laut.de-Kritik

Jammerbarden-Desaster als Valium-Ersatz.

Review von

Die fleischgewordenen Tele 5-TV-Götter Oliver Kalkofe und Peter Rütten moderieren grimmepreisverdächtig die Trash-Spielfilmreihe SchlefaZ. Dieses Kürzel steht für "Schlechteste Filme aller Zeiten". Könnte man für den musikalischen Bereich das Ganze als "SchnaPlaZ", also die "Schnarchigsten Platten aller Zeiten", adaptieren, fände sich 2015 für Maximilian Heckers Jammerbarden-Desaster "Spellbound Scenes Of My Cure" gewiss ein warmes Plätzchen.

Konzeptalbum total: Die Songs sind verschiedenen Städten zugeordnet, an denen Globetrotter Maximilian jeweils künstlerische Blitze der Erkenntnis durchzuckten. Wie es sich gehört, hübsch weltbürgerlich verteilt. Hecker reist also musikalisch durch Metropolen wie New York, Peking, Seoul, Tokio, Taipeh, Hongkong, Hennigsdorf und Kastrup. Die Abrundung des Gesamtpakets erfolgt durch 14 kleine Kurzfilme, die eigens fürs neue Werk erstellt wurden und unter dem Oberbegriff 'Expressionismus' firmieren sollen.

Hinein ins Klang-Kunstwerk! Der kryptische Titel "To Liu Wen, The Opposite House, 3 A.M." will sicherlich intellektuelle Tiefe vortäuschen. Doch der Mix aus Klingklangglöckchen, sphärischem Hintergrundwabern und in Echohallnebeln umherfistelndem Gesang lässt erst einmal nur ratlos zurück.

"Love Hotel Hill" ergeht sich für Sekunden in sanften Piano-Akkorden, bevor der Song quasi lediglich die Fortsetzung des Openers mit anderen Mitteln darstellt. Betrübt schleicht Heckers Stimme gleich dem Gespenst von Canterville durch endlose Korridore des Liebes- und Seelenleids und denkt auch hier bis zum Schluss nicht daran, seine Stimme aus den aufdringlich herumflauschenden Sound-Wattebällchen herauszuretten.

Dann wirds zumindest im Titel endlich Aufmerksamkeit heischend hip. Die "Gangnam Misery" verfügt immerhin erstmals über so zu bezeichnende Drums und könnte als nett klingender Track aus den Songwriter-Siebzigern durchgehen. Zu einem echten Hit hätte es damit allerdings auch damals nicht gelangt.

Für "Untouchable (Kastrup Part 2)" gesellt sich Rachael Yamagata mit flötendem Hauchstimmchen hinzu in Heckers musikalisches Kuschelbettchen. Die Gefahr von dreckigem Sex besteht bei so viel Gefühligkeit natürlich nicht. Wer bei "Partyworld" womöglich eine ausgelassene Fete erwartet, findet die eher bei gemeinschaftlichen Eurythmie-Übungen einer Waldorfschule.

Mittlerweile hat man durch die "Pearly River Gates" die erste Albenhälfte durchschritten, fühlt sich aber irgendwie kein Stück vorangekommen. Es fehlt etwas. "Spellbound Scenes Of My Cure" klingt wie die musikalische Entsprechung eines Legolas ohne Pfeile im Köcher. Immerhin so wolkig-wunderheilend dargeboten, dass das Ganze womöglich selbst deflorierte Mädchen wieder zurück in den Status der Jungfräulichkeit versetzen kann.

Klar finden sich unter den Tracks mitunter kleine Kompositions-Highlights, wie etwa "Aoyama's Glow". Auch "Hennigsdorf" ist vom Songwriting her durchaus reizvoll aufgebaut. Doch all die Echohall-Lawinen und ein Overkill an Play Kitty-Niedlichkeit hat den geneigten Zuhörer da schon längst schon alle Waffen strecken lassen. Der verquast inszenierte Schlagzeug-Crescendo-Einsatz zum Schluss kommt zu spät, um längst paralysierte Hörer-Ohren doch noch zum Zucken zu bringen.

Zum Ausklang stürzt "Kastrup" noch einmal inbrünstig hinein in pathosschwangeres Befindlichkeits-Fegefeuer. Hecker zelebriert fürs neue Werk im Grunde nur eine Song-Idee, kaut die aber auf seinen zehn Titeln gnadenlos immer wieder durch. Dass schlichtes Fruchtgummi dabei früher oder später an Geschmack verliert, nimmt der Barde billigend in Kauf. Wenn im heimischen Tablettenschränkchen irgendwann wieder das Valium alle ist, keine Panik: "Spellbound Scenes Of My Cure" taugt gewisslich als gleichwertiger Ersatz.

Trackliste

  1. 1. To Liu Wen, The Opposite House, 3 A.M.
  2. 2. Love Hotel Hill
  3. 3. Gangnam Misery
  4. 4. Untouchable (Kastrup Part 2)
  5. 5. Partyworld
  6. 6. Pearly River Gates
  7. 7. Battery Park
  8. 8. Aoyama's Glow
  9. 9. Hennigsdorf
  10. 10. Kastrup

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2 Kommentare

  • Vor 9 Jahren

    das es den noch gibt O.o ein paar leute haben den 2002/2003 hier in der laut.bar ziemlich gehyped... ich glaub sogar einer der gothic-leute O.o "mysticalshadow" oder so, der sich dann später wohl umbenannte in "lithrasil"? :confused: :suspect: einige sachen vom hecker fand ich eigentlich auch recht hörbar. aber es ist halt die thematisierung von wohlstandsproblemen... tjaja :D

  • Vor 9 Jahren

    Also sein letztes Album war richtig gut zum Einschlafen geeignet. Insofern gebe ich diesem hier auch eine Chance ;)