laut.de-Kritik
Sicherer Schritt raus aus dem Sumpf des Betroffenheitsrocks.
Review von Ulf KubankeNach "Schuldig" kredenzt uns die Letzte Instanz nun das Gegenstück als zweiten Teil der geplanten Trilogie. Der thematische Rahmen ist eindeutig. Und sehet: "Heilig" bringt die Mannen um 'Holy Holly' tatsächlich einen künstlerischen Schritt voran.
Alles ist ein wenig besser, abwechslungsreicher und souveräner geworden. Das fängt schon bei den Instrumenten an. Neuzugang David Pätsch, ehemals Subway To Sally und Blue Man Group, ist ein versierter Drummer, der den harten Parts mehr Druck verleiht und sich angenehm in den ruhigen Teilen zurücknimmt.
Auch der mehrjährige Aufenthalt in der Türkei hat Bandchef Holly lyrisch hörbar gut getan. Ein gothic Rilke ist der Frontmann noch nicht. Das ist aber auch nicht notwendig. Insgesamt gibt es deutlich weniger Szeneklischees zu beklagen. Flotte Gebrauchslyrik der Marke 'dunkler Briefkastenonkel' dient als Mutmacher ohne erhobenen Zeigefinger. "Wenn du vor dir Schatten siehst, ist hinter dir ein Licht. Und es hält den Rücken frei, drum ängstige dich nicht."
Die Musik gibt sich auch ein wenig abwechslungsreicher als zuletzt. Ohnehin stellt sich die Frage, wie eine Band, deren stilistische Vielfalt zu Beginn der Karriere bis hin zu Burlesque-Elementen reichte, mit den Jahren so darkwave-kompatibel verflachte.
Natürlich ist alles insgesamt noch immer fluffig melodischer Darkrock. Aber Melodien und Arrangements präsentieren sich ausgereifter. "Dein Gott" findet das richtige Maß alttestamentarischer Wucht. "Schlaf, Schlaf" wartet mit toll hymnischem Refrain auf. "Unsterblich" ist zwar angerauter Sakro-Rock-Kitsch. Dennoch ist die schmirgelnde Gitarre in Verbindung mit der hochgradig tanzbaren Melodie charmant arrangiert und wird sicherlich die finst'ren Tempel rocken.
Besonders gut zu Gesicht steht dem Septett die vermehrte Abkehr von der typisch neudeutsch rockenden Langweilerschrammelgitarrenfraktion. Derartige Begleitung findet sich zwar leider immer noch zu Hauf. Endlich lockert die Band das Ganze mit variableren Äxten auf. Ein Hardrocksolo hier. Ein wenig Metal dort, etwas Classic Rock. Gar nicht schlecht, scheinbar unpassende Ingredienzien zu nutzen.
Sogar der Gesang vom Mastermind Holly hat eine Weiterentwicklung erfahren. Dies wird vor allem auf dem besten Lied der Platte, "Winterträume", deutlich. Die schöne Ballade hätte zwar nicht das überflüssige Wumms-Rockarrangement gebraucht. Das Piano zu Anfang ist deutlich wirkungsvoller und sich selbst atmosphärisch mehr als genug. Dennoch zeigt sich in Hollys Vortrag eine warme, farbige Nuance, die sich endlich auch auf Hörer überträgt, die keine passionierten Fans sind.
Wenn es jetzt noch gelingen sollte, Allerweltstracks wie "Schau In Mein Gesicht", "Der Letzte Tag" oder das überladen schwülstige "Eismeer" in Zukunft zu eliminieren, schaffen sie sicherlich den endgültigen Schritt aus dem Sumpf triefenden Betroffenheitsrocks. Der Anfang ist gemacht. Weiter so.
2 Kommentare
Nachdem Sebastian Lohse ging, wurde da ein völlig plattes Unspectaculum (ho ho) draus. Irgendwo zwischen der fünfhundertdrölfsten Mittelaltercombo und den sechsdreiundzwangstigsteln unheiligen Eisbrechern...
Kann mich auch nach wie vor nicht mit der Stimme des aktuellen Sängers anfreunden, denn der klingt genau wie die anderen.
das album hat nicht david pätsch sondern damals noch specki t.d. eingespielt