2. Mai 2014
"Hass ist der Grundtenor eines guten Rappers"
Interview geführt von Friedrich WassermannGespräche mit Karate Andi bedeuten eine Gratwanderung zwischen ernsthaftem Inhalt und Nonsense-Gerede, gestalten sich aber immer unterhaltsam. Also Bier auf und schauen, was passiert, wenn der Newcomer über sein Debütalbum, Politik und Kunst plaudert.
Neukölln. In einer Wohnung, irgendwo am Ring.
Moin!
Servus!
Vor Kurzem fand die Releaseparty zu deinem gerade erschienenen Album "Pilsator Platin" statt. Wie war das Fest?
Am Tag davor habe ich gechillt. Am Releasetag war es zuerst stressig, weil sich der Soundcheck nach hinten verschoben hat. Aber das Konzert war dann super. Die Leute hatten Spaß und wir hatten eine gute Party. Alles stand im Zeichen des Saufens.
Wie liefen die Vorbereitungen? Nervös?
Ja, ich war nervös. Ich glaube, dass es normal ist, vor Auftritten nervös zu sein. Irgendjemand hat mir auch mal gesagt, dass der Auftritt nicht gut wird, wenn man nicht nervös sei. Ich weiß nicht mehr wer, aber das war bestimmt ein schlauer Mann. Karl Marx oder so.
Wie lange hast du an der Platte gearbeitet?
Kann ich gar nicht genau sagen. Ich bemesse Alben nicht in Zeit. Es war eher ein fließender Prozess. Ich mache durchgängig Tracks, und wenn ein Projekt ansteht, nehme ich mir einfach ein Stück davon.
Um mal einen rauszupicken: Wie ist der Track "Kindergeld" - besonders die Hook - entstanden?
Das war vielleicht so: Die Leute mit Vinyls waren bei uns früher die Bonzen. Meine Leute und ich hatten nie Geld für Plattenspieler, deswegen hatten wir dann auch nie einen DJ, und keiner konnte auflegen. Dadurch kam es, dass wir immer nur auf Instrumentals aus der Box gerappt haben und Scratchen nie einen hohen Stellenwert bei uns hatte. Ich respektiere DJing, das soll gar nicht abwertend klingen, aber wir haben uns dann immer einen Spaß draus gemacht und das imitiert. Mit den Bonzen, solchen Ärztesöhnen, hatten wir in unserer Kleinstadt-Hip Hop-Community eher weniger zu tun. Wir haben eher so Anarchorap gemacht.
Man hört ja durchaus, dass du es lustig findest, Scratches zu imitieren.
Ja. Nein, das ist ernst gemeint.
Wie viel Ironie steckt in deiner Musik?
Ironie verstehe ich nicht. Aber dazu habe ich eine lustige Geschichte: Ich habe einen Kumpel, der manchmal ein bisschen begriffsstutzig ist. Er hatte SMS-Kontakt mit einer Freundin, die aber krank war. Und dann hat er sie gefragt, ob es ihr besser gehe, und sie "Jaja, mir geht es schon besser", und er "Hä? Wirklich?", und sie "Nee, Ironie". Und er dann so "Ja, kenn ich. Hatte ich auch mal". True Story, Alter! Ich schwöre es! Er dachte Ironie sei eine Krankheit!
Gab es ein konkretes Konzept für das Album oder wonach hast du deine Tracks ausgewählt?
Ich habe den Blueprint des Albums in einer verrückten Nacht mit John Borno aufgenommen. Das Album hätte eigentlich auch "Pennerrap 0.5" heißen können. Das Konzept war es, die Asi-Fahne hoch zu halten, aber ansonsten gab es keins. Einfach Rap, Rap des Raps wegen, für Rapfans. Wir wollten eine Freude machen, deswegen machen wir Musik. Wir wollten uns selber eine Freude machen, wir wollten Frauen eine Freude machen. Eine Menge Freude. Allen Frauen.
In einem der Tracks setzt du dich mit der BVG auseinander, in einem anderen findet man ein Sample von Rio Reiser. Bist du eigentlich politisch?
Nein, ich glaube nicht. Vielleicht ganz unterschwellig, aber ich habe davon noch zu wenig Ahnung, um mir anmaßen zu können, dass ich politisch bin. Vielleicht habe ich irgendwann Lust, mich damit auseinander zu setzen und klare politische Positionen einzunehmen. Ich bin eher ein außen stehender Betrachter, aber auch nicht einer, der meckert. Eigentlich ist mir das scheißegal. Saufen! ... Kennst du die APPD? Das ist eine Partei, die ich wählen würde. Die wollen, dass überall in Deutschland Bierhydranten aufgestellt werden. Bei denen steht das Saufen vor dem Feiern. Man muss eben Prioritäten setzen, und bei mir steht das Saufen auf jeden Fall vor Politik. Aber man muss dazu natürlich sagen, dass Politik wichtig ist und sich jeder damit auseinandersetzen sollte. Aber ich momentan nicht.
"Es geht darum, krasser zu sein"
Also, wenn sozialkritische Texte, dann unterschwellig?
Ich finde, Battlerap ist immer sozialkritisch, weil die Lines immer relativ nah auf das Leben bezogen sind. Egal, ob du sagst, dass du jemanden tötest oder vergewaltigst. Das sind ja immer totale Missstände in der Gesellschaft, die man aufgreift. Das sind Sachen, die man niemals machen würde. Man sagt es nur, weil es schlimm ist und man damit was bewirken möchte. Vielleicht denkt dann der ein oder andere darüber nach, anstatt das einfach zu adaptieren und sich davon blöd beeinflussen zu lassen. Es ist aber auch jedem selbst überlassen, ob man intelligent an solche Musik rangeht oder einfach nur zum Bongrauchen konsumiert – was auch cool ist.
Mortis wurde in einem Interview nach dem besten Freestyler gefragt. Daraufhin hat er deinen Namen genannt und gesagt, dass du mal jemanden zum Weinen gebracht hättest.
Ja, das wollte ich nicht. Aber es ist passiert. Ich hab' anscheinend Sachen gesagt, die in seinem Leben wirklich passiert sind, aber ohne den Typen zu kennen. Er hat 'nen Heißen gemacht und ich hab ihn halt richtig zermetert. Das war so krass, dass die Freestyles auch als Texte hätten ausgelegt werden können. Dadurch habe ich wohl die richtigen Knöpfe bei dem jungen Herren gedrückt, und er ist psychisch zusammengebrochen. Ich habe mich zwar entschuldigt, aber auch gesagt, dass er ohne starken Panzer nicht zum Battle gehen soll. Das ist die Kunst der harten Worte. Wenn du damit nicht umgehen kannst, weil du Probleme hast, dann geh' nicht hin. Es war jedenfalls nicht meine Intention, den Typen bloßzustellen oder irgendwelche blöden Geschichten zu erzählen. Ich würde auch nie irgendwelche Backgroundstorys erzählen. Dann lieber krasse Punchlines schreiben, als solche blöden Realtalkfakten rauszuhauen. Darum gehts ja nicht. Es geht darum, krasser zu sein.
In anderen Interviews erwähnst du immer wieder Dinge, die man nicht unbedingt automatisch mit Rap verbindet. Stichwort: Charles Bukowski. Inwiefern inspirieren dich solche Dingen? Was inspiriert dich noch so?
"Pilsator Platin" ist zum Beispiel auch entstanden, als ich von Jack Kerouac "On The Raod" gelesen habe. Einfach diesen Lifestyle, dieses Freisein, sich nicht um einen Job kümmern zu müssen und mal schauen, wo die Kohle herkommt und dann in irgendeiner Form Kunst machen. Das zieht sich teilweise durch die Bücher von Bukowski, aber auch durch die von Henry Miller. Es ist einfach dieser Lifestyle, den "Pilsator Platin" beschreiben soll, auch wenn es viele Battletracks sind. Im Grunde genommen dieses Ding, in einem Hotelzimmer mit Bräuten und einer Polaroidkamera aufzuwachen, auf irgendwelchen Drogen, die nur drei Leute in der Stadt kennen. Das ist eigentlich auch mein Rapstil, und da wird es auch im nächsten Album mehr hingehen. In diese Chelseahotel-Jazzkneipen, in die Zeit, in der Hipster noch Jazzmusiker in Hawaiihemden waren, die auf Pep drei Tage durchgejammt haben. Nicht solche zugezogenen Ärztesöhne, die viel reden, aber nichts können.
Bist du Ärztesohn?
Nein. Leider nicht! Das klingt aber auch immer so. Ich hab einen guten Freund, der Ärztesohn ist! Peace!
Gibst du dir noch viel anderen Input?
Voll. Das habe ich auch in der Zeit gemacht, in der ich mich nicht so viel mit Rap beschäftigt habe. Es gibt viele Sachen, für die ich mich interessiere, aber ich will das gar nicht so sehr öffentlich machen. Kunst ist eine schöne Sache, aber es ist blöd, sie kaputt zu reden. Man sollte sie lieber machen. Bei Musik gehört es aber dazu, da muss man was preisgeben. Ich feiere das auch, wenn Musiker, die ich mag, etwas von sich preisgeben. Ich kann das verstehen, aber ansonsten muss man Kunst für sich selber sprechen lassen. Das probier' ich auch mit "Pilsator Platin". Ich will da gar nicht so viel sagen, auch wenn ich hier schon wieder sechs Stunden rede.
Was geht dir durch den Kopf, wenn du schreibst?
Wie gesagt: Man sollte die Kunst nicht kaputt reden, sondern genießen. Leute, die sich ein Tutorial angucken müssen, um Bilder in einer Galerie zu verstehen, sollten lieber in die Galerie gehen und sich die Bilder anschauen, anstatt sich Bücher über Kunst zu kaufen. Kunst musst du fühlen und meine Punchlines sind so entstanden, wie sie entstanden sind. Und das ist auch gut so.
Worauf legst du bei deiner Musik Wert?
Dass es gut klingt.
"Ich hol' mir eine McFit-Karte. Und ein Leberimplantat."
... eine gewisse Härte?
Weiß nicht. Rap ist hart. Rap aus Berlin war auch schon immer hart, aber ich lege keinen Wert auf Härte, das kommt einfach so. Hass ist der Grundtenor eines guten Rappers in der Blütephase seiner Schaffenszeit.
Und was ist dann Pennerrap?
"Pilsator Platin". Es gibt aber bestimmt schon andere Rapper, die sich an diesem Klischee bedient haben, wenn man da mal an Vapeilers oder Orgi denkt. Die haben viel in diese Richtung gemacht. Hört euch einfach diese Sachen an, dann wisst ihr, was Pennerrap ist. Wobei ich gar nicht weiß, ob die Leute selbst sagen, dass es Pennerrap ist. "Adelskrone" ist nach wie vor einer der größten Songs, die jemals geschrieben worden sind. Sechs oder sieben Minuten purer Genuss, ultralang!
Was ist eigentlich Authentizität für dich?
"Pilsator Platin". Hört euch das Album an, dann wisst ihr, was Authentizität ist. Wenn ihr das Wort nicht aussprechen könnt, dann sagt einfach Authenz. Mache ich auch immer.
Manche ordnen dich irgendwo zwischen KIZ und Retrogott ein. Freut dich das? Was würdest du selbst sagen?
Oha. Das sind ja erstmal krasse Künstler. Gerade KIZ ist eine sehr krasse Gruppe. Die Musikpresse braucht immer Schubladen, um jemanden irgendwie einzuordnen und um überhaupt über die schreiben zu können. Die Leute sollen sich was darunter vorstellen. Wenn mich dann jemand vergleicht, kann er das gerne machen. So ist es auch eine Ehre. Ich werde ja nicht mit Frei.Wild oder Adolf Hitler verglichen. So lange ich noch mit coolen Leuten verglichen werde, ist alles super.
Du gehst demnächst mit den Jungs von Trailerpark auf Tour. Wie kam es dazu?
Ich habe Basti auf einer Party kennengelernt und wir kamen gut aufeinander klar. Dann haben sie gesucht und haben mich gefragt, ob ich Bock drauf habe. Ich konnte das zuerst gar nicht glauben und bereite mich nun innerlich darauf vor. Die bespielen ja mittlerweile große Hallen. Da will ich natürlich auch glänzen und fit sein. Ich gehe Freitag zu McFit, mit Mortis und Gustav! Zehn Uhr! Am Abend gibt es aber noch eine Party und ich werde bestimmt nicht mehr laufen können. Ich hol' mir eine McFit-Karte ... und ein Leberimplantat.
Ein weiteres Projekt dieses Jahr: Du wirst im Sommer auf dem Splash! auftreten. Hast du dafür schon etwas Besonderes geplant?
Das ist noch alles top secret. Wir haben Elefanten. T-Shirts.
Vielen Dank und Prost.
Prost.
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