist dezent gelangweilten Trapper. Mit einem pflichtschuldigen Verweis auf die eigene Volljährigkeit irritiert sie wiederum die Hörerschaft: "Nenn mich Big Mama, Boy, ich bin kein Kind.“"
Doch auch Kalim betont sicherheitshalber: "Du redest mit kein' Kind, ich bin ein OG." Unwillkürlich wandert der Blick zurück auf das bereits angemessen gewürdigte Cover, das sich selbstverständlich an der Kinder-Serie "Street Sharks" orientiert, wie mehrere Leser in den Kommentarspalten klargemacht haben. In dem kurzlebigen Zeichentrick-Format bekommen vier Brüder ein Hai-Serum injiziert, um fortan als Knorpelfisch-Kolosse herumlaufen. Aufgepumpte Pseudo-Haie stellen natürlich ein vortreffliches Bild für die hiesige Hip Hop-Szene dar.
Als Schrittmacher eben dieser Szene nimmt sich der Rapper irrtümlicherweise selbst wahr. Stickle legt für "Blueprint" ein warmes Instrumental aus, das zur Reflexion einlädt. Doch Kalim redet sich über die ansprechende Produktion lieber selbst ein: "Heute blicke ich zurück, ich bin der Blueprint." Die dargebotene Hybris in "Sagrotan" fällt selbst in der anmaßenden Rap-Szene auf. "Ich setze Trends jedes Jahr, ihr seid alle meine Kinder", erklärt er stolz, während im Hintergrund Fanfaren ertönen, die erstaunliche Assoziationen zu "Industry Baby" von Lil Nas X und Jack Harlow wecken.
Neben den traditionell törichten Trap-Texten trüben solche Phantastereien unnötigerweise das Gesamtbild eines ordentlich produzierten Albums ein. Mit wenig Nachsicht begegnete Ahzumjot unlängst vermessenen Künstlern à la Kalim. "Deutsche Rapper müssen dringend aufhören, Dinge zu sagen wie dass sie Autotune oder Trap oder Singen oder Designer-Klamotten in die Szene gebracht haben", schrieb der Hamburger im November auf Twitter, "Bro, wir haben wirklich alle Zugang zum Internet. Ihr habt nichts hierher gebracht."
3 Kommentare
das war auf Thronfolger alles noch so spannend irgendwie
Paar geile banger dabei, aber lange im ohr bleiben wird das imo nicht. Es klingt irgendwie so unausgereift, es fehlt der schliff.
Pain, ozean und bounce machen spass.
Wisst ihr noch, damals? Als Kalim "6 Kronen" und "Odyssee 579" releast hat? Das war noch geil.
Jetzt isses alles so austauschbar...