laut.de-Biographie
Magicicada
Christopher White verdient es gehört zu werden. Wer mit 25 selbst gebrannten CDs unterm Arm in den örtlichen Megastore marschiert, sie unter der Rubrik "Avantgarde" platziert und dafür einen lautstarken Rausschmiss riskiert, liebt was er tut. Seinen Anfang nimmt die Geschichte des Ein-Mann-Projekts Magicicada, benannt nach einer Insektenfamilie, 1999 in der Nähe von Atlanta.
Dort lebt der Sounddesigner, Fotograf und Musiker in einem alten Schulgebäude. Die Geräuschkulisse des heruntergekommenen Hauses inspiriert ihn und dient als Quelle für die erste Kassetten-Veröffentlichung "150". Der Vater dreier Kinder erstellt persönlich hunderte Kopien, tauscht und verkauft sie. In Stockbridge, Georgia entsteht dann die eigenproduzierte LP "Static Line".
Während er den Großteil davon über das Internet unter die Leute bringt, treibt es den Nerd auch in besagte Musik-Abteilung. So viele Menschen wie möglich sollen von seinen überaus eigenwilligen Experimental-Ambient-Sounds erfahren. Und nicht zufällig trägt das auf Konzerten vertriebene "I Make These Sounds Cause I Love You" seinen Titel.
Es handelt sich dabei ausschließlich um Unikate, erklärt White auf Nachfrage: "Die Kopien wechseln ständig. 'I Make These Sounds Cause I Love You' funktioniert als eine Art Audio-Tagebuch, deshalb enthält jede Ausgabe verschiedene Songs." Wie bei den Alben greifen seine Performances auf eine Mischung aus analoger Instrumentierung und "gefundenen Gegenständen" zurück.
Dazu zählen Cello, Akkordeon und Gitarre, aber auch exotische Klangkörper wie rostige Ofentüren, knisterndes Zellophan oder quakende Frösche. Dieses Sammelsurium erzeugt im Zusammenspiel Klangwelten zwischen Alice im Wunderland und krautrockendem Vooodoozauber. Hinter jeder Ecke lauert der Wahnsinn. Manchmal erinnert das an eine verspielte Ausgabe der Experimental-Lärmer Still.
Bald trifft White eine Gruppe namens "Electronic Art Alliance of Atlanta" und schließt sich ihr an. Die kurzlebige Formation resultiert in einer Freundschaft mit Matt Jeanes, dem Labelchef des Indies sub:marine. Dort erscheint 2002 der reguläre Erstling "Putting Out Fires Unfinished". Die Kritiken sind gespalten, wie der Schöpfer im Rückblick selbst erklärt. Einige seien "unglaublich positiv und unterstützend gewesen, andere, nun ja, einfach schrecklich."
Im Februar 2006 bringt Public Guilt Langspieler Nummer zwei heraus. "Everyone Is Everyone" jagt ein weiteres Mal Feldaufnahmen durch den Sampler. Klanggemälde werden hier lebendig, Mönche murmeln unverständliche Formeln, kernschmelzende Dronescapes duellieren sich mit orientalischen Schlangenbeschwörern. Magicicadas Welt ist eine der immerwährenden Suche nach dem Selbst. Faszinierende Assoziationsmusik für Freunde des Geräusches.
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