laut.de-Kritik
Morricones Colt trifft voll ins Schwarze.
Review von Christian KollaschDie Arbeit an der Musik zu Quentin Tarantinos achtem Kinofilm "The Hateful Eight" stellte für den Filmemacher und die Komponisten-Legende Ennio Morricone ein Novum dar. In seinen früheren Werken, von "Reservoir Dogs" bis "Django Unchained", setzte Tarantino den Score ausschließlich aus schon bestehenden Songs zusammen. Dabei bewies der Regisseur stets ein gutes Gespür, wie allein die meisterhafte Eröffnungszene aus "Pulp Fiction" zeigte: Das Gangsterpaar 'Pumpkin' und 'Honey Bunny' überfällt das Jack Rabbits Slim's Diner. Auf den Freeze-Frame folgt der Surf-Klassiker "Miserlou" von Dick Dale: eines der kultigsten Openings der Filmgeschichte.
Nun wollte Tarantino für seinen zweiten Western erstmals einen für den Film komponierten Score einsetzen. Wer könnte für diese Aufgabe besser geeignet sein als Maestro Ennio Morricone, der mit Stücken wie "Ecstasy Of Gold" und der ikonischen Mundharmonika-Melodie aus "Spiel mir das Lied vom Tod" für die größten Momente des Spaghettiwesterns sorgte?
So einfach lässt sich die Frage dann aber doch nicht beantworten. Morricones letzter Western, "Eine Faust Geht Nach Westen" mit Bud Spencer, liegt bereits 35 Jahre zurück. Nach anfänglichem Zögern beschloss er dennoch, die Musik zu Tarantinos verschneitem Kammerspiel zu schreiben. Dabei setzte er sich jedoch ein Ziel: Der 87-Jährige wollte sich in keinem Fall wiederholen und seine Erfolgsformel nicht auf Tarantinos Western anwenden.
Morricones Colt trifft mit dieser Herangehensweise voll ins Schwarze. "The Hateful Eight" besitzt nicht die epische Weite von "Zwei Glorreiche Halunken" oder die verschachtelte Geschichte von "Spiel Mir Das Lied Vom Tod". Tarantino interpretiert den Western als klaustrophobische Kammer des Schreckens, voller Paranoia, Fremdenfeindlichkeit und Missgunst. Dieses unheilvolle Knistern in der Luft, das im Verlauf der Handlung zwischen den Figuren entsteht, unterstreicht Morricone mit einer feinen Linie, ohne sich dabei in den Vordergrund zu drängen.
Schon in der Eröffnungssequenz des Films definiert der Italiener die Stimmung für die folgenden 187 Minuten. Auf "L'Ultima Diligenza Di Red Rock (Versione Integrale)" kündigt eine Oboe mit düsterer Melodie den Hüttenurlaub der acht Hasserfüllten an. Diese Melodie soll als Leitmotiv noch viele weitere Male den Ton angeben. In "Narratore Letterario" mit unterlegtem Glockenspiel oder in "L'Ultima Diligenza Di Red Rock (#2)" mit Pauken und Männerchor durchzieht die prägende Tonfolge das Schicksal der Hauptfiguren.
"Neve" breitet einen Klangteppich aus Streichern aus, der sich wie der im Film stärker werdende Schneesturm über die Szenerie legt. Die ausweglose Situation, in der sich Tarantinos Charaktere befinden, macht Morricone deutlich greifbar. Wieder setzt eine einsame Oboe ein, die kurze Signale in die Dunkelheit abgibt. Der Komponist untermalt die bewegten Bilder musikalisch immer noch bestens.
Wie bei Tarantino-Soundtracks üblich, stecken zwischen den Stücken wieder einige Dialogausschnitte aus dem Film. Um nichts von der Handlung zu verraten: Die Gespräche zwischen den Figuren gehören zu Tarantinos größten Stärken und sprühen auch in "The Hateful Eight" vor Biss, Schlagfertigkeit und ausschweifenden Erklärungen. Dafür sieht man sich aber lieber den Film an und schmunzelt dann beim Hören des Soundtracks über die spitzfindigen Wortwechsel.
Ganz ohne fremdes Beiwerk kommt auch Tarantinos neuester Streifen nicht aus. Der Regisseur greift unter anderem auf "Apple Blossom" von The White Stripes und "There Won't Be Many Coming Home" von Roy Orbison zurück. Spoilerfrei lässt sich nur sagen, dass Tarantino auch hier wieder ein gutes Timing erwischt, um die Songs einzubauen.
Ein weiteres Highlight markiert "Jim Jones At Botany Bay" von Schauspielerin Jennifer Jason Leigh, die makabere Lagerfeuer-Stimmung aufkommen lässt. Infolge der tatkräftigen Unterstützung vom Kollegen Kurt Russell musste leider eine über 140 Jahre alte Gitarre dran glauben.
Morricone hat mit diesem Spätwerk unterdessen gezeigt, dass er sich nicht auf seinem Legendenstatus ausruht und alte Erfolge aufkocht. Er probiert sich an etwas Neuem aus, experimentiert und trägt so einen großen Teil zu diesem mitreißenden Neo-Western bei.
3 Kommentare mit 6 Antworten
Ich fand den Film nicht so gut. Die (sexuelle) Gewalt wirkte aufgesetzt, das Agathe-Christie-Orientexpress-Motiv bot keine Überraschungen und die Trennung in zwei Teile (Gewalt/keine Gewalt) empfand ich als ermüdend. Wenn man nicht grundsätzlich Tarantino kritisieren möchte, dann ist z. B. Django Unchained der deutlich bessere Film.
"das Agathe-Christie-Orientexpress-Motiv bot keine Überraschungen"
Na mir jetzt jedenfalls nicht mehr nachdem du das hier gespoilert hast
Für Tarantino Verhältnisse ein guter Film. Ich persönlich fand ihn (zumindest in der OV - die Sprecher sind großartig!) ne ganze Ecke stärker als en mittelmäßigen Django. Geht aber auch nicht so in den Mainstream wie selbiger.
Soundtrack ist sehr passend und gut inszeniert. War nur etwas verwundert, da ich meine Morricone wäre kein großer Fan von Tarantino Filmen... Zumindest klang das nach Django so.
Ennio Morricone ist großartig, vorallem seine 70er-Phase mit wundervollen Soundtracks
Mozart war auch geil. Vor allem seine Klassik-Phase von Mitte bis Ende des 18. Jahrhunderts.
Der ist mir eine Spur zu Vintage, aber danke für deinen Beitrag naise commi
Unregistered war auch geil. Vor allem in seiner post millenium Troll-Phase.