Der Nirvana-Manager über Erfolg und Kontrollverlust seines Freundes. Dem Bild vom kaputten Junkie stellt er eigene Eindrücke entgegen.
Seattle (rnk) - Als der Nirvana-Manager Danny Goldberg für die Recherche zu seinem Buch den Begriff "Kurt Cobain" in das Amazon-Suchfeld eingab, tauchten folgende Ergebnisse auf: Bettwäsche, Feuerzeug und tatsächlich eine Action-Figur. Der Sänger der Band Nirvana ist längst Teil des popkulturellen Mainstream-Kanons geworden, die Shirts mit dem zynischen Smiley-Motiv hängen als Mode-Accessoire bei H&M.
Die Batik-Shirts mit dem Bandlogo sind zum Glück verschwunden. Cobain äußerte sich einmal extrem abwertend über diese Scheußlichkeiten und wollte sie nur tragen, wenn man sie "in das Blut von Jerry Garcia taucht". Den Sänger der Hippie-Band The Grateful Dead mochte er wohl auch nicht so gerne.
Unklare Erinnerungen
Solche sarkastischen Aussagen über müde gewordene Altvordere, aber natürlich vor allem das bahnbrechende Nevermind-Album bedienen das Narrativ über einen jungen Punk-Rebellen, der über Nacht mit der ihm verhassten und vereinnahmenden Mainstream-Kultur klar kommen musste. Sein Freund und Mentor Danny Goldberg beschreibt Cobain in seinem Buch "Erinnerungen an Kurt Cobain" (Originaltitel: "Serving The Servant") vor allem als genialen Songschreiber. Im Gegensatz zu der öffentlich Wahrnehmung zeichnet er das Bild eines Menschen, der in seiner kreativen Arbeit eine sehr klare Vision mit seiner Band hatte.
Sympathisch ist auf jeden Fall, dass Goldberg direkt in der Einleitung zugibt, dass seine Erinnerungen an seinen Freund 25 Jahre nach dessen Selbstmord nicht immer klar sind, und es auch den Zeitzeugen in seinem Buch ähnlich ergeht. Das macht angreifbar, wirkt aber auch ehrlich. Es ist kein bis auf die genaue Tageszeit korrekter Almanach, sondern die Beobachtungen und Eindrücke eines Menschen, dem Kurt viel anvertraute und der daraus sein Fazit schließt.
Eigene Beobachtungen werden gerne mit anderen Kollegen abgeglichen, häufig wählt der Autor Formulierungen wie "Ich hatte den Eindruck" oder "meiner Meinung nach". Um sein Gedächtnis aufzufrischen, greift er vor allem auf die bereits erschienen Bücher "Come As You Are" und "Our Band Could Be Your Life" von Michael Azzerad zurück.
Like Father, like Son
Als Danny Goldberg in das Leben von Kurt trat, war der Manager bereits 40 und teilt somit keine glorifizierende Backstage-Berichte oder verklärt gemeinsame Jugendtage mit der Band. "Ich war ein abgewichster Veteran mit 20 Jahren Rockbusiness-Erfahrung, einem Kind, einer Hypothek und einem Job in einem großen Unternehmen". Auf einem Foto sieht man das ungleiche Paar in die Kamera lächeln wie das typische Familienbild von einem liberalen Vater, der verständnisvoll und auch etwas stolz seinen talentierten Nachwuchs umarmt.
Kontrolle
Die Vorgehensweise mit Nirvana wird von Danny Goldberg als durchaus penibel geplant und nicht als Zufallsprodukt beschrieben. Mit Vertretern der Musikpresse wird ein launiges Spiel gespielt, an dem alle am Anfang ihren Spaß haben und partizipieren. Die Person Kurt Cobain beschreibt Goldberg als einen lieben, neugierigen und höflichen Mensch. Demnach gehen für den ambitionierten Cobain anfangs Wünsche nach Erfolg und größerer Aufmerksamkeit in Erfüllung. Der damals sehr beliebte, aber in der Underground-Kultur nicht unumstrittene Musiksender MTV ist nicht das Feindbild, sondern dient Cobain, ehemals College Student, als Vehikel für seine künstlerischen Vorstellungen. Die visionäre Mischung aus Pop, Punk und Metal erweist sich als konsensfähig.
Viel Liebe für Love
Cobains Ehefrau Courtney Love ist in der Beschreibung zwar sehr eigensinnig, aber auch eine ehrgeizige Selfmade-Frau, die sich aus ärmsten Verhältnissen nach oben kämpfte. Sie teilt zwar Kurt Cobains Abneigung gegen Macho-Rock und Homophobie, die Meinungen anderer sind ihr jedoch nicht so wichtig. Die Hole-Sängerin, für viele Nirvana-Fans immer noch eine Art Yoko Ono, erhält in Goldberg einen Fürsprecher.
He's lost Control
Die erste Hälfte von "Erinnerungen an Kurt Cobain" liest sich ein Rock'n'Roll-Märchen: Der Außenseiter Kurt schafft es aus dem kleingeistigen Aberdeen/Washington in die MTV-Charts und verdrängt den Macho-Rock der 80er mit einer neuen und spannenden Variation von Rockmusik. Eine riesige Plattform ergibt sich für drei normale Jungs, die sich anfangs noch so unbekümmert verhalten und wie im Spielzeugladen.
Goldberg sieht den Bruch zu diesen unbeschwerten Tagen mit dem Erscheinen eines unglücklich verlaufenden Interviews mit der Zeitschrift Vanity Fair, der Geburt der Tochter Frances und den Auftritt bei den MTV Music Awards 1992. Die kurz hintereinander ablaufenden Ereignisse sind eine große Bürde für den hochsensiblen Nirvana-Frontmann, der sein Bild in der Öffentlichkeit nicht mehr steuern kann.
Düstere Prognosen
Der härtere Stil von "In Utero" wird bisher vor allem als Mittelfinger an die neu hinzu gekommenen Mainstream-Fans verstanden, aber der introvertierte Cobain wünscht vor allem Ruhe und Sicherheit in seinem Privatleben. In die prekäre Situation seiner Jugendtage möchte er nicht wieder zurück, auch zerren Anwaltskosten an den Finanzen.
In seiner Not und auch Unkenntnis wendet sich Cobain abermals an seinen Mentor Goldberg, der für ihn einen Finanzbericht über die zu erwartenden Einkommen anfertigt. An dieser Stelle verlässt das Buch endgültig die übliche Verkitschung über Cobain, sondern holt den Musikstar auf eine sehr alltägliche Ebene runter. Finanzprobleme und Zukunftsängste stehen jedenfalls im Kontrast zu anderen Dokumentationen, die den Fokus auf die kreative Arbeit und die Drogensucht legen.
Tod & Vermächtnis
Dem Selbstmord und der physischen Verfassung von Cobain werden zum Ende von "Erinnerungen an Kurt Cobain" wenig Worte eingeräumt, auf Spekulationen verzichtet. Viele Weggefährten wollten oder konnten mit Goldberg bis heute nicht über dieses traumatische Ereignis reden. Danny Goldberg ist sehr daran gelegen, dass Kurt Cobain nicht als depressiver Süchtiger in Erinnerung bleibt, sondern als extrem talentierter und visionärer Musiker
Zum Ende der Biographie setzt sich Goldberg noch mit Filmen und Arbeiten über Kurt auseinander. Das in der Tat großartige "About A Son" wird besonders gelobt, während die HBO-Dokumentation "Montage Of Heck" wegen "subjektiver Arbeit"- obwohl er selber zugibt, dass seine Erinnerungen auch nicht faktengenau sind - bei ihm gemischte Gefühle hervor ruft. Auch melden sich viele Rapper wie A$ap Rocky und Kid Cudi zu Wort und geben Nirvana als wichtige Inspiration an.
Goldberg fasst das Leben und Vermächtnis von Kurt Cobain gut im folgenden Satz zusammen: "Es ist eine verdammte Schande, dass Kurt so jung starb, vor allem für Courtney und Frances. Aber es ist keine Schande, dass er gelebt hat."
"Erinnerungen an Kurt Cobain" ist im Hannibal-Verlag erschienen, 296 Seiten, keine Illustrationen.
2 Kommentare mit 8 Antworten
Cobain war ein drogensüchtiger Waffennarr, der sich mit Pistole am Kopf ablichten ließ und sich mit "I hate myself and I want to die" zitieren ließ.
Du solltest noch dazu sagen dass dich depressive Menschen anekeln oder so.
So kann man es natürlich auch sehen nur hat der Kerl Millionen Leute mit seiner Musik inspiriert und fasziniert und das zählt doch.
ich würde sagen, mein vater wäre ein waffennarr. aber der besitzt mindestens 3 Pistolen und 2 gewehre. und es gibt mehr fotos von ihm und seinen waffen als mit ihm und seiner frau.
jetzt ist "waffennarr" ein dehnbarer begriff. aber abgesehen von 1. in worten "einem" foto mit "einer" pistole und keinerlei thematisierung eines waffenfetisch in seinen texten... es gibt musiker die haben vom umfang eine komplette nirvana discographie nur aus liedern, die waffen und schießen thematisieren...
ps:
https://der-film-noir.de/v1/sites/default/…
finde das mit den waffenfotos aber auch völlig normal, zumal frauen ja auch älter werden und damit unansehnlicher.
waffen dagegen strahlen auch im alter noch eine hohe erotik aus
also damals, in meinen Armee Zeiten wurd ich auch mit einer Waffe fotografiert. Zählt das jetzt?
@Aqualung: Geh am besten gar nicht erst auf solche feigen Trolle ein. MannBeißtHund muss ja ein ziemlich jämmerliches Leben führen, wenn er es nötig hat, anonym im Internet auf einen Kreuzzug gegen alles zu gehen, was nicht seiner Definition von tougher Männlichkeit entspricht.
@CafPow: Wow endlich mal wieder ein sinnvoller Beitrag auf laut.de. Die meisten hier haben wahrscheinlich nicht mal gedient und haben es nötig, sich von ihren Kinderzimmern im Internet aufzuspielen und auf toughe Typen zu machen. Wers braucht.
Hat in der Schwyz nicht sowieso jeder ne Knarre? Zählt also nicht.
ich find von ihm v.a. wonderwall gut - was ist eigtl aus seinem bruder geworden?