laut.de-Kritik
Keine Einladung - pures Kidnapping.
Review von Ulf KubankeEin Intro, behäbig wie ein alter Theatervorhang. Einem Geysir gleich steigt hieraus eine sich windende, fast schabende Trompete empor. Hinzu tritt eine Sologitarre, die das Horn sanft ablöst und auf der pulsierenden Percussion dahingleitet wie Whiskey auf Eis: So klingt "Ras Mohammad", der Auftakt des neuen, einmal mehr herausragenden Albums "Buoyancy".
Nils Petter Molvaer bleibt eine musikalische Ausnahmeerscheinung. Sein grüner Daumen für die durchgehend perfekte Bandbesetzung, seine Neugier, die stetige Veränderung garantiert, und sein Instinkt, der alle NPM-Trademarks erdet, führen addiert zu einer Magie der Klänge, die bereitwillig darauf wartet, jeden vorbei kommenden Hörer zu verzaubern.
Allein das Wechsel- und Zusammenspiel der enorm vielfältigen Soundideen lässt die Kinnlade nach unten klappen. Geir Sundstöl hortet ein ganzes Arsenal exotischer Saitensounds bis hin zu Banjo oder Sitar. Jo Berger Myhre gibt derweil simultan den Basser, den Keyboarder, und schnappt sich dann und wann die Gitarre. Madrugada-Trommler Erland Dahlen komplettiert die Palette mit seiner Armee aus Drums, Percussion, Xylophon sowie diversen möglichen und unmöglichen Alltagsgegenständen, die er kurzerhand zweckentfremdet.
Das Produkt dieses ebenso unkonventionellen wie plausiblen Ensembles ist mehr als eine Einladung des Publikums. Es ist pures Kidnappinng. Eine Chance zu entrinnen gibt es von Beginn an nicht eine Sekunde lang. Erster Killer unter Killern ist "Moute Cave". Die Molvaer-Soundmachine heizt diese Höhle langsam, aber unaufhaltsam bis zum rockenden Siedepunkt an. Besonders die nicht nur hier superb eingesetzte E-Gitarre gibt einen ähnlich kongenialen Sidekick ab wie John McLaughlin seinerzeit für Miles.
Man ist gefangen in diesem farbenfrohen Königreich. Ein jedes Stück, ganz gleich wie lang, kommt einem viel zu kurz vor. Sie wachsen allesamt fast augenblicklich ans Herz. Neben aller Kreativität liegt dies besonders an der behaglichen Wärme der Klanglandschaft. Exemplarisch hierfür steht das ergreifende "Puri Jati", stolzer Bastard aus nordischem Eis und indischer Glut, bei dem sicher auch Anoushka Shankar applaudieren würde.
Als Höhepunkt dieses sanften Sturms reckt der knapp zehnminütige Gigant "Amed" sein Haupt. Dramaturgisch perfekt dosierte Verhaltenheit wartet auf das Inferno. Es kommt mit Macht als vitaler Koloss aus Space, Rock und lehrbuchtauglicher Psychedelik. Die als Outro dienende "Martoli Bridge" präsentiert das Notenmeer hernach wieder so still in sich ruhend, als hätte es das aufwühlende Gewitter nie gegeben.
Das alles ist lediglich ein Bruchteil der Pracht, die es für jeden Einzelnen zu entdecken gilt. Wenn mit "Maddagala" das letzte Kapitel langsam erlischt, ist man längst Fisch an der Angel dieses genialen Insulaners.
4 Kommentare mit einer Antwort
Hör ich Wochenende mal in Ruhe. Die beiden Vorgänger waren schon sehr gut.
Toll, danke für diesen Tip...
Dieser Kommentar wurde vor 8 Jahren durch den Autor entfernt.
Etwas Eso, aber passt mir auch gerade. Ich denke, das ist mehr ein Bandalbum, statt so ein Molvaer-Ego-Ding. Jeder trägt seinen Part bei, um die Atmosphäre noch ein wenig geschlossener zu gestalten, als auf den beiden Alben davor. Dafür ist das Album auch etwas fließender und ruhiger. Und Sundstol bringt wirklich einen Fuhrpark exotischer Instrumente mit. Interesse erstmal geweckt.
"etwas eso"