laut.de-Kritik

Verdammt, klingt das sexy.

Review von

Die Französin zählt schon lange zu den ganz Großen im Techno. Dieser Status ist auch das Ergebnis einer beständigen Wandlungsfähigkeit.

Nicht, dass Miss Kittin jemals gleich das Kind mit dem Bad ausgeschüttet hätte. Aber sie verabschiedete sich doch immer wieder von erfolgreichen Entwicklungen wie etwa dem Retro-Techno ihrer ersten Releases, um sich als Künstlerin neue Wege zu eröffnen. Das neue Album "Calling From The Stars" geht einen weiteren Schritt auf diesem Pfad. Weg von der Tanzfläche hin zu Ambient-Klängen lautet die Maßgabe. Gleichzeitig bleibt es in jedem Moment unverkennbar ein Miss Kittin-Release.

Und doch markiert "Calling From The Stars" eine Abkehr von ihren bisherigen Veröffentlichungen. Vor vier Jahren bat sie Kumpel The Hacker nochmals ins Studio, wo die beiden ihr zweites Album mit dem passenden Titel "Two" einspielten. Wirklich wichtig ist das Release wahrscheinlich nur für die beiden Produzenten, die damit bewiesen, dass ihr Überflieger-Debüt "First Album" aus dem Jahr 2001 keine Eintagsfliege war. Musikalisch Interessantes gabs auf dem Longplayer eigentlich nicht zu hören, vom italo-schmalzigen Elvis-Cver "Suspicious Minds" mal abgesehen.

Miss Kittins Album "Batbox" liegt sogar noch ein Jahr weiter zurück. 2008 deutete sich die Abkehr vom 80er Jahre infizierten Techno zwar schon in den sphärischen Melodien an. Die Beats hingegen ließen noch die großen Momente im Club aufleben. "Calling From The Stars" hat dies nun nicht mehr nötig.

Miss Kittin verzichtet auf allzu offensichtliche Referenzen an durchfeierte Nächte und kommt von einigen wenigen Ausnahmen wie "Come Into My House", "Bassline" und "Maniki Neko" abgesehen, gänzlich ohne Beats aus.

Die erste CD sucht dennoch den Anschluss an die früheren Alben. Aber schon hier wird deutlich, dass die Grooves subtiler ausgearbeitet sind. House und Techno haben als Referenzen auf "Calling From The Stars" ausgedient, stattdessen erleben Electro und Detroit eine neue Wertschätzung. Das Ganze gipfelt in einer überraschenden Coverversion: Nach einer Begegnung mit Michael Stipe hat sich Miss Mittin den R.E.M.-Song "Everybody Hurts" vorgenommen und bis auf wenige ausschmückende Elemente reduziert.

Eine großartige Überleitung zur zweiten Hälfte von "Calling From The Stars", die die eingeschlagene Richtung konsequent fortsetzt. Mit viel Gefühl für Atmosphäre entwickelt Miss Kittin hier die Tracks. Nur noch selten greift sie zum Mikrofon. So mutet das Ganze beinahe schon wie ein Soundtrack an. Ein Terrain, auf das sich Miss Kittin früher vielleicht nicht vorgewagt hätte, schließlich zählte sie nicht unbedingt zu den Studionerds, die stets die passenden Sounds aus den Maschinchen kitzeln.

Dem Presseflyer ist zu entnehmen, dass sie diesbezüglich ein paar Nachhilfestunden bei The Hacker, Felix Da Housecat und Acid House-Pionier Pascal Gabriel buchte. Gut angelegte Zeit, das kann man nach "Calling From The Stars" attestieren.

Trackliste

CD 1

  1. 1. Flash Forward
  2. 2. Coming Into My House
  3. 3. Bassline
  4. 4. Life Is My Teacher
  5. 5. Maneki Neko
  6. 6. What To Wear
  7. 7. Night Of Light
  8. 8. Tears Like Kisses
  9. 9. Eleven
  10. 10. Blue Grass
  11. 11. See You
  12. 12. Everybody Hurts

CD 2

  1. 1. Only You
  2. 2. Cosmic Love Radiation
  3. 3. Tamarin Bay
  4. 4. Sunset Mission
  5. 5. Mind Stretching
  6. 6. Ballad Of The 23rd Century
  7. 7. What You See
  8. 8. Sortie Des Artistes
  9. 9. Silver Lake
  10. 10. I Don’t Know How To Move

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