laut.de-Kritik
Techno? Nö. Lieber Stooges, Yello und Aretha Franklin.
Review von Daniel StraubManch geschichtsvergessener Techno-Fan wird hart schlucken müssen bei dieser Doppel-CD. Da treten mit mit dem Franzosen Laurent Garnier und Detroit-Legende Carl Craig zwei über jeden Zweifel erhabene DJs an die Plattenteller. Zu allem Überfluss ist das Doppelpack auch noch mit dem verheißungsvollen Titel "The Kings Of Techno" überschrieben. Das schraubt die Erwartungen zweifellos in die Höhe.
Die Enttäuschung könnte jedoch schon beim ersten Hören folgen, denn die beiden Könige des Techno spielen Songs von The Stooges, Art Of Noise, Yello und Aretha Franklin. Allzu eng angelegte Scheuklappen sind hier also vollkommen fehl am Platz. Wer ein durchgängig auf Beat gemixtes Techno-Set erwartet, sollte sich schnell von dieser Vorstellung frei machen. Ist diese Voraussetzung einmal erfüllt, wird "The Kings Of Techno" zu einem sehr intimen Blick in die Plattenkisten von zwei der weltweit besten DJs.
Beide lassen es sich nicht nehmen, viel Leidenschaft in ihren Mix zu legen - das hört man vom ersten Ton an. Den Anfang macht Garnier, der sich in seinem Mix die Detroit-Brille aufsetzt. Es spielt Songs, die für ihn den einmaligen Charakter von Motor-City ausmachen: "The Detroit Perspective". Carl Craig zeigt, wie wichtig elektronische Musik aus Europa für die großen Technopioniere aus Detroit war: "The European Perspective".
Somit stellt "The Kings Of Techno" für Laurent Garnier und Carl Craig nicht nur einen weiteren Mix dar, sondern ist ein musikalisches Vermächtnis der ganz besonderen Art. Man könnte auch sagen: Erziehung vom DJ-Pult herab. Vor allem Laurent Garnier gefällt sich in der Rolle des Oberlehrers. Und als solcher zwingt er seine Schüler zum Zuhören. Ohne Titelindexe reihen sich die 17 Tracks aneinander.
Gewohnt kunstfertig beginnt er mit der jazzigen Folk-Nummer "The Plum Bossom" von Yusef Lateef, landet kurz danach mit zwei Jay Dee-Tracks bei Hip Hop, huldigt Aretha Franklin mit dem Song "Rock Steady" und legt schließlich als fünftes Stück den ersten elektronischen Track auf.
Arpanet, BFC alias Carl Craig, Adult, Jeff Mills und natürlich Underground Resistance sind für Garnier die großen Techno-Protagonisten.
Dazwischen mischen sich mit The Stooges, Funkadelic und Alice Coltrane Künstler, die den kühlen Detroit-Techno-Sound immer wieder aufbrechen. "The Detroit Perspective" ist sicher kein Mix für jeden Tag, jedoch ein Set, das dazu einlädt, seine Ohren zu öffnen und einmal über den eigenen Tellerrand zu schauen.
Carl Craig zeigt im Anschluss, dass Funk, Soul und Hip Hop zwar wichtige Inspirationsquellen für die frühen Produzenten aus Detroit waren, maßgebliche Einflüsse aber auch von Europa gekommen sind. Durch die Radiosendungen von The Electrifying Mojo ist eine ganze Generation von DJs und Produzenten mit Yello, Nitzer Ebb oder Liaisons Dangereuses in Berührung gekommen. New Wave und Disco stellen deshalb auch den größten Teil auf "The European Perspective".
Hier werden die Tracks nun auch über die volle Spielzeit auf Beat gemixt. Und vor allem in der ersten Hälfte des Sets stimmt auch der Groove. Erst nach Garniers Klassiker "Acid Eiffel" mischen sich einige schräge Nummern in die Playlist.
Zum Glück klärt Craig am Mikrofon die Zuhörer immer darüber auf, warum es die aktuelle Nummer auf die Compilation geschafft hat. Das ist sehr unterhaltsam und verhilft den viel geschmähten MCs vielleicht auch in Technokreisen zu neuem Ansehen.