laut.de-Biographie
Normahl
Im schwäbischen Städtchen Winnenden, gleich vor der Haustür der Landeshauptstadt Stuttgart gelegen, suchen fünf Gymnasiasten 1978 nach einem Mittel, um gegen die provinzielle Langeweile anzukämpfen. Gitarre, Bass und Schlagzeug sind schnell bei der Hand, schließlich haben die Sex Pistols mit ihrer Single "God Save The Queen" gezeigt, wie einfach es sein kann für ein bisschen Abwechslung im tristen Alltag zu sorgen.
Nach einigen Stunden im Proberaum stehen Normahl im Stuttgarter Karlsgymnasium dann erstmals auf der Bühne. Die Band spielt die vier Songs ihres Repertoires gleich drei Mal hintereinander, um auf eine ordentliche Konzertlänge zu kommen. "Wir waren nicht so perfekt, dass jemand gemerkt hätte, dass das immer die gleichen sind", erinnert sich Sänger Besa.
Drei Jahre später bringen es Normahl immerhin auf sieben verschiedene Songs, die sie mit ihrem Vinyldebüt, der EP "Stuttgart über alles" 1981 veröffentlichen. Die EP und die frühen LPs von Normahl erscheinen auf Mülleimer Records.
Politisch nehmen Normahl, wie auch Slime, kein Blatt vor den Mund. Ob ihr Klassiker "Fahneneid" oder "Stuttgart Stammheim", die Band versteht sich von Beginn an als Polit-Punk-Combo, die gut und gerne provoziert. Noch im gleichen Jahr wie die Debüt-EP bringen Normahl den Longplayer "Verarschung Total" an den Start, auf dem der lüsterne "Exibitionist" erstmals auf die Menschheit losgelassen wird.
Auch die Nachfolgealben "Ein Volk steht hinter uns" und "Der Adler ist gelandet" huldigen noch uneingeschränkt die Politpunkschublade. Mit der 1985er Scheibe "Harte Nächte" bekommen politisch eindeutige Songs wie "Pflasterstein Flieg" oder "Deutschland" alte Schlagerklassiker und Sauflieder im Stile des, zur Hymne aufgestiegenen, "Fraggles" zur Seite gestellt.
Von der Livepower des Quartetts vermittelt "Live in Switzerland" einen guten Eindruck und ist gleichzeitig eine Art Zäsur. Der Kern der Gründungsmitglieder Lars Besa (Gesang), Manfred Rutzen und Jürgen Pirpamer wird für "Kein Bier vor vier", um Michael Scheuerle und Rüdiger Stamer erweitert. Musikalisch geben sich Normahl weniger kantig als in der Vergangenheit und bedienen mit reichlich Mitsing-Sauf-Texten die Ende der 80er Jahre dank der Ärzte, den Mimmis und den Abstürzenden Brieftauben stark im kommen begriffene Fun-Punk-Schiene.
Nach drei weiteren Alben ist 1996 für eine der ältesten Punkbands Deutschlands das Ende gekommen. Im Streit geht die Band auseinander. Sänger Lars Besa veröffentlicht in der Folge einige Soloplatten. Doch sein Herz schlägt immer noch für Normahl. 2002 ist die Zeit der Versöhnung gekommen. Besa lädt Manfred Rutzen, Michael Scheuerle und Raimund Skobowsky zum gemeinsamen Geschäftsumtrunk. Zuerst noch vorsichtig distanziert, kommen sich die vier nach ein paar Bier wieder näher und beschließen, es noch mal gemeinsam zu versuchen.
Erstes Lebenszeichen nach der Reinkarnation ist die Platte "IN RI 21", auf der Normahl wieder zu alter Härte zurückfinden. Auch die Fans honorieren das Album und pilgern in Scharen zu den Konzerten der Band, die 2003 zum 25-jährigen Bandjubiläum mit offenen Armen empfangen wird.
Die Best-Of-Scheibe "Das ist Punk" feiert den Geburtstag von Deutschlands 'dienstältester' Punkband mit 28 Highlights aus der Normahl-Karriere. Erst sieben Jahre später legt der wiederauferstandene Vierer nach. "Jong'r" enthält diverse Covers, frisch eingespielte Bandklassiker, ein paar neue Songs und fungiert als Soundtrack zur selbstgedrehten gleichnamigen Doku von 2009 - mit Gaststar Gotthilf Fischer.
Normahl treten immer wieder live auf, auch wenn beispielsweise Sänger und Amateurboxer Besa mittlerweile den Sanitärbetrieb seines Vaters übernommen hat. Anfang 2013 filzt die Polizei dann tatsächlich die Wohnungen der Bandmitglieder wegen des 30 Jahre alten Songs "Bullenschweine". Der Verfassungsschutz war zufällig auf den alten Song gestoßen. Schon 1992 war die Band wegen "Öffentlichen Aufrufs zu Straftaten" verurteilt und in zweiter Instanz freigesprochen worden. Die Vergangenheit der Altpunks bleibt offenbar stets präsent.
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