laut.de-Kritik

Unantastbar. Auf Lebenszeit.

Review von

Es ist einfach nur unfair. Die Zahl der Bands, die Mogwai kompositorisch wie atmosphärisch überrollt haben, wächst Jahr für Jahr. Nicht immer zu Unrecht regte sich Kritik am minimalistischen Synthesizer-Grundtenor der "Rave Tapes" und des "Atomic"-Soundtracks. Ausgerechnet mit dem Ausstieg von Saitenzupfer John Cummings kommt den verbliebenen vier Musketieren das ganz und gar Unmögliche in den Sinn: Warum nicht einfach wieder den Gitarrenanteil hochschrauben? Warum nicht einfach wieder eine etwas dreckigere Herangehensweise an den Sound wagen? Ja, Donnerwetter! Jungs, glaubt ihr wirklich, es ist so einfach?!

Okay, verdammt. Genau so einfach ist das. "Coolverine" eröffnet mit dem klassisch flirrenden, aber noch seichten Schotten-Sog, "Brain Sweeties" verbindet dann Barry Burns' seit 2014 überhandnehmenden Analog-Synth-Fetisch mit der ewigen Delay-Pedal-Erhabenheit. "Crossing The Road Material" knüpft nahtlos am letzten klassischen Post-Rock-Werk "The Hawk Is Howling" an, dank flammendem Tasten- und Saiten-Distortion-Duett klingen Mogwai ruppig wie seit "Mr Beast" nicht mehr.

Ihr größter Trumpf: Um Studioalbum Nummer neun schmiegt sich eine dichte Wolkendecke aus High-End-Sounds, fernab vom nicht minder einnehmenden "Rave Tapes"-Wattebäuschen-Feeling. Die erneuerte Zusammenarbeit mit Flaming Lips-Produzent Dave Fridmann sorgt für peitschend frischen Wind und lässt den schmerzlichen Verzicht auf Cummings' krumme Gitarrenmotive der Marke "Hunted By A Freak" schnell vergessen. Stattdessen gibt's auf "Old Poisons" die zu erwartenden "Young Team"-Reminiszenz und mit "Party In The Dark" sogar einen weiteren Indie-Track der Marke "Teenage Exorcists". Davon ab hat sich der nun im Songwriting wieder etwas präsentere Stuart Braithwaite nur wenig von seinem Minor Victories-Seitensprung beeinflussen lassen.

Den feinen Hauch Shoegaze gibt's dann allenfalls inmitten des spärlichen Ambient-Getröpfel auf "1000 Foot Face" zu hören. Braithwaites Vocals ertönen im Choral, das gute alte Laut/Leise-Spiel funktioniert wie eh und je. Kein Wunder, der erdige Analog-Mix erleichtert es Schlagzeuger Bulloch, seinen neuerlichen Verzicht auf E-Drums zu erklären – schließlich erlaubt es der mutige Knarzsound, einzelne Tom-Schläge einfach mal auf natürliche Weise verzerren zu lassen. Mit seinem gelegentlichen Proberaum-Charme entschuldigt dieser dann auch mal uninspiriert herumdümpelnde Elektro-Vierminüter wie "aka 47".

Der absolute Befreiungsschlag kommt dann mit dem überragenden "Don't Believe The Fife". Interpretierten Mogwai das Mantra "die Instrumente müssen sich Raum lassen" in ihrer jüngeren Vergangenheit nicht selten so, dass sie einzelne Instrumente (sprich: Gitarre) einfach gänzlich wegkürzten, kommt hier endlich zusammen, was zusammen gehört: Auf Orgel-Geflatter, zarte E-Drums und patentiert melodische Basslines folgt ein doomig-rockiger Crescendo-Ausbruch, wie man ihn sich auf den letzten beiden Platten noch so unerträglich oft herbeigewünscht hat. Eine Intensität, gegen die allenfalls noch der ähnlich starke Titeltrack ankommt – wenn auch nur gerade so.

Wie gesagt: Es ist unfair, es bleibt unfair. Denn trotz hier und da fehlender Inspiration kann Mogwai auch im 23. Bandjahr niemand vorwerfen, sie hätten ihren Zenit überschritten. Auch wenn der Finger im Verlauf der Platte immer mal wieder Richtung drei Punkte zuckt: In Sachen schierem Hörvergnügen setzt "Every Country's Sun" wieder einmal Standards. Deal with it.

Trackliste

  1. 1. Coolverine
  2. 2. Party In The Dark
  3. 3. Brain Sweeties
  4. 4. Crossing The Road Material
  5. 5. aka 47
  6. 6. 20 Size
  7. 7. 1000 Foot Face
  8. 8. Don't Believe The Fife
  9. 9. Battered At A Scramble
  10. 10. Old Poisons
  11. 11. Every Country’s Sun

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LAUT.DE-PORTRÄT Mogwai

"Mogwai ist die Band für das 21. Jahrhundert." (Stephen Malkmus) Wenn es in diesem Jahrhundert monatelang regnet, hat der Ex-Pavement-Kopf vielleicht …

8 Kommentare mit 51 Antworten

  • Vor 7 Jahren

    Satan knows I've been dealing with this for 20 years now and Mogwai fear Satan!

    Vinyl erreicht mich scheinbar erst diesen Freitag, das Shirt zur Platte ist aber bereits da und wird heute schon mal zu Propagandazwecken aufgetragen.

    • Vor 7 Jahren

      Meine Kleidung unterstreicht meinen Charakter

    • Vor 7 Jahren

      Deinen auch? :)
      Als Unterstrich durchaus immer noch tauglich i.S. eines ersten Indiz auf den allgemeinen (Medien-)Geschmack, obwohl ich ja schon vor 6 Jahren mit dem Bandshirttragen aufhören wollte, aber das ging einfach nicht aufgrund des anhaltend miesen Kultur- und Mediengeschmacks so vieler Anderer.
      Ist natürlich keine Gewähr, dann auch alle Menschen in nem Tool- oder Chelsea Wolfe-Shirt charakterlich bzw. "als Gesamtpaket" attraktiv oder nur umgänglich zu finden, aber ich seh und nutze es weiterhin gern als ersten Wink, um die "richtigen" Menschen kennenzulernen.

      Hinsichtlich des Schmucks aber bleibe ich resolut. Nichts schmückt Menschen annähernd so schmeichelhaft wie ein messerscharfer Verstand in Verbindung mit einem progressiven und empathischen Charakter. Das habe ich auch hier i.Ü. aber schon vor der medienwirksamen Erschaffung der Sapiosexualität postuliert...

    • Vor 7 Jahren

      Hätte immer noch gern dieses klassische Chelsea Wolfe-Shirt, wo einfach nur der Name in dieser altdeutschen(?) Schrift drauf ist.
      Krieg' ich nur nirgendwo mehr...

    • Vor 7 Jahren

      Einiger der mit Logo + Name sind doch auch recht edel.

    • Vor 7 Jahren

      Link or it didn't happen!

    • Vor 7 Jahren

      Ein paar dieser Shirts kann man ja sogar tatsächlich anziehen, bin positiv überrascht. Hatte was Unmodisches erwartet. :D

    • Vor 7 Jahren

      Generell hat sich auf dem Sektor Band/Künstler-Merchandise erstaunlich viel getan seit den 80ern, gutes wie auch schlechtes. Das macht sich eben nicht nur im HH und anhand von Shindy-Rucksäcken und Bauernfänger-Boxsets etc. bemerkbar :D

      Das Klischee "Gitarrenmusik = Schwarz, Schriftzug und irgendwas mit Totenköpfen", mit welchem im Hinterkopf wohl mind. 1 [namentlich nicht genannter] user in diesen Austausch trat, ist da bestenfalls noch als angestaubt zu bezeichnen.
      Sicher auch noch kein Grund für Helden des Büroalltags, sich gleich ein "Maggot"-Eishockeytrikot von Slipknot o.ä. überzuwerfen, aber es gibt eben inzwischen doch erfreulich modische Alternativen diverser Bands, mit denen larq nicht sogleich vom Rest der Gesellschaft in die "Kutte, Matte, Siff und Suff"-Schublade gepackt wird.

    • Vor 7 Jahren

      Sowas hier kann man sicher mal überstreifen:
      https://cdn.shopify.com/s/files/1/0015/260…

      Ich erinnere mich auch noch gerne an die Lederwams-Qualität so mancher EMP-Shirts , die da so vertrieben wurden.

    • Vor 7 Jahren

      Allerdings, @molti. Von deftones hab ich noch 2-3 ganz unten im "Freizeitshirts"-Fach aus dem letzten Jahrzehnt, teilweise ist da sogar der Aufdruck nahezu unverwüstlich.

      Zum Link: 7,5/10. Would wear.

    • Vor 7 Jahren

      Fand das zeug halt auch oft seltsam geschnitten und eigentlich halt dann doch nur oft ein billiges FotL-Shirt mit nem Aufdruck. Unverwürstlich? Müsste ich mal kramen, aber den Eindruck hatte ich eigentlich nicht.

      Glaube das einzige Shirt aus der Richtung, welches ich noch ab und an trage, ist son Nostalgie-Ich-War-nicht-dabei-CBGB-Ding. Auf das aber eigentlich auch die Kritikpunkte zutreffen :D

    • Vor 7 Jahren

      (Pseudo-)Metal Shirts sind derzeit ja sogar wieder im Trend - wahrscheinlich zum Leidwesen derer, die die Musik tatsälich hören - dagegen hätte ich per se nichts, solange der Schnitt passt und es bei einer Ausnahme bleibt. :D

      Würde mir aber z.B. das Shirt, das jenzo ansprach, auch so anziehen, selbst wenn ich die Künstlerin nicht kennen würde.

    • Vor 7 Jahren

      Der Schnitt ist in der Tat häufig problematisch. Und die billigen FotL-Shirts konntest du eh nach 2-3mal waschen wegschmeißen...

      Bei den deftones-shirts schwankte das auch stark. Hatte das Gefühl, dass die unterschiedlichste Lizenzen an etliche Druckerfirmen vergaben, die jeweils verschiedene Tshirt-Produzenten/Lieferanten hatten. Das hier zum Beispiel war (abgesehen vom Kartoffelsack-Cut) nach 2 Monaten nur noch grün:
      https://images-na.ssl-images-amazon.com/im…

      Bei der neuen Mogwai-Kollektion wird's wohl ebenfalls spannend. Habe bereits zwei von denen aus früheren Kollektionen gehabt, da war dann hinten im Shirt sogar ein Mogwai-Label mit "Made in Scotland"-Zeichen vernäht, so a la "eigenhändig ausgewählter regionaler Anbieter" (hab ich nicht überprüft) und es war echt gute Qualität zu dem Preis, die Shirts der "Every Country's Sun"-Kollektion sind von so ner Billigfirma, die gefühlt wohl von jedem zweiten Tshirt-Druckshop weltweit verwendet wird... Mal schauen.

    • Vor 7 Jahren

      Ihr genrefremden Spargen solltet euch mal "Purpose"-Tour Merch gönnen, das würde eure Lauchigkeit unterstreichen und ist ja auch grad voll "in". :lol:

    • Vor 7 Jahren

      ...sagte der genfrefremdste Lauch in diesem Thread :D

  • Vor 7 Jahren

    Dieser Kommentar wurde vor 7 Jahren durch den Autor entfernt.