2. Juli 2020
"Ein Prost auf Florian"
Interview geführt von Florian DükerEin Interview mit Khruangbin ist ein Gespräch mit bescheidenen Musiknerds, auch wenn sie sich selbst nicht so bezeichnen würden.
Normalerweise lassen Khruangbin nur ihre Instrumente für sich sprechen. Seit 2010 bringt das Trio aus Houston Musik heraus, die fast vollständig ohne Vocals auskommt. Auf "Mordechai", dem dritten Album der texanischen Band, ist jedoch erstmals auf fast jedem Stück auch Gesang zu hören. Grund genug, die Stimmen nicht nur durch die Lautsprecher, sondern auch im Interview ertönen zu lassen - Corona-bedingt an drei verschiedenen Orten. Nicht am Gespräch teilnehmen kann leider Laura Lee Ochoa (E-Bass), die sich zum Zeitpunkt des Interviews in Miami aufhält. Dafür stehen aber Mark Speer (Gitarre) aus Oakland, Kalifornien, und Donald "DJ" Johnson (Drums und Keyboard) Rede und Antwort zu Fragen nach ihrem Traum-Feature, der Magie einer ganz besonderen Scheune, ihrer Vorliebe für deutsche Musik und natürlich nach dem neuen Album "Mordechai".
Wie geht's euch beiden? Wo hält euch der Lockdown gerade fest?
Mark: Ich bin momentan in Oakland, Kalifornien, in einem Appartement. Das hatte ich mir besorgt, bevor das alles passiert ist. Ich versuche, so gesund zu essen, wie es geht und Sport und Yoga zu machen. Ich hab' angefangen zu malen und zu lesen. Ich will mich nicht dazu zwingen, unbedingt kreativ zu sein.
Vor Kurzem hörte man ein nahezu unverändertes Stück von euch ("A Hymn") auf Jay Electronicas und Jay-Z's wunderschönem Outro von "A Written Testimony". Habt ihr den Song gehört und was ist eure Meinung dazu?
DJ: Wir haben ihn ungefähr zwei Wochen, bevor er rauskam, zum ersten Mal gehört. Wir finden, dass es ein wunderschöner Song und ein wunderschönes Tribut ist. Wir sind froh, Teil von Jay Electronicas Debütalbums zu sein. Das ist was Besonderes.
Ich hab gehört, sie haben den Song in der Nacht aufgenommen, als Kobe Bryant gestorben ist.
DJ: Stimmt, haben sie. Wir waren zusammen im Studio, als wir von der Nachricht gehört haben.
Mit Jay-Z und Jay Electronica?
DJ: Nein, nein, wir als Band waren zusammen im Studio und haben das Album fertig gemacht. Wir waren in der Mixphase. Es musste am 31. fertig sein und an diesem Sonntag, am 26. Januar, waren wir im Studio. Ein wirklich trauriger Tag, die Nachricht war ein Dämpfer bei unserer Session, um es milde auszudrücken.
Kann ich mir vorstellen. Der Song zeigt ja, dass euer Sound auch zu ganz anderen Künstlern passen würde. Wie steht ihr zu Kollaborationen?
DJ: Wir sind definitiv offen dafür, solange es Sinn macht. Unsere Kollabos in der Vergangenheit waren immer "organisch", sozusagen. Sie haben relativ gut gepasst für beide Seiten. Aber wir sind offen dafür.
Gibt es irgendwen, mit dem ihr besonders gerne arbeiten würdet?
DJ: Sade. Sie ist die Nummer eins für uns drei. Die eine Künstlerin, mit der wir liebend gerne arbeiten würden, auch wenn es nur für einen Song ist.
Mark: Yeah.
"Can liebt doch jeder!"
Wie würdet ihr selbst euren Sound definieren für Leute, die euch noch nicht kennen?
Mark: Wir nennen es Earth Music, weil wir Einflüsse aus allen Orten ziehen, an denen wir sind, und aus allem, was wir hören.
Ihr beiden habt bekanntlich einen gewissen Gospel-Hintergrund. Inwiefern hat euch das beeinflusst?
DJ: Es hat uns definitiv beeinflusst. Der Song, von dem du eben gesprochen hast, basiert zum Beispiel auf einem Pattern, das Mark bei einem Gottesdienst gespielt, es dann auf unser Album "Con Todo El Mundo" und später auf Jay Electronicas Album geschafft hat. Die Bridge auf "If There Is No Question" vom neuen Album ist durch ein ähnliches Szenario entstanden. Es ist also ein großer Teil unserer Reise.
Mark: Ich bin durch einen Freund dazu gekommen, in der Kirche zu spielen, nachdem er mich Gitarre spielen hörte. Ich hab aber schon lange Musik gemacht, bevor ich in der Kirche spielte. Unsere Einflüsse kommen aus der ganzen Welt, aber insbesondere aus Houston. Leute, mit denen ich aufgewachsen bin, gelebt und Musik gemacht hab. Dadurch hab' ich angefangen, Musik zu hören, die nicht im Radio läuft.
Stimmt es, dass ihr persönlich lieber Musik hört, die nicht englischsprachig ist?
Mark: Ich hab damit angefangen, als ich in der Schule war. Ich kann noch immer keine Bücher lesen, wenn ich dabei Musik auf Englisch höre. Das ist sehr ablenkend, weil ich Songtexte mag und Songwritern gerne zuhöre. Wenn ich Musik mit Texten höre, die nicht Englisch sind, denkt mein Gehirn, es handele sich um Instrumental Music.
Hörst du auch Musik auf Deutsch?
Mark: Yeah! Zuletzt hab ich Klaus Johann Grobe gehört. Ich weiß, sie kommen aus der Schweiz, aber sie singen auf Deutsch. Ich liebe deren Zeug. Can liebt doch jeder. Ich mag außerdem Neu!, Cluster find ich super. Kraftwerk, dude! Pour one out for Florian... aber ich mag einfach Musik, die sich gut anhört. Es ist egal, woher sie kommt und auf welcher Sprache.
"Warum sollte sich irgendwer eine Band anhören wollen, deren Namen er nicht mal aussprechen kann?"
Der Großteil eurer Musik wurde in einer Scheune in einem 300-Seelen-Ort bei Texas aufgenommen. Was ist so besonders an dieser Scheune?
DJ: Für mich ist es unsere kreative Heimat. Als Mark und Laura zum ersten Mal Song-Ideen konzeptualisiert haben, sind sie in diese Scheune gegangen, um dort zu spielen. Diese Magie, die sie dort eingefangen haben, die ist immer noch da. Wenn ich dort bin, fühlt es sich an, als würde etwas Besonderes passieren. Es ist sehr friedlich und ruhig.
Habt ihr da überhaupt Internet?
DJ: Nur sehr schwachen Empfang. Kaum Geräusche von der pulsierenden Stadt. Es erlaubt einem, sich zurückzuziehen und sich besser zu konzentrieren als im Studio.
Euer neues Album "Mordechai" wurde dort auch aufgenommen?
Mark: Ja. Die Bassdrum und Gitarre wurden in der Scheune aufgenommen und die overdubs haben wir in einem Studio in Houston gemacht.
Was bedeutet eigentlich der Titel "Mordechai"?
Mark: Das kann DJ besser erklären als ich.
DJ: (lacht) "Mordechai" ist benannt nach einem Freund von Laura, der sie auf einen Trip mit seiner Familie nahm. Bei der Reise ging es im Prinzip darum, am Ende von einem Wasserfall herunterzuspringen. Als sie sprang, schrie der Freund dabei "Laura Lee Ochoa", den Namen, den Laura kürzlich von ihrer Großmutter übernahm. Dieser Moment war für sie sozusagen eine Wiedergeburt. Eine schöne Geschichte, find ich. Eine Geschichte über einen Menschen, der einem anderen Menschen die Hand reicht und ihn aufhebt und dafür nichts im Gegenzug verlangt.
In Interviews und bei Auftritten tragen Mark und Laura immer Perücken. Warum?
Mark: Laura und ich haben damit angefangen, weil wir etwas brandneues starten wollten. Ehrlich gesagt hatten wir damals vor, nur ein einziges Konzert zu spielen und das war's. Warum sollte sich irgendwer eine Band anhören wollen, deren Namen er nicht mal aussprechen kann? Wir haben mit sowas nie gerechnet. Aber als wir dann mehr Gigs gespielt haben, konnten wir sie nicht abnehmen, denn die Leute kamen ja, um Khruangbin zu hören. Nicht um zu sehen, wie ich aussehe. Ich werde außerdem ohne die Perücke nicht erkannt und kann ein "normales" Leben führen, einkaufen gehen, über die Straße laufen oder ein Konzert anhören und keiner kann ich mich erkennen. Mir gefällt das. Ich will kein Rockstar sein, das war nie meine Intention. Die Person auf der Bühne kann all das haben und wenn ich von der Bühne runtergehe, kann ich ich selbst sein. Diesen Aspekt der Band werden wir nicht verändern.
Eine Randbemerkung: Die Perücken waren nie dazu gedacht, uns asiatisch aussehen zu lassen. Manche Leute haben uns dessen beschuldigt. Ich wollte einfach nur cool sein. Meine ursprüngliche Inspiration war eine türkische Rockband. Das war mein Vibe. Und Laura wollte einfach eine Perücke rocken, die kurz und sportlich aussieht.
Ihr habt in den USA mittlerweile eine große Anhängerschaft. Was glaubt ihr, was eigentlich eure Fans machen, während sie eure Musik hören?
DJ: Uns wurde gesagt, dass sie dabei lernen, kochen, das Haus putzen, Zug fahren, Babys machen...
Mark: Am Strand chillen, Bergsteigen, ein Buch schreiben (lacht).
Ich habe von einem Fan gehört, der ein paar Shrooms nehmen und dann ein Konzert von euch auf YouTube anschauen wollte.
Mark: (Lacht) das klingt großartig, würd' ich auch machen.
Wenn ihr an eurer Musik arbeitet, habt ihr da eure Fans überhaupt im Kopf oder macht ihr einfach was, worauf ihr Lust habt?
DJ: Wir sind auf jeden Fall dankbar für all unsere Hörer und Unterstützer. Aber ich denke, sie haben sich in Khruangbin verliebt, in uns. Schon seit dem Anfang waren wir einfach wir selbst. Auf diese Weise denken wir also bei der Arbeit an sie, weil wir immer versuchen, uns selbst treu zu bleiben. Solange wir das machen, haben wir die Hörer immer im Kopf, weil sie auf den Geschmack von Khruangbin, auf den Sound von Khruangbin und auf den Geschmack unserer Alben gekommen sind. Solange wir Musik machen, die nach Khruangbin klingt, sollten es die meisten gut finden. Das hoffen wir zumindest.
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