laut.de-Kritik
Schlaghose und Diskokugel: Eine Zeitreise in die 70er Jahre.
Review von Joachim GaugerDa werden Erinnerungen wach. Die hier versammelten Tracks stammen größtenteils aus den 70er Jahren, die ja nicht nur musikalisch gesehen eine recht fruchtbare Epoche sind. Die Hippie-Bewegung verliert ihre einende Kraft, im Zentrum des musikalischen Interesses steht nun nicht mehr das Ideal von Frieden und Gemeinschaft, sondern das Subjekt. Wo der Punk die Bedeutung und den Wert des Einzelnen verneint, inszeniert Glamrock das Selbst als Kunstwerk. Selbstzerstörung und Selbstfindung, Sicherheitsnadel (in der Lippe) und Schlaghose sind doch nur die zwei Seiten der selben Medaille.
Zwar denkt man heute beim Stichwort Glamrock vor allem an David Bowie, der wahre Pionier der glitzernden Selbstinszenierung aber war doch eher Marc Bolan alias T.Rex. Noch heute gilt seine Bühnenpräsenz in Lack & Leder, Plateauschuhen und Federboas als wegweisend für Bands aus dem Independent- und Heavy Metal-Bereich. Selbstverwirklichung ist auch das Thema des Films "Billy Elliot", und so ist es nur konsequent, dass die (insgesamt sechs) Songs von T.Rex den Schwerpunkt auf vorliegendem Soundtrack bilden.
Das beginnt (und endet) mit "Cosmic Dancer" vom 71er Album "Electric Warrior": Die Melodie ist der von Bowies "Space Oddity" zum Verwechseln ähnlich und auch der androgyne Gestus, mit dem Bolan die Geschichte eines Jungen erzählt, dessen Lebensinhalt das Tanzen ist, beweist die enge Geistesverwandschaft der beiden Glamrocker zu jener Zeit.
Der melancholische Song passt thematisch zum Film wie die berühmte Faust aufs Auge und auch die folgenden Stücke tragen schön zum Zeitkolorit bei. Das gilt für die Songs von Paul Weller ebenso wie für The Clashs "London Calling" aus dem Jahr 1979, die Hymne der Punkbewegung.
So hätte der Soundtrack zu "Billy Elliot" die feine Dokumentation eines aufregenden Zeitraumes werden können, wenn nur die eingestreuten Dialoge nicht wären. Die tragen zum Verständnis der Epoche nun wirklich überhaupt nichts bei, sie stören den ruhigen Fluss der Erinnerungen und werden - selbst wenn man den Film kennt - superschnell langweilig.
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