Robert Smith und Band gehen mal wieder auf Europatour: Und über vier Jahrzehnte nach "Boys Don't Cry" liefern sie noch immer.
Berlin (laut) - Sie schneien nur alle paar Jahre einmal herein, dann aber richtig: Seit dem 6. Oktober läuft The Cures aktuelle Europatour, fast 50 Konzerte sind angesetzt. Dieses Mal ist der Anlass besonders erfreulich: Das neue Studioalbum "Songs Of A Lost World" steht in den Startlöchern - das erste seit "4:13 Dream" von 2008. Das Releasedatum steht freilich noch aus, dafür eröffnen Robert Smith und Band ihr Set gestern Abend in Berlin - wie bisher jedes der laufenden Tour - mit dem neuen Track "Alone", der vom Charakter her auch auf "Disintegration" Platz gefunden hätte.
Ikone der Pop-Kultur
Zu den Klängen des Openers - den Konzertbeginn markiert Gewittersound - schreitet Robert Smith, wie gewohnt, erst mal bedächtig die komplette Front der Bühne ab, um seine Fans zu begrüßen, bevor er zu Mikrofon und später Gitarre greift.
In der ausverkauften und bis in die oberen Ränge besetzten Mercedes-Benz Arena herrscht bereits beim Supportact The Twilight Sad ausgelassene Stimmung und Euphorie: Gesungen wird schon, bevor The Cure die Bühne betreten. Dementsprechend ellenlang waren die Schlangen vor der Halle: Neben der mit der Band ergrauten und schwarz gewandeten Fangemeinde reihen sich erstaunlich viele junge Gesichter ein. Der 63-jährige Smith, eine der Ikonen der Popkultur in den Achtzigern und Neunzigern, genießt nach wie vor Kultstatus.
The Cure liefern an diesem Abend dann über fast 30 Songs lang auch das passend tolle Konzert ab. Der Sound stimmt, das Zusammenspiel harmonisch, Robert ist voll auf der Höhe, seine Stimme scheint keinen Tag gealtert, die Band legt viel Spielfreude an den Tag. Seit langer Zeit stehen die Briten wieder zu sechst auf der Bühne: Perry Bamonte (Gitarre und Keys) kehrt nach 17 Jahren ins Line-up zurück, Langzeit-Bassist Simon Gallup wirkt erwartbar frisch wie eh und je. Dazu beleuchten atmosphärische, spacige Visuals den Hintergrund. Die britische Band befindet sich nach über 45-jähriger Karriere in der luxuriösen Position, aus einem umfassenden Backkatalog schöpfen zu können. Im Prinzip ließe sich jede neue Tour mit komplett anderen Songs bestreiten. Aber natürlich geht es nicht ohne die Hits und Fanlieblinge.
Unkaputtbare Hits
2022 sparen The Cure tendenziell ihre frühe, minimalistisch orientierte Gitarrenphase ebenso aus wie ihre jüngsten, nach der Jahrtausendwende releasten Alben. Besagte neue, noch nicht veröffentlichte Platte wird mit drei Songs vorweg genommen: neben dem Opener noch "And Nothing Is Forever" und als Abschluss vor dem ersten Zugabenblock "Endsong". Dazwischen und danach tummeln sich viele "Disintegration"-Songs, alte Trademark-Tracks wie "Play For Today", "A Forest" und "Primary", spätere wie "Shake Dog Shake", "A Night Like This" "Inbetween Days" oder "From The Edge Of The Deep Green Sea" und natürlich die unkapttbaren Pop-Hits wie das Image-prägende "Boys Don't Cry", "Just Like Heaven", "Friday I'm In Love" oder "Close To Me".
Letztere serviert Robert Smith erst ganz am Ende des Konzerts im zweiten Zugabenteil, der sieben Tracks umfasst und wortwörtlich Hit auf Hit ausliefert. Was soll danach noch kommen? Beseelt kehrt man nach zweieinhalb Stunden Flashback in die Berliner Nacht zurück. Dass man "Why Can't I Be You" oder "10:15 Saturday Night" und wie sie alle heißen, gar nicht zu hören bekam, ist da längst verziehen.
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