Porträt

laut.de-Biographie

La Nefera

Die Geschichte von La Nefera ist eine von halb-halb, eine Story von zwei Kulturen und der Suche nach einer Identität. Einer Suche, die recht erfolgreich ausgeht. Jennifer Perez kommt am 17. November 1988 in der Dominikanischen Republik zur Welt. Ohne ihren Vater siedelt sie im Alter von zehn mit ihrer Mutter und ihren Schwestern in die deutschsprachige Schweiz über und wächst in Laufen im Basler Umland auf.

La Nefera - C'est Ça! Aktuelles Album
La Nefera C'est Ça!
Rap-Shake mit dem Sousaphon.

"Ich erinnere mich noch daran, wie enorm fremd und weit weg sich selbst Basel anfühlte - mir fehlte komplett die Übersicht", erzählt sie rückblickend im Gespräch mit dem Blog Basellive. 1999, es ist die große Zeit von Lil Kim, Missy Elliott und Aaliyah, mit deren Musik wächst Jenny auf, R'n'B und Urban sind ihr Ding. Väterlicherseits hat sie kubanische Sängerinnen mit auf den Weg bekommen.

Als Trost dafür, dass sie ihren Papa vermisst und die Wurzeln ihrer Kindheit durchtrennt sind, argumentiert die Mama mit was-wäre-wenn, wie sich Jennifer entsinnt. "Die meisten Mädchen in meinem Umfeld wurden in sehr jungen Jahren Mutter. Meist wurden sie durch ungenügende Aufklärung und Prävention schon bei ihren ersten sexuellen Erfahrungen, mit 14 oder 15 Jahren schon schwanger. Meine Mutter hat das immer verwendet, um uns zu sagen: 'Hey, seht ihr was passiert wäre, wenn wir in der Dominikanischen Republik geblieben wären? Jetzt seid ihr hier, macht das Beste daraus!'" Auf der Website Institut Neue Schweiz erzählt die Rapperin, das dieses Argument sie durchaus beeindruckte: "Das war für mich ein Ansporn meine Chancen zu nutzen und hart für meine Ziele zu arbeiten."

Als Teenager kommt sie privat mit einem Rapper zusammen. Die beiden werden als Wortschatz Los Dados musikaktiv und nutzen eine einzigartige Gelegenheit, einem großen Publikum zu beweisen: Rap made in Switzerland zündet. Es ist 2009, die kubanische Truppe Orishas sucht einen Support-Act für eine Show in Zürich, und Wortschatz Los Dados machen sich dort einen Namen. Noch ist Musik allerdings für Jenny ein Hobby - etwas anderes kann sie sich auch nicht vorstellen und strebt einen abgesicherten Job an. Im selben Jahr startet sie ein Studium der Sozialen Arbeit in Luzern.

Ein anderer Migrant kommt 2010 zum Studieren nach Basel. Victor Hege, vier Jahre jünger, geboren in Paris geboren, aufgewachsen im südfranzösischen Nîmes, wo er als Kind das Euphonium erlernt und mit 13 als Straßenmusiker reüssiert. Weitere Instrumente werden die Tuba und das Sousaphon. Als Teenie hat er mit einem Orchester stets ein, zwei Auftritte pro Woche, Musik ist sein Ein und Alles, er muss auch etwas mit Musik studieren und schreibt sich in der Schweiz ein. Bachelor of Arts mit Schwerpunkt Tuba, Master in Musikpädagogik, noch einer in Jazz, Victor saugt akademische Professionalität auf und heimst mit seinem Fischermanns Orchestra bald den Jazzpreis Luzern ein. Nachdem er 2012 seine Gruppe Error 404 Band Not Found gründet, stößt das Blechblas-Ensemble 2016 auf Jennifer und erkennt schnell: Die Instrumentalisten haben ihre Rap-Stimme gefunden.

Fortan gilt das Konzept: "Sieben Hörner, zwei Schlagwerke, eine dominikanische Rapperin und eine geballte Ladung Balkan, Funk und Hip-Hop", wie es ein Werbetext für Auftritte von Error 404 verspricht.

Die Rapperin sieht das Musizieren aber weiterhin als Freizeit-Ding. Sie sagt dies und jenes zu, mischt beim Dancehaller Collie Herb als Feature-Gast auf seiner Platte "Bambus" mit, in "Be Aware And Share feat. Pyro, Crosby & La Nefera". Der südafrikanische Reggae-Künstler Crosby wiederum ist im Netzwerk der NGO Viva Con Agua aktiv.

Sie engagiert sich als ehrenamtliche Botschafterin des Hamburger Vereins, der schnell ein weltweites Projekt wird. Im Hauptjob empowert Perez Kinder in einer Kleinstadt nahe Basel und begeistert auch sie für die Hip Hop-affine Trinkwasser-Initiative. Immer, auch wenn sie mit Musik oder anderen Lebensbereichen zu tun hat, spürt sie: "Ich kann (...) nicht abschalten, dass ich Sozialarbeiterin bin", wie sie gegenüber dem Institut Neue Schweiz resümiert.

Trotz des beiläufigen Fokus auf die Musik kommen eine EP und ein selbst gepresstes Album mit Error 404 zustande, "Fisch Dich" (2017) und "Schmetterling" (2018). Der Kanton Basel Stadt Kultur und das Aargauer Kuratorium sponsern die CD mit Steuermitteln, die Musik klingt spleenig, ungewöhnlich, mindestens originell.

Es gebe sowieso schon zu viel Einheitsbrei und Gleichklang, erklärt Frontfrau Jennifer dem Blog Viralviral: "Durch die Streaming-Dienste haben Playlists einen unheimlich großen Einfluss auf die Form eines Songs gewonnen: (...) So bleibt wenig Raum für Kreativität. Wenn ich anderen zeigen könnte, dass man nicht den Einschränkungen des Marktes folgen muss, wäre das schon ziemlich viel. Streaming-Dienste können für Musiker*innen eine wichtige Einnahmequellen sein, aber sie führen oft auch dazu, dass vieles einheitlich klingt."

Auch auf ihrem La Nefera-Debüt "A Lo Hecho Pecho" folgt die bikulturelle Künstlerin ihrer Spürnase und mischt mitunter ziemlich harten Rap mit Elektronik und Bläsern. Beim Publikum kommt die Rezeptur an, und im Herbst 2018 sackt sie den Gewinn in der Publikumskategorie des Basler Pop-Preises ein.

Feministin durch und durch, initiiert das ehemalige Mitglied der Rap-Combo Vybezbilder aus einem einmaligen Konzertabend heraus eine Frauen-Band. Die Kontakte hatte die Basler Location Kaserne hergestellt. Warum Feminismus? "Viele Leute in der Hip Hop-Szene, darunter auch Frauen, finden die Debatte über Feminismus und Sexismus völlig unnötig", redet sich Jenny im Gespräch mit dem Institut Neue Schweiz in Rage. "Manche argumentieren, dass das Sprechen über diese Themen, die Unterschiede weiter untermauert. Das ist absurd. Ich bin davon überzeugt, dass sich nichts ändert, solange nicht darüber gesprochen wird.. (...) Für diese Arbeit kriege ich kein Lob, sondern werde meist als 'Scheiss Emanze' abgestempelt."

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An eine Show in Sankt Gallen erinnert sie sich so: "Nach meinem Set kamen zwei Männer zu mir und sagten: 'Hey sorry, es war ein mega geiles Konzert aber bei dem Feminismus-Scheiß sind wir schweren Herzens weg gegangen.' - Ich stelle fest, dass es viele Menschen gibt, welche die weibliche Emanzipationsbewegung als Angriff verstehen."

Mit ihren drei Mitstreiterinnen Rasha Nahas, Jasmin Albash und Maysa Daw agiert sie unter dem Namen Kallemi als palästinensisch-dominikanisch-schweizerische Gruppe. Die vier treten in Ramallah auf.

Auch Kumpel Victor kommt gut rum. Mit seinem Bands Traktorkestar, Belinda Bones, Victor Hege Jazz Quintet, zusammen mit der Saxophonistin Nicole Johänntgen und schließlich mit dem Kugawana Project erschließen sich zahlreiche Auftritts-Möglichkeiten. Russland, Uganda oder auch mal Kolumbien stehen auf seiner Reise-Route.

Kolumbien ist auch das Ziel für eine ausgedehnte Tour der Band La Nefera nach dem Lockdown. Der macht Jennifer einen ordentlichen Strich durch die Rechnung, als sie gerade beschließt, Musik zu ihrer Priorität Nummer Eins zu machen. Sie kündigt als Sozialpädagogin, steht dann 2020 aber aufgrund der Pandemie doch fast ohne Konzerte da. So muss sie doch wieder zurück in den ein oder anderen befristeten Job jenseits des Rap, Jobs, die nicht an ihre gut bezahlte Zeit als Projektkoordinatorin des Careleaver-Netzwerks Basel heran reichen.

Dabei denkt sie viel über sich nach, der rote Faden ihres nächsten Albums ergibt sich wie von selbst: "Loslösung - von Ängsten, von gesellschaftlichen Erwartungen und Werten. Es geht darum, an sich zu glauben und sein Leben in die Hände zu nehmen", formuliert es die mittlerweile Mitt-Dreißigerin gegenüber dem Blog Basellive. Schon mit 26 hatte sie sich anhören müssen, zu alt für eine Newcomerin auf dem Musikmarkt zu sein. Das ficht die kreative Video-Produzentin und Promoterin ihrer eigenen Musik nicht an.

Es ist Zeit für ihre Selbstfindung und dafür, sie mit anderen Menschen zu teilen. Ihren Vater im Kopf, textet sie konsequent auf Spanisch. Während einer Reise mit den Bandkollegen nach Costa Rica und einer Kolumbien-Tournee nimmt nicht nur das Album "C'est Ça!", auch Stücke für den Nachfolger nehmen Gestalt an. In der Schweiz mit den Sprachen Schwyzerdütsch, Italienisch und Französisch nimmt La Nefera schon mit dem Bandnamen in Kauf, Exotin zu sein und nicht verstanden zu werden.

Verstehen soll sie aber ihr Vater, wie sie bei Basellive beschreibt. "Die Entfremdung zu meinem Vater bewegt mich sehr. Ich war früher ein mega Papi-Kind. Das ist nur ein Thema, das mich beschäftigt, und das ich auf Papier bringen muss - meine Strategie, um Sachen zu verarbeiten. Es ist und war mir wichtig, meine neue Schweizer Realität auch ihm mitzuteilen."

Mit dem Geld des Basler Poppreises im Rücken, traut sich die Rapperin, abermals der Sozialen Arbeit den Rücken zu kehren. Jetzt muss es sein, 'all in' gehen, alles auf die Musik-Karte setzen! Für "C'est Ça!" gehören Gitarrist Ernesto Herrera mit argentinischem Background und Florian Haas am Schlagzeug zur La Nefera-Kern-Crew. Der Bandname steht ähnlich wie beiSade für Stimme und Gruppe.

Für 2024 gibt es einen guten Vorsatz - mehr Wertschätzung für die Welt um uns herum, wie sie bei Basellive erläutert: "Wir investieren so viel Zeit in die Arbeit, sind dauernd abgelenkt, ohne zu checken, wer neben uns wohnt und lebt und was das Leben uns Tag für Tag schenkt."

Und auch ein konkretes handfestes Ziel gibt's für 2024, die nächste CD "Aprendi A Vivir". Einige Songs davon erprobt Jennifer mit ihren Jungs im Sommer auf Festival-Tour. Die Stücke schlagen einen elektronischen Kurs ein und kommen live sehr gut an. Das Album ist für Oktober angesetzt.

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Alben

Surftipps

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  • Offiziell.

    Website der Schweizer Gruppe und Rapperin.

    https://www.lanefera.ch
  • La Nefera im All-Female-Projekt Kallemi

    Instagram-Profil.

    https://www.instagram.com/kallemimusic
  • Offiziell.

    Webseite des Sousaphonisten und Band-Fotografen Victor Hege.

    https://www.victorhege.com
  • Noch 'ne Band.

    Website von Error 404 Band Not Found, der ersten Gruppe von Jenny 'La Nefera' und Victor.

    https://www.e404.ch

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