laut.de-Kritik
Hakan flowt in hals- und zungenbrecherischer Geschwindigkeit.
Review von Dani FrommZwei Jahre hätte ich seit "Semt Semt Sokak" Zeit gehabt, um mir zumindest rudimentäre Kenntnisse des Türkischen anzueignen. Wie zu erwarten war, habe ich in der Zwischenzeit alles mögliche getan. Türkisch verstehe ich immer noch nicht. Sehr schade, denn der Genuss - und ich möchte dieses Wort hier bewusst unironisch verstanden wissen - von Killa Hakans jüngstem Werk wirft mehr als einmal die Frage auf: Wovon zum Teufel redet dieser Kerl eigentlich?
Wobei reden den Kern der Sache ohnehin nicht trifft. Hakan flowt in hals- und zungenbrecherischer Geschwindigkeit in einem Idiom, dessen ungewohnt exotischer Klang bereits beim Versuch zu folgen, Knoten im Hörnerv hinterlässt. Seine vergleichsweise helle Stimme steht dabei in Kontrast zu der dunklen Tonlage, in der Ayaz Kaplı immer wieder samtweiche Gesangseinlagen beisteuert. Die Grenze zum Kitsch, an der zu viele gesungene Hooklines schmerzhaft hart entlang schrammen, kommt bei diesem Sänger nicht einmal entfernt in Sichtweite. Auch hier wüsste ich zu gern: Ließe Kenntnis des Inhalts den morgenländischen Zauber verwehen?
Während ich in Hakans rasenden Reimen lediglich die eine oder andere Erwähnung Kreuzbergs oder Istanbuls, markante Punkte auf dem Berliner Stadtplan (offenschtlich bewegen wir uns rund ums Kottbusser Tor) und einige wenige englische Battlerap-Phrasen ausmache, glaubt Kollege Möller, von "Asphalt-Pingpong" zu hören. Manchen wir uns nichts vor: Eine inhaltliche Analyse der Texte wird uns so ebenso wenig möglich sein wie tiefschürfende Untersuchungen von Hakans Cleverness, Witz oder auch nur seiner Reimtechnik. Was bleibt?
Nun, mit Sicherheit die internationale Sprache der Musik. Für die Mehrzahl der Beats zeichnet DJ Ses verantwortlich und legt dabei exzellentes Gespür für Stimmungen an den Tag. Die orientalische Note seiner Instrumentals bleibt allgegenwärtig. Ses verziert schlichte, klare Strukturen mit hübschen Details. Mal schwirrt eine Flöte durchs akustische Bild, mal ergeht er sich in melodischen Spielereien, fährt Gitarren, Percussion und blubbernde Sounds auf oder er erzeugt (wie zu Beginn von "Habibi") ein Dschungel-Gefühl. Pompöse oder gar überladene Szenerien sind allerdings nicht das Problem. Im Gegenteil: Zuweilen fehlt mir, so beispielsweise in "Gelirim Nazara" oder "Rap Game", ein wenig Wucht und Üppigkeit.
Auch "Uzak Misin Yakinda Mi" krankt keineswegs am Aufbau: Der überaus elektrisierende Beat gerät lediglich ein wenig mager. Doch wen stört das schon, veredeln ihn doch die wahrhaft "perfekten Flows von Tone und Hakan". An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön nach Frankfurt: Wann immer ich drohe, den Glauben daran zu verlieren, dass Battlerap keineswegs stets ekelerregend, sehr wohl aber gleichzeitig vernichtend, intelligent und unfassbar witzig ausfallen kann, ist Tone zur Stelle.
Ohnehin liest sich die Gästeliste wie die biblischen Chroniken: Unfassbar, wer hier alles verstrickt ist. Neben mir bisher unbekannten türkischen Streitern wie Gekko oder Ceza, dessen Maschinengewehr-Salven gleiches Stakkato ich hoffentlich nicht zum letzten Mal vernommen habe, stolpere ich in "Ezelden Beri" glatt über einen alten Bekannten: Seit Ewigkeiten bin ich seinem rrrollenden Rrr nicht mehr begegnet: Was hat eigentlich Crak die ganzen Jahre über getrieben? Hier jedenfalls reichen sich in finsterer Brachialgewalt Islamic Force und No Remorze die Hände, als sei kein einziger Tag vergangen.
Weiter treffen wir "Im V. I. P. Bereich" unter anderem auf Harris, den ich eigentlich nie wirklich leiden konnte, der sich aber auch hier wieder als ein derart präsenter, dreckiger, elend cooler Hund erweist, dass mein Widerstand schmilzt wie Schnee in der Sonne. Olli Banjo rappt mit Hakan und einem Voice-Sample direkt aus dem Vorhof der Hölle um die Wette: "Kein Bullshit".
Jonesmann, Bintia, Summer Cem ... Wer ist hier eigentlich nicht am Start? Samy Deluxe, Manuellsen und Killa Hakan ziehen Parallelen von Hamburg über den Ruhrpott zu Kreuzberg (gerne auch im Elektro-Dance-Mix von DJ Düse), und wo Kool Savas mitmischt, kann eigentlich nur Eko Fresh fehlen.
Mööp, falsch! Der schaut gleich im nächsten Track um die Ecke und rückt sich mit (mir unverständlichen) türkischen Zeilen in ein wesentlich besseres Licht, als es ihm etwas später in "Kadiköy - Kreuzberg" mit seinem Reim "Mein Schwanz ist riesengroß / Du bist ein I-di-ot!" gelingt. Vielleicht ist Unwissenheit manchmal doch eine Gnade.
9 Kommentare, davon 3 auf Unterseiten
starkes Album. Ich versteh zwar kaum was, aber cooler Sound und das was ich verstehe passt größtenteils auch. Und wo Ceza, Tone, Banjo und Savas mitwirken kann soviel tatsächlich nicht mehr schief gehen. Finde türkisch ne starke Rapsprache, gefällt mir vom Klangbild fast besser als Französisch.
finde diese "orientalischen" ankläge in den Beats auch sehr genial. das wirft für mich die Frage auf, warum viele der arabisch/türkisch/kurdisch-stämmigen deutschen Rapper nicht viel mehr von ihrem kulturellen background in die Beats einfließen lassen und Eigenständigkeit beweisen, statt auf amigebite Beats oder sowas zu rappen.
gefällt soweit aufjeden Fall.
meine worte, meine worte.
@Wombaz (« das wirft für mich die Frage auf, warum viele der arabisch/türkisch/kurdisch-stämmigen deutschen Rapper nicht viel mehr von ihrem kulturellen background in die Beats einfließen lassen und Eigenständigkeit beweisen, statt auf amigebite Beats oder sowas zu rappen. »):
diese frage habe ich mir auch schon öfters gestellt...wahrscheinlich wollen sie es sich mit der hauptklientel nicht verscherzen bzw evtl is auch ihr "kultureller background" nicht mehr sonderlich ausgeprägt
weil es sich auch gerade in dland etc eben auch mit mit solchen beats besser verkauft bzw . auf den massengeschmack trifft?
sodi hat zwar in etwas die selbe formulierung,jedoch hätte ich auch keine einwände gegen ein album im naturgemäßem sinne,da macht jedoch die westliche prägung vieler hörere, bzw der massenmeinung einen strich durch die rechnung
frage beantwortet
auch wenn das jetzt etwas idell klingt, aber es macht doch nicht jeder nur Musik für die Kohle, da kann doch eh kaum einer von Leben (und ich verlange das ja nicht von Bushido) sondern auch für die Kunst.
Aber ich glaube auch Sodhahn hats wohl richtig. Allerdings betonen "die ihre Herkunft" ja auch gerne (siehe Saad) und da müsste dann doch etwas kultureller Background da sein. Naja wie auch immer, schade ist das.
Killa Hakan kauft man einfach jedes Wort ab. Die "Straßen-Attitüde", die angeblich von vielen Deutsch-Rappern gelebt wird, kann man bei Killa Hakan nicht nur in seinen Texten und Beats wiedererkennen, sondern auch tatsächlich in der Realität beobachten. Sei es bei Auftritten oder im Kiez vor Ort. Über die hohe Anzahl der Feature-Gäste lässt sich zwar streiten, doch man muss Killa Hakan hoch anrechnen, dass er stets "real" geblieben ist, ergo treu seinem Sound, der Kultur und somit sich selbst.