laut.de-Kritik

Die US-Amerikaner erschöpfen sich in großen Gesten.

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Auf ihrem letzten Album "The Million Masks Of God" thematisierten Manchester Orchestra die Begegnung eines Mannes mit einem Todesengel. Ein paar Songs aus den Sessions zum Vorgänger "A Black Mile To The Surface" hatte die Band jedoch noch beiseite gelegt, aber nicht zu weit, da sie der Meinung war, dass sie eine Story verdienen. Nach einem zufälligen Ereignis im Sommer 2021, als Sänger Andy Hull ein Buch mit puritanischen Gebeten aus dem Jahr 1975 mit dem Titel "The Valley Of Vision" wiederentdeckte, das er von seiner Mutter geschenkt bekam, begann die in Atlanta in den USA ansässige Formation weiter, an ihnen zu arbeiten. Dabei verzichtete sie fast vollständig auf altbekannte Instrumente und machte stattdessen von simplen Piano-Leads und flirrenden Atmosphären Gebrauch.

Nun haben Manchester Orchestra die Tracks zu einer EP gebündelt, die den selben Namen trägt wie das eben erwähnte Buch. Begleitet werden die Stücke von einem Film, der im 180-Grad-3D-Realität-Format daherkommt, den Isaac Deitz während einer einjährigen Reise durch die US-amerikanische Natur gedreht hat. Dabei bringen die Bilder die großen, ambivalenten Themen des Kurzformates wie Leben und Sterben, Veränderung und Entwicklung, Vergebung und Loslassen visuell zum Ausdruck.

Der Opener "Capital Karma" baut sich mit tiefen Klavierklängen und Vocals sowie ambienter Elektronik ruhig auf. Jedoch kommt die Band noch nicht ganz aus ihrer Haut, denn unter der ganz großen Geste macht es Andy Hull nicht, wenn der Track in einem tränenreichen Finale mündet. "The Way" klingt da mit seinen trippigen elektronischen Schlagzeugbeats, seiner gespenstischen Atmosphäre und seinem hymnischen Refrain, bei dem die große Geste auch mal tatsächlich angebracht ist, schon deutlich überzeugender. Auch "Quietly" gestaltet sich mit schleppenden Rhythmen und düsteren Pianoschlägen recht atmosphärisch. Die subtile Spannung machen die US-Amerikaner jedoch mit einer lautstark daherkommenden Bridge zunichte.

Dafür gibt es mit "Letting Go" und "Lose You Again" danach zwei Songs, in denen die Band durchgängig die ruhigen Töne für sich sprechen lässt. Vor allem der letztgenannte Track beweist mit sparsamen Akustikgitarren- und Klaviersounds und einer getragenen, nachdenklichen Melodie, dass die US-Amerikaner nicht viel brauchen, um eine ergreifende Stimmung zu erzeugen. Am Ende schleicht sich "Rear View" mit Herzschlag-Beats sowie dräuenden Ambient-Tunes und Vocals, die an Radioheads "Daydreaming" erinnern, wieder einmal subtil an. Die Ruhe findet jedoch mit krachigen Drums, durchdringendem Gesang und kreisendem Piano ein lautes Ende.

Insgesamt lässt sich "The Valley Of Vision" als Übergangswerk betrachten, das eine Weiterentwicklung im Sound zwar deutlich erkennen lässt, songwriterisch aber etwas zu sehr auf der Stelle tritt. Weniger wäre an einigen Stellen mehr gewesen.

Trackliste

  1. 1. Capital Karma
  2. 2. The Way
  3. 3. Quietly
  4. 4. Letting Go
  5. 5. Lose You Again
  6. 6. Rear View

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