15. März 2002

"Sehr hässlich, dieses Stuttgart"

Interview geführt von

Zum Ortstermin in Stuttgart konnten Andrea Vetter und Alexander Cordas Gitarrist Ryan Peake ein paar Statements zur Situation der Band entlocken. Zuerst sollte dies im Longhorn geschehen. In der Halle selbst war der Geräuschpegel jedoch so enorm, dass man sein eigenes Wort nicht mehr verstehen konnte. Kurzerhand führte Ryan die Redakteure an der Hand in den Nightliner der Band, und so konnte bei einem Bierchen recht entspannt über dieses und jenes palavert werden.

Herzlich willkommen in dieser hässlichen Stadt.

Oh, ist sie wirklich so hässlich? Ich habe noch gar nichts gesehen.

Nicht unbedingt, aber ein bisschen Gedisse ist doch ganz spaßig.

Ach so, ja, sehr hässlich diese Stadt.

Als Kanadier müsstet ihr eigentlich das Eishockey-Finale interessiert beobachtet haben. Was war da los, als ihr die Amis mit 5:2 abgeledert habt?

Das fragst du noch? Ich habe mir erst mal ein paar Bier raus gelassen. Stell dir das vor. In unserem Tour-Tross gibt es sieben Kanadier und sechs Amerikaner. Da waren die Fronten klar. Als wir dann gewonnen haben, sind alle Dämme gebrochen.

Und wie ist das mit der Rivalität zwischen Kanadiern und Amerikanern?

Ach, das ist nicht so wild, wie es manchmal dargestellt wird. Das ist wie bei Brüdern, wir streiten uns wie Brüder.

Lass uns über die Band sprechen. Unser Redakteur hat bei der Review von "Silver Side Up" geurteilt, dass die Entwicklung von "The State" bis zur neuen Platte enorm ist. Wie siehst du das?

Ähnlich. Bei "The State" hatten wir nur begrenzte Zeit zur Verfügung und mussten diese so sinnvoll wie möglich nutzen. Da kam es schon mal vor, dass wir einen Song eingespielt haben und meinten: "Der ist jetzt gut so, auf zum nächsten." Bei "Silver Side Up" waren wir nicht darauf angewiesen, so schnell wie möglich zu arbeiten.

Rick Parashar, der schon mit Pearl Jam und Temple Of The Dog gearbeitet hat, hat die Platte produziert. Wie viel Einfluss hatte er letztendlich auf euren Sound?

Gar nicht so viel. Wir klingen schon so, wie wir das möchten. Rick hat einerseits die Fähigkeit, den Dingen ihren Lauf zu lassen. Wenn wir gut drauf waren, hat er uns einfach spielen lassen. Da konnte es sein, dass wir einen Song schon beim ersten Take im Kasten hatten. Auf der anderen Seite ist er ein penibler Arbeiter. Teilweise hat er uns Passagen wieder und wieder einspielen lassen, bis er zufrieden war. Das hat zwischendurch schon genervt, wenn er meinte: "Machs noch mal" und dann wieder "noch mal". Aber das Ergebnis gibt ihm recht.

Ihr habt gestern im Fernsehen gespielt ...

Bei TV Total ...

Ja. Nervt das nicht, wenn man jetzt von einer Fernseh-Show zur anderen gereicht wird wie ein Wanderpokal?

Ach, so schlimm ist das nicht. Es ist Teil des Spiels. Du machst eine Platte und willst diese natürlich promoten. Da ist es nur natürlich, dass du auch ins Fernsehen gehst, wenn du kannst.

Ihr habt dort live gespielt.

Nickelback ist in erster Linie eine Live-Band und wenn wir die Möglichkeit haben, dann spielen wir auch live.

Obwohl manche eure Musik als simplen Rock'n'Roll bezeichnen, fällt auf, dass ihr in eure Songs unaufdringliche, aber sehr effektive und schöne Grooves einbaut, die ihren eigenen Drive entfalten. Wie entsteht das?

Das ist bei uns schon sehr entspannt. Wenn wir an einem Song arbeiten, ordnen wir dem alles unter. Nimm zum Beipiel Chad. Er schreibt die Lyrics zu den Songs. Aber wenn ich meine, dass bestimmte Parts nicht passen, dann sage ich ihm das auch. Da kann es natürlich mal sein, dass er angepisst ist. Aber wir arbeiten ja schließlich so, dass das Bestmögliche dabei heraus kommen soll. Da können wir ganz gut persönliche Eitelkeiten hinten an stellen. Neue Ideen entstehen ganz spontan. Wenn jemand kommt und meint "Wie hört sich das an?" (trommelt auf dem Tisch), dann führt das ein anderer weiter (trommelt schneller auf dem Tisch) und bringt andere Ideen ein und am Ende steht dann der Song.

Ihr stellt zur Zeit Metarial für eine DVD zusammen. Wie soll die aussehen? Und wie nutzt ihr die Möglichkeiten dieses Mediums?

Und das soll ich dir jetzt sagen? (lacht) Das ist doch ein Geheimnis. Wir wollen nicht zu viel verraten, aber wir haben schon einen ganzen Haufen Sachen zusammen getragen. Das wird eine interessante Sache. Ich mag bei DVDs ja die versteckten Gimmicks, die du nur sehen kannst, wenn du weißt, wie du sie aktivierst. Aber so viel sag ich mal. Wir wollen solche Spielereien machen, dass man bei einem Live-Mitschnitt die Perspektive der Kamera selbst auswählen kann. Man kann sich dann aussuchen, ob man den Blick von der Bühne wählt, oder vom Publikum auf die Bühne, oder von oben, je nach dem ...

Ihr seid in Kanada für den Juno (Äquivalent zum Grammy) in vier Kategorien nominiert und habt auch schon einen gewonnen. Was bedeuten dir persönlich solche Auszeichnungen?

Ach, eigentlich nicht so viel. Natürlich ist es schön, in seiner Heimat Anerkennung zu bekommen für das, was man macht. Ich liebe Kanada und bin stolz darauf, dass wir so viel positives Feedback bekommen. Aber diese Preise an sich bedeuten mir nicht so viel. Die stellt man sich dann ins Klo und kann sie anschauen. Einen haben wir schon gewonnen, ja, aber ich war gar nicht dort, um den in Empfang zu nehmen. Das ist doch eigentlich auch egal. Nimm diese Band (zeigt auf die "High Voltage"-CD, die vor ihm auf dem Tisch liegt). AC/DC haben sich nie groß verändert, spielen ihre Musik und sind großartig dabei. Das war übrigens meine erste Platte.

Ach ja? Meine zufällig auch. Ich habe mir die damals in der Bücherei als Kassette ausgeliehen.

Haha, herzlichen Glückwunsch! Was habe ich denn damals noch so gehört? Diesen ganzen Achtziger-Metal-Kram wie Poison, ...

Mötley Crue, Stryper?

Jaaa haha, die Crue.

WASP?

Nichts über WASP, die habe ich mir letztens erst wieder reingezogen.

Einschub: Die Tür öffnet sich und Chad Kroeger spaziert herein. Nachdem er Ryan ausgiebig verarscht hat, fällt die Frage, was Chad eigentlich darüber denkt, dass so wichtige Sachen wie seine Dauerwellen Thema der Diskussion sind. Wenn man weiß, dass Dauerwelle auf Englisch "Perm" bedeutet, kann man sich vorstellen, welches Gelächter im Bus herrschte, als von "Chad's Perm" die Rede war. Sperm? Perm? Who Cares ...

Eine Frage zu eurer Plattenfirma. Roadrunner würde ich spontan nicht mit euch in Verbindung bringen.

Stimmt, ich auch nicht unbedingt. Das hat schon ein paar Verwirrungen erzeugt. Wir sollten mal auf so einem Festival spielen und die Verantwortlichen haben sich unsere Platte angeschaut und dachten wohl "Ah ja, Roadrunner" und haben uns ins Metal-Line Up gepackt. Das musst du dir vorstellen. Alle anderen Bands prügeln sich einen ab und wir stehen da und singen "I am not a leader of men ...". Der Grund, warum wir bei Roadrunner unterschrieben haben ist einfach der, dass dort Leute mit Leidenschaft am Werk sind. RCA haben uns auch eingeladen. Deren Manager meinte ganz verheißungsvoll, in der Band würde viel Verkaufspotential stecken. Da wirst du ganz schnell ein Produkt und sonst nichts. Roadrunner haben da nicht so sehr an Dollars gedacht, sondern wollten uns einfach haben, weil sie die Musik mögen und sich reinhängen.

Vielen Dank für das Gespräch.

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