laut.de-Kritik
Schamanische Traditionen und Riten erzeugen die betörend fesselnde Stimmung.
Review von Kai KoppÄhnliche Hochgefühle lösten bei mir zuletzt Massive Attacks "Blue Lines" und Nils Petter Molvaers "Khmer" aus. Schon die erste Nummer "I Come From The Other Side" schiebt und pumpt mit ihrem trippen Electrogroove auf Mitwackelfrequenz. "Boadan Nuppi Bealde" heißt der Opener im Original und entlarvt damit die wahre Herkunft dieses Geniestreiches aus dem wilden Norden. Verantwortlich dafür sind die joikende Samin Mari Boine und der Dreh- und Angelmann der norwegischen Szene, Bugge Wesseltoft. Jan Garbarek, Norwegens Starsaxophonist, von dem Till Brönner einst behauptete, "wenn man Gabarek hört, denkt man, seine Freundin ist gerade in einem Fjord ertrunken", verleiht dem ersten Stück das Sahnehäubchen, um mich rappzapp zu überzeugen.
Auch Till Brönner hat das natürlich nicht so gemeint: "Das ist nicht böse gemeint, Musik sollte immer Erinnerungen und Bilder hervorrufen". Genau das tut "Eight Seasons". Durch die eigenwillige Gesangstechnik - "Joiken" nennt sich Mari Boines Singstil, der auf ururururalte schamanische Traditionen und Riten zurück greift - entstehen Bilder einer fremden Kultur in meinem Kopf, deren Message ich auf Anhieb verstehe. Hier brauche ich keine Worte um zu begreifen. Die Musik transportiert alle nötigen Informationen durch ihre betörend fesselnde Stimmung.
O.K. ich gebe zu, dass man Weltmusik gegenüber aufgeschlossen sein muss, um "Gavcci Jahkejuogu", wie die Scheibe im Original heißt, gut zu finden. Die offenen Ohren der europäischen DJ-Kultur lassen ethnischen Produktionen inzwischen aber den Raum, um sich gegen amerikanischen Pret-a-Porter-Pop durchzusetzen. Zuletzt durch das interkulturelle 1 Giant Leap - Projekt von Jamie Catto (Faithless) hervorragend unter Beweis gestellt. Jetzt beschreitet auch Mari Boine den Ethno-Crossover-Pfad. In ihrer bisherigen Karriere hat sie sich zusammen mit ihrer langjährigen Band einen Stammplatz in der -Weltmusikszene erarbeitet. Durch die Kooperation mit Bugge Wesseltoft erhalten ihre Songs erstmals eine elektronische Komponente, die ihrer Musik den Kick geben, um sich auch außerhalb des Weltmusikzirkels zu etablieren.
Noch keine Kommentare