laut.de-Kritik

Nur für den Hit, für den Augenblick.

Review von

Eine Flasche Dom Pérignon für Lukas Graham! Die haben sich die vier Buben redlich verdient: Den Preis für das mit Abstand unkreativste Cover des Jahres 2015 sollte ihnen keiner mehr abluchsen. Einfach das Bild des Debüts in Blau tunken, und schon war es das? Sänger Forchhammer kommt ja aus Christiania, der Hippie-Enklave im Zentrum Kopenhagens. Vielleicht ist das einfach eine ausgefuchste Art des Recyclings.

Platte Nummer zwei hält sich an die Vorgabe des Covers: Sie kaut das Rezept des Vorgängers lauwarm durch. Die wenigen Weiterentwicklungen gehen allein auf die Kosten der Natürlichkeit und Kreativität der Band. Nach wie vor stehen sie für putzigen Soul-Pop. Nur, dass sie sich inzwischen noch deutlicher an den Radio-Hörer schmiegen. Die großen Hits sollen her. Jetzt und sofort.

Lukas Graham Forchhammer wird nicht müde, die eigene Musik als "Ghetto-Pop" zu bezeichnen. Angeblich eine krude Mischung aus Jazz, Soul, Funk, Rap und Folk. Das mag für den Vorgänger noch im Ansatz gegolten haben. 2015 schneidet er alle überhängenden Äste zurück. Jazz und Funk müssen draußen vor der Tür warten. Den Rap-Nachweis bleibt er auch auf seinem blauen Album schuldig.

Zurück behält er klebrigen Zuckerwatte-Soul mit Kuschelweich-Garantie. Ebenso hochgradig eingängig wie langweilig. Musik, nach der sich die Werbebranche die Finger leckt. Bio-Limonaden, Smartphones, Autovermieter und Tampons tanzen um Lukas Graham bereits ein Ringelreihen.

Jetzt, wo die bunten Luftballons aufgeblasen sind, muss der Kindergeburtstag auch am Laufen gehalten werden. In "Happy Home" darf endlich ein wenig Autotune mitfeiern. Die übertrieben gut gelaunte "Hayo"-Party verkommt zu übelstem Hände-in-die-Luft-Käse. "Mama Said" basiert auf der Melodie von "It's The Hard Knock Life" aus dem Musical "Annie", die Jay-Z 1998 bereits für "Hard Knock Life (Ghetto Anthem)" verwurstete.

Aufgrund der spiegelglatten Oberfläche verweigert sich die Platte jeder Tiefe. Die überspannte Schnulze "What Happened To Perfect" überdreht im Refrain deutlich und bewirbt sich nachhaltig als neuer Standard für die unzähligen Casting-Shows. Abschließend schreckt Forchhammer in "Funeral" nicht einmal vor seiner eigenen Beerdigung zurück und macht aus ihr eine große Fete. Eine goldige Idee, die aber in der allgegenwärtigen Plüschigkeit komplett untergeht.

Mit ihrem blau gefärbten zweiten Longplayer steuern Lukas Graham zielsicher in die falsche Richtung. Anstatt ihre vorhandenen musikalischen Möglichkeiten auszunutzen und sich zu entwickeln, bestimmen Stillstand und Rückschritt das Bild. Einzig der schnelle Refrain zählt. Nur für den Hit, für den Augenblick. Wenn niemand die Dänen stoppt, erreichen sie vielleicht noch nicht auf ihrem gelben, aber spätestens auf ihrem roten Album Maroon 5-Niveau.

Trackliste

  1. 1. 7 Years
  2. 2. Take The World By Storm
  3. 3. Mama Said
  4. 4. Happy Home
  5. 5. Hayo
  6. 6. When I Woke Up (Interlude)
  7. 7. Don't You Worry 'Bout Me
  8. 8. What Happened To Perfect
  9. 9. Playtime
  10. 10. Strip No More
  11. 11. You're Not There
  12. 12. Funeral

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3 Kommentare

  • Vor 9 Jahren

    Lustiges Detail zum Thema Recycling: Anscheinend kann nicht einmal Amazon die Alben unterscheiden (zumindest im Moment), wenn man nach Lukas Graham sucht sieht man bei beiden Alben die selben Rezensionen.
    Ansonsten hab ich mal kurz reingehört, könnte trotz allem ganz netter Soulpop sein, kannte aber bisher eigentlich auch nur "Drunk in the morning" von ihm.

  • Vor 9 Jahren

    Na, so unterirdisch ist das Album auch nicht... aber die "Maroon 5"-Weiterentwicklungs-Warnlampe blinkt schon, das stimmt :)

  • Vor 7 Jahren

    Ich fand das erste Album auch besser aber zwei ausverkaufte USA Touren zeugen wohl nicht von einem schlechten Album. Wer die Jungs mal live gesehen hat, würde nicht so herablassend schreiben. Das Album Cover stammt aus einem Cafe` nahe Christiania (Cafe Wilder) in Kopenhagen. Als der Frontsänger klein war gingen seine Eltern öfter mit ihm dort hin und er dachte es wäre ein richtiges Restaurant. Auch der Künstler des Bildes kommt aus Kopenhagen.