laut.de-Kritik

Eine zugedröhnte Alice als Bond-Girl.

Review von

Über fast sieben Minuten erstreckt sich der erste Track von "Ultraviolence", Lana Del Reys zweiter Major-Label-Platte. Sie singt von Jugend, Spaß und Party – in Tempo und Tonfall eines Trauermarsches, begleitet von einer psychedelisch schwebenden Gitarre und depressiven Beats. Ein Statement im schnelllebigen Popbusiness.

Wer ernsthaft dachte, Lana Del Rey würde nach "Born To Die" etwas Neues ausprobieren, ihren Stil erweitern oder mehr in Richtung Mainstream rücken, hat sich gewaltig getäuscht. Statt unbekanntes Terrain zu betreten, engt die Sängerin ihren Sound noch stärker ein.

Sie konzentriert sich einzig und allein auf die melancholische Verträumtheit, die schon "Video Games" oder "Million Dollar Man" prägte. Nur um ein Vielfaches reduzierter. Ansatzweise fröhliche Ausbrüche, wie es sie auf dem Vorgänger noch vereinzelt gab ("Radio", "Off To The Races"), verschwinden völlig. Hört man sich "Ultraviolence" und "Born To Die" im direkten Vergleich an, merkt man erst, wie (instrumental) vollgepackt letzteres eigentlich war.

Gemein haben die beiden Alben vor allem, dass sie nach dem ersten Durchlauf einen ziemlich langweiligen Eindruck hinterlassen. Die schleppende Geschwindigkeit zerrt an den Nerven, Lanas gezogene, halb geflüsterte Nuscheleien wirken monoton und kein bisschen aufregend. Schafft es die CD trotzdem noch einmal in den Player, stellt sich beim aufmerksamen Zuhörer ein Aha-Erlebnis ein. Zwar sicher nicht bei jedem – wer sich partout nicht mit Lana Del Rey anfreunden kann, sollte von "Ultraviolence" lieber die Finger lassen – aber hoffentlich bei manchem.

Einen Hit im klassischen Sinne serviert Del Rey keinen einzigen. Dafür außergewöhnliche Hooklines ohne Ende. Vor Tempowechseln scheut sie nicht zurück ("West Coast"), genauso wenig meidet sie unmelodiöse oder atonale Passagen. Die geplante, leider aufgrund dessen Todes vereitelte, Zusammenarbeit mit Lou Reed hätte musikalisch wohl hervorragend funktioniert.

Die Lyrics präsentieren sich wie schon auf "Born To Die" teilweise nachdenklich, subtil provokant, immer überlegt und interpretationsoffen, nie kitschig. Es sei denn, sie setzen den Kitsch sorgfältig dazu ein, ihn ins Lächerliche zu ziehen. Ihre Texte spiegeln – genau wie auch die Musik insgesamt – gewissermaßen das von der Künstlerin erschaffene Image wider: Intim und gleichsam undurchsichtig wie unantastbar steht irgendwo zwischen Rockerbraut und High Society-Diva Lana Del Rey. Sie verkörpert auf verstörende Art und Weise Alice im Wunderland, die – vollgepumpt mit Drogen – das Bond-Girl mimt.

Effektbeladene, schräge Gitarrensoli erwachsen aus schwummrigen Sphären ("Shades Of Cool", "Pretty When You Cry"), "The Other Woman" klingt stärker als jemals zuvor nach Nancy Sinatra, scheinbar zufällige spanische Wortschnipsel reichern die Melodien an, beschwören verlorene, unbekannte Geheimnisse und entreißen "Ultraviolence" endgültig dem Popuniversum. Obwohl sich die Stücke beherzt aus dessen Fundus bedienen.

Die Klavierballade "Old Money" fügt dem Repertoire der Musikerin eine weitere Facette hinzu. Sie reduziert die Untermalung auf ein Minimum, ihre Stimme balanciert zwischen leisen Akkorden und singt von vergangener Schönheit, Jugend und Wohlhabenheit. Sehnsucht, Romantik und tiefe Traurigkeit machen das Lied zu einem der vielen Höhepunkte des Albums.

Lana Del Rey zieht sich auf "Ultraviolence" in ihre Nische zurück, verweigert Abwechslung und Vielseitigkeit. So erreicht sie einen Grad der Authentitzität, der ihr mit gezielter Weiterentwicklung wohl nicht vergönnt gewesen wäre. Der dritte Longplayer der New Yorkerin ist die geradlinige Fortsetzung seines Vorgängers, steht aber ebenso komplett abgekapselt für sich allein und grenzt sich trotz Anspielungsreigen und Vintage-Sound deutlich vom Vorbild der 50s/60s-Loungemusik ab.

"Life is awesome, I confess", haucht Lana in "Fucked My Way Up To The Top". Stimmt – vor allem mit einem solchen Album in der Playlist. Auch wenn dieses mehr nach vertonter Todessehnsucht klingt.

Trackliste

  1. 1. Cruel World
  2. 2. Ultraviolence
  3. 3. Shades Of Cool
  4. 4. Brooklyn Baby
  5. 5. West Coast
  6. 6. Sad Girl
  7. 7. Pretty When You Cry
  8. 8. Money Power Glory
  9. 9. Fucked My Way Up To The Top
  10. 10. Old Money
  11. 11. The Other Woman

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24 Kommentare mit 49 Antworten

  • Vor 9 Jahren

    Bin froh das sie sich Dan Auerbach ins Boot geholt hat, find allein vom Sound her ein doch ne sehr brachiale aber extrem geile Veränderung im Vergleich zu 'Born To Die'.
    Potentielle Hits gibt's tatsächlich keine, wenns um Airplay geht müssen dann halt komische Radio Edits her wie bei 'West Coast'. :lol:
    'Old Money' wohl ihr bester Song überhaupt bisher meiner Meinung nach. 'Ultraviolence', 'Brooklyn Baby' und 'Black Beauty' meine andern Favoriten, hoffe sie behält den Kurs bei den Sie mit der Platte angesteuert hat.

  • Vor 9 Jahren

    War klar dass diese Schlaftablette von euch wieder hochgelobt wird...

  • Vor 9 Jahren

    Schade, dass der beste Song - "Flipside" - nur ein Bonustrack in Frankreich und Japan ist; das wäre ein absoluter Hammer-Schlusstrack gewesen! (Mazzy Star und The XX lassen grüßen) Ansonsten finde ich schon, dass sich der Sound ERHEBLICH von den Vorgängern unterscheidet und Lana vermutlich so manch jugendlichen Popfan mit dem neuen Album verschrecken wird. Zunächst war ich auch nur mäßig begeistert, aber inzwischen finde ich UV doch ziemlich klasse, vor allem zu später Stunde. :-) Man muss sich halt auf den latent düsteren Sound einlassen...

  • Vor 9 Jahren

    Da es bislang nur Lana gibt, habe ich nichts dagegen, dass sie sich wiederholt. Ist sie auf jeden Fall auf der sicheren Seite. Und solang ihr Sound noch nicht weitgehend kopiert wurde, ist alles gut. Wie mag die Entwicklung auch aussehen? Gutes Album. Punkt. Danach kann nur wenig neues kommen. Schade eigentlich.

  • Vor 9 Jahren

    ich hörs gerade auf repeat, obwohl ich ihr image wirklich fragwürdig finde. musste mich deshalb überwinden, unvoreingenommen an das album ranzugehen. und es gefällt mir außerordentlich gut. viel, viel besser als born to die. gerade WEIL sie ihren sound bewusst reduziert. 4 sterne.

  • Vor einem Jahr

    Wie einzigartig es war, als ich mir im Juni 2014 die Platte im Mediamarkt um die Ecke besorgt habe.
    Vor allem durch die Leadsingle bin ich auf das Album aufmerksam geworden. Alles in Schwarz-Weiß zu halten, ist echt eine willkommene Abwechslung.
    Born To Die fand ich nur in Maßen spannend und wirkte eigentlich belanglos und beinahe kitschig, verglichen mit der Kunstfigur Lana Del Rey selbst.
    Als ich das Album gleich Zuhause in den Player eingelegt habe, wirkten die ersten paar Minuten so befremdlich, wie noch nie zuvor. Cruel World - Musik, die sofort eine Leinwand vor Augen und darauf erzählte Geschichten erscheinen lässt. Draußen zogen graue Regenwolken am Himmel auf und so verbrachte ich den kühl warmen Nachmittag in meinem Dachschlaf- und Arbeitszimmer und hörte nur den Regentropfen zu, die dumpf gegen die Fensterscheiben trommelten. Im Hintergrund: Lana Del Rey. Eine passendere Symbiose kann ich mir nicht vorstellen!
    Beinahe jedes Lied hält etwas Einzigartiges für den Lauscher bereit - so denn man sich erst einmal mit Ultraviolence angefreundet hat. Denn das dauert ... Weniges auf Ultraviolence kann als „radiokonform“ bezeichnet werden und gerade DAS macht das Album - für Poomusik - ziemlich authentisch. Die vollkommene Schönheit dieser Platte wird einem erst bewusst, wenn man geduldig gewartet hat - im wahrsten Sinne des Wortes!
    Der Radio-Mix von West Coast bleibt bis zum heutigen Tag mein Lieblingslied von Del Rey - und wird es auch immer bleiben ...