laut.de-Biographie
Marteria
"Habt Ihr Bock auf die Bassline?" Unwahrscheinlich, dass Marteria ein "Nein" als Antwort auf diese Frage akzeptieren wird. Man sollte es besser gar nicht erst versuchen, anderenfalls gut möglich, dass man es plötzlich nicht nur mit einem, sondern gleich mit zwei MCs zu tun bekommt. Marsimoto, die zweite Spaltpersönlichkeit des Hansestädters, steht bereits Mic bei Fuß.
Marten Laciny stammt aus Rostock. Hier erblickt er am 4. Dezember 1982 das Licht der Welt. Hier, in Rostock-Lichtenhagen, wächst er als Sohn einer Lehrerin und eines Seemannes auf. Marten entwickelt sich vom begeisterten Fan des FC Hansa Rostock zum aktiven Fußballer und kickt im U17-Kader der deutschen Nationalmannschaft.
Doch es wächst noch eine andere Leidenschaft: "Den Bezug zu Rap bekam ich durch meinen acht Jahre älteren Bruder", erinnert sich Marten. Der kopierte schon zu DDR-Zeiten die einzige Sendung zum Thema Hip Hop, "Yo" beim Jugendradio DT64, auf Tapes und hütete in seiner Plattensammlung Klassiker wie Public Enemys "Yo! Bum Rush The Show" und "Raising Hell" von Run DMC: nicht die übelsten Einstiegsdrogen.
1995 beginnt Marten, selbst zu rappen. Mit seinen Kollegen GabReal, Jö'ic, Mobla und DJ Focut schließt er sich zu seiner ersten Rap-Crew Warn Direct zusammen. Man nenne es fleißig oder besessen: Tägliche Freestyle-Sessions münden im Mixtape "10 Schritte Voraus". 1997 legt sich Marten den Alias Marteria zu.
Zwei Jahre später unternimmt er eine Reise in die USA, die nicht ohne Folgen bleibt: Ein Talentscout entdeckt ihn für den Modelberuf. Marteria kehrt Rostock und seiner Rap-Truppe vorerst den Rücken und zieht für ein Jahr nach New York. Unter anderem nehmen namhafte Auftraggeber wie Diesel oder Hugo Boss seine Dienste in Anspruch. Die Liebe zum Hip Hop bleibt dennoch höchst lebendig: Die neue Umgebung liefert reichlich Inspiration für weitere Texte.
Zurück in Rostock, wird Marteria Mitglied der Underdog Cru, "neben Tefla & Jaleel wohl die bekannteste Rapgruppe im Osten", so die eigene Einschätzung. Ersten Auftritten in lokalen Clubs folgen Bookings in ganz Deutschland. Als persönlichen Höhepunkt wertet man den jährlichen Auftritt auf dem Splash! in Chemnitz. 2002 geht es in Begleitung von Mark B & Blade, den Delinquent Habits und Flowmarkt aus Hannover auf Europa-Tournee.
Nebenbei produziert Marteria gemeinsam mit GabReal und Dead Rabbit und bringt verschiedene Beiträge auf Samplern und Mixtapes unter. Den ersten Solo-Vertrag schließt Marteria bereits 1999 bei Punchline Records, dem Label der Underdog Cru ab. Ein eigenes Album wird in Angriff genommen, Zeit und Geld investiert. Die Pleite des Labels kommt einer Veröffentlichung allerdings zuvor.
2003 zieht Marteria gemeinsam mit seinem alten Weggefährten Dead Rabbit nach Berlin und absolviert dort eine Schauspielschule. Der Kontakt nach Rostock reißt jedoch nicht ab: "Das ist meine Heimat, dort ist mein Verein." Er produziert nach wie vor Tracks für seine frühere Truppe Warn Direct.
Abseits davon entstehen, zunächst nur zum Spaß, erste Aufnahmen seines Alter Egos Marsimoto: "Ich habe Marsimoto erschaffen, damit Deutschland wieder träumen kann." Über GabReal, der mittlerweile in Darmstadt lebt, kommt Marteria Anfang 2006 mit dem dort ansässigen Label Magnum 12 in Kontakt. Man versteht sich. Magnum 12 nimmt sich Marterias erstem Solo-Albums an, das er als Marsimoto aufnimmt.
Das längst fällige Marteria-Album folgt nahezu auf dem Fuße. Als Marteria mit seinem Marsimoto Soundsystem 2007 wieder einmal das Splash! beehrt, ist "Base Ventura" bereits fertig. Die Veröffentlichung erfolgt nach kleiner Verzögerung Ende September.
Die Produktionen gehen auf das Gemeinschaftskonto von Dead Rabbit und Dasmo. Im Gegensatz zu "Halloziehnation" sind die alten Rostocker Recken allerdings nicht ganz so stark vertreten. Features steuern unter anderem King Orgasmus One und Godsilla bei, und natürlich gibt auch Marsimoto seinen Senf dazu.
Marteria wandelt unterdessen auf den Spuren amerikanischer Rapper wie Ice Cube und fährt zweigleisig: Neben dem Rap bastelt er an einer Laufbahn als Schauspieler. Werbespots, Kurzfilme und der eine oder andere Synchronsprecher-Job bilden die ersten Sprossen dieser Karriereleiter. Im Dezember 2007 geht es aber erst einmal wieder auf Tour: diesmal im Vorprogramm von Jan Delay. Das rappende Einmann-Doppel findet bei Four Music eine adäquate Bleibe.
Spätestens jetzt sollte zweierlei klar sein. Erstens: Marteria und Marsimoto bilden eine unzertrennliche Einheit. Zweitens: Wer in Marteria immer noch eine Harris-Kopie und in Marsimoto einen ideenlosen Quasimoto-Abklatsch zu entdecken glaubt, braucht es wohl etwas deutlicher: "Kniet nieder, ihr Bauern. Marsimoto rockt."
Das gilt natürlich auch für Marteria. Neben Jan Delay outen sich auch Peter Fox oder Sido als Fans des Wahlberliners mit Rostocker Wurzeln.
Lange geschmäht, ist Marteria plötzlich in aller Munde. Mit "Zum König Geboren" vertritt er 2009 Mecklenburg-Vorpommern bei Stefan Raabs Bundesvision Songcontest und schneidet nicht nur in den Augen des siegreichen Kollegen Peter Fox viel zu schlecht ab.
Ein Jahr später ist der schäbige zwölfte Platz Geschichte. "Zum Glück In Die Zukunft" heißt das neue Album, das nun endlich die Aufmerksamkeit bekommt, die Marteria schon lange verdient hätte.
Seine Erfolgsgeschichte setzt sich fort und mittlerweile gehört Marteria zu den erfolgreichsten und einflussreichsten Rappern des Landes. Hits wie "Lila Wolken" und "Kids (Zwei Finger an den Kopf)" werden in den Radiostationen rauf und runter gespielt. 2014 markiert ein wichtiges Jahr seiner Karriere: Mit "Zum Glück In Die Zukunft II" besteigt Marteria den Rap-Olymp, mit der Single "Kids" läuft er plötzlich auch im Radio. Im gleichen Jahr erhält er die Chance, seinen zwölften Platz beim Bundesvision Songcontest vergessen zu machen: Mit "Mein Rostock", einer Hymne an seine Heimatstadt, tritt er beim Raab'schen Showspektakel an.
Anfang 2017 verkauft Marteria innerhalb von nur einer Minute sämtliche Tickets für die Clubtour 'Allein Auf Weiter Tour 2017'. Um den Spekulanten und Second Hand-Börsen wenigstens ein bisschen den Wind aus den Segeln zu nehmen, hat stellt er bald weitere Konzerte in Aussicht, seine Fangemeinde warnte er in einem Facebook-Post vor dem Kauf überteuerter Tickets. Beinahe zeitgleich erscheinen im Frühjahr erst das neue Album "Roswell" und kurz darauf Marterias erster großer Film "Antimarteria".
Zwischenzeitlich schreibt Marteria auch für andere Bands, etwa tritt er als Co-Autor für "Laune der Natur" von Die Toten Hosen in Erscheinung. Neun Jahre nach dem ersten gemeinsamen Song "Rock'n'Roll" auf dem Selfmade-Sampler "Chronik II" macht er 2018 mit Casper wieder gemeinsame Sache und veröffentlicht am 31. August das Kollabo-Album "1982".
"Fang an zu sprechen, mein erstes Wort ist 'Yo!'." Keine Fragen mehr.
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