2. Februar 2016

"Die Kugel trifft in den Kopf"

Interview geführt von

Prinz Pis Einladung zum Interview in dem Kreuzberger Büro-Komplex, der so hip ist dass ihn andere entweder als Baustelle oder als noch nicht ganz zuende renoviert bezeichnen würden, folgen wir gerne. Ein frischer und gut gelaunter Mittdreißiger spricht über sein vorletztes, sein Porno- und sein aktuelles Album "Im Westen Nix Neues", erklärt, warum manche Arbeitende mehr positives Feedback bräuchten und andere besser kündigen sollten.

An dem wohl etwas entgleisten Interview von 2007 reibt sich der jung gebliebene Vater immer noch. Erst lacht er den Abend in seinem karierten Hemd locker weg, aber später heißt es dann, das Gespräch habe seine Welt und seinen Glauben an die Medien ins Wanken gebracht.

Angepisst ist Prinz Pi auch von der Gier nach "Uhr, Auto, Haus" als Lebenskonzept. Und so entwickelt sich ein abwechslungsreiches Gespräch über Waffenexporte und die Verantwortung des Einzelnen, verlorene Promo-CDs, die Lüge mit dem Weihnachtsmann und andere Rock'n'Roll-Geschichten, die keiner kennt.

Ich habe gehört, du hast heute einen langen Tag. Ich hoffe du bist noch frisch?!

Ja, ich bin total frisch.

Das freut mich. Wie lange wird dein Tag denn sein?

Sehr lange. Wir drehen heute Abend noch ein Video. Aber das kriegen wir alles hin.

(Ich krame nach meinem Zettel, auf denen ich Fragen notiert habe.)

Geil, du hast handschriftliche Notizen.

Ja, ich habe keinen Drucker.

Ich habe früher auf genau dem Papier immer meine Texte geschrieben. Ich fand Karopapier immer geiler als Linienpapier.

Und auf was schreibst du deine Texte jetzt?

Ich habe vor längerem mal so ein Notizbuch bekommen, in das ich meine Texte geschrieben habe. Kurze Sachen diktiere ich auch manchmal ins Handy. Manchmal schreibe ich auf dem Computer, aber am liebsten handschriftlich.

Ja stimmt schon, aber es dauert immer so lange.

Aber man überlegt sich mehr, was man schreibt.
Sag mal, bist du aus Berlin?

Ne.

Wo sitzt denn laut.de?

In Konstanz am Bodensee. Kannst du dich an das Interview von 2007 erinnern? Das waren die drei Redakteure, die dich interviewt haben, ziemlich blau.

Ja, das war die Dani Fromm. Und die hat bei uns im Backstage gesoffen. Sie war irgendwann so besoffen, dass wir sie rausgeschmissen haben. Und seitdem hat sie jedes einzige Album von mir zerrissen.

(Beide lachen)

Ich habe mich nicht daneben genommen, sie hat sich daneben benommen. Das sind die Rock'n'Roll-Geschichten, die keiner kennt. Jetzt machen wir ja einen Neuanfang.

So sieht's aus. Und ja, stimmt schon, das Porno-Album hat ihr tatsächlich nicht so gut gefallen.

Ja natürlich hat es ihr nicht gefallen. Man hätte sich auch sehr gewundert, wenn es ihr gefallen hätte. Das Ding ist, vielleicht hat es ihr sogar gefallen, aber sie würde es trotzdem nicht schreiben.

Meinst du echt?

Weiß ich nicht, aber ich kann ihre journalistische Integrität nicht einschätzen. Es hätte auf jeden Fall meine Welt ins Wanken gebracht, wenn sie etwas Positives dazu gesagt hätte.

Die Dani ist aber schwer korrekt, und die macht das im Großen und Ganzen auch sehr objektiv. Egal: Du hast deine letzte Platte wieder unter deinem alten Künstlernamen Prinz Porno rausgebracht. Warum?

Ja, das war so eine kleine Fingerübung. Für zwischendurch.

Wie kam das bei deinen Fans an?

Bei denen, bei denen es ankam, kam es sehr gut an. Wir haben das aber auch überhaupt nicht beworben. Es war ja so, dass das Album "Kompass ohne Norden" unser größter Erfolg war bis dato. Und das war für uns als kleine Firma, das Label besteht aus zwei Leuten und mir, ein total ambitioniertes Projekt. Ich stehe immer noch hinter den Sachen, die ich gesagt habe, aber wie ich es gesagt habe, ist im Nachhinein betrachtet etwas lasch. Also der Typ, mit dem ich das zusammen produziert habe, ist ein sehr ruhiger Typ, total korrekt und brav. Wenn ich mit dem Musik mache, sitzt jede Frequenz an der richtigen Stelle. Der überlegt sich schon vorher, wie die Basedrum mikrofoniert werden muss, damit die dann genauso klingt wie sie soll. Ich fand im Nachhinein klang das dann zu hölzern. Ich habe dann gemerkt, dass ich es live viel energiereicher spiele. Es gibt auch eine Live-Version von dem Album, da hört man das. Ich hatte einen wahnsinnig großen Anspruch, dass ich in den Texten die ganz großen Themen behandeln wollte. Und danach hatte ich eben Bock mal etwas zu machen, bei dem ich überhaupt nicht überlegt habe, wie ich es mache. Ich mache es jetzt einfach nur, weil ich Spaß daran habe und es geil finde. Ich holte mir einfach Beats von Produzenten und rappte darauf ohne dabei groß nachzudenken. Das kloppen wir einfach raus ohne Promo und Interview etc. Ein Video davon haben wir sogar im Hinterhof gedreht. Es war absichtlich auch nicht beworben, wir haben keine PR gemacht.

Dann war "PP = MC²" mehr so Spaß an der Laune?

Als Musiker muss es dir einfach Bock bringen. Und das Album habe ich gemacht, weil ich voll Bock habe zu rappen. Ich habe mit Kollegah so einen krassen Storytelling-Track gemacht mit einer Spielzeit von einer Viertelstunde, das hat mir voll Spaß gemacht. So etwas kannst du auch nur mit nem Typen wie Toni machen. Wir wissen beide, dass so etwas dem größten Teil unserer Hörerschaft nicht zusagt, aber das ist uns in dem Moment auch egal. Es macht uns als Künstler Spaß, herumzuspielen und Indiana Jones-mäßige Universen auszuspinnen. Das ist auch der Grund, warum man überhaupt angefangen hat, Musik zu machen; einfach weil das so verdammt viel Spaß macht. So ist das Prinz Porno-Album entstanden. Ich bin eigentlich sehr froh, dass wir es nicht an die große Glocke gehängt haben, weil es dem Flavour von dem Ganzen widersprochen hätte. Das ist bei dem Album nicht so, dass ich dir dazu wahnsinnig viel erzählen könnte im Gegensatz zu "Im Westen Nix Neues", bei dem ich mir viele Gedanken um die Texte gemacht habe. Es hat einfach schlicht Spaß gemacht.
Hast du denn eine Promo-CD zugeschickt bekommen?

Ne, ich bin mit einem Stream abgespeist worden.

Ich hatte die Promo-CDs aufwendig vorbereitet, aber dann ist eine ganze Kiste von 300 CDs in der Post verschollen gegangen. Und das zwei Monate vor Release, das war dann sehr angespannt. Jetzt vor einer Woche kamen sie wieder.

Okay, krass. Dann mal zum Album-Titel: Würde mich mal interessieren, wie du darauf kamst? "Im Westen Nichts Neues" ist ja ein Antikriegsfilm aus den 30er Jahren. Worauf beziehst du dich hier?

Es geht ja in dem Film bzw. Buch darum, dass am Ende der Soldat stirbt und dann diese lakonische Meldung kommt, dass es nichts zu vermelden gebe, obwohl eigentlich etwas ganz Elementares passiert war. Ich habe das Gefühl, dass in den letzten 20 Jahren in unserer Gesellschaft auch ganz viel ungeheure Umwälzungen stattgefunden haben, die uns nicht bewusst sind. Wir leben halt trotzdem nach diesem Schema, was wir so in diesem Nachkriegs-Wirtschaftswunder eingeimpft gekriegt haben, das machen wir immer weiter. Du gehst du zur Schule, dann machst du eine Ausbildung oder studierst, dann bekommst du einen Job und verdienst Geld, kaufst dir Sachen, verdienst mehr Geld, kaufst dir noch mehr Sachen. Wirst du glücklich? Dann heiratest du, kriegst Kinder, bist für immer zusammen - das ist dieses westliche Lebensmodell, das von Amerika zu uns rüber geschwappt ist mit diesen ganzen Mechanismen, die uns befriedigen sollen. Mithilfe dieser ganzen gesellschaftlich akzeptierten Indikatoren machen wir ein erfolgreiches Individuum aus. Und dann sagen wir: "Der hat es geschafft, er hat die Uhr, das Auto, der hat die hübsche Frau, das Haus". Die Leute wollen das auch. Dieses Modell ist für mich und für ganz viele Menschen vielleicht auch im Unterbewusstsein nicht mehr tragfähig.

Wir sind hier in Kreuzberg. Schau dich mal um wie viele von denen hier noch so leben.

Okay, aber wir sitzen hier in Kreuzberg, in Berlin. Berlin verhält sich zum Rest zu Deutschland wie New York zum Rest von Amerika. Denk aber mal an die ganze Landbevölkerung, die lebt schon noch nach diesem Prinzip. Wir sitzen hier in Kreuzberg, dem coolsten, hippsten und alternativsten Zentrum der Urban Outfitters, das nicht repräsentativ für irgendetwas ist.

"Ich versuche die große Welt aus dem Kleinen, aus dem Privaten heraus zu erklären."

Was wäre denn für dich erstrebenswerter? Was wäre denn die Alternative zu Schule, Ausbildung, Job, Geld verdienen und ausgeben? Wie würdest du dir wünschen, wie Kollegen oder allgemein dein Umfeld sich entwickeln würden?

Ich bin nicht die moralisch geistige Instanz, die anderen vorschreibt, wie sie zu leben haben. Aber ich persönlich finde halt eine Erfüllung in dem was ich tue. Es geht mir zunächst um eine Arbeit, die ich nicht als Arbeit begreife, denn dieses Wort ist ja sehr negativ konnotiert. Ich möchte dem Begriff, mit dem ich mich die meiste Zeit am Tag verbringe, nichts Negatives anheften, sonst wäre ja mein ganzes Leben scheiße. Viele Leute verbringen die meiste Zeit ihres Tages mit etwas, das sie als negativ bezeichnen. In den wenigsten Fällen wurden die Berufe den Leuten aufgezwungen. Dann gibt es wiederum Leute, die sich sehr wohl fühlen, in diesem vorgegeben Weg, diesem Hamsterrad. "Ist ja voll geil, dieses Jahr kriege ich den 3er BMW, irgendwann den 5er. Und wenn ich dann so richtig brav bin vielleicht noch den 7er". Irgendwann kommt dann auch schnell die Pensionierung.

Aber würdest du nicht sagen, dass es für einen Otto-Normalverbraucher schwieriger ist, einen alternativen Weg zu gehen als für einen Künstler, der von seiner Musik leben kann? Mein Bruder macht eine Schreiner-Lehre und produziert am Tag 20 Rückenlehnen für Betten. Er macht den ganzen Tag nichts anderes als Rückenlehnen und findet das maximal semigeil. Aber im Großen und Ganzen kotzt es ihn die meiste Zeit an und er macht Sachen, auf dir er keinen Bock hat. Wie sollte er da jetzt rauskommen können?

Also zunächst mal würde ich sagen, dass in meinem Wertesystem der Schreiner ein sehr schöner Beruf ist. Ich wollte immer Tischler oder Schreiner werden, ich mag es mit den Händen etwas zu erschaffen. Es ist ja so, dass unsere Gesellschaft seinen Beruf als niedriger einschätzt als einen Fußballprofi oder Popstar. Oder wenn wir mal die ganzen kreativen Berufe sehen wie zum Beispiel einen Modeblogger, so etwas gilt ja als sehr erstrebenswert. Nur als Beispiel: du bist Modeblogger und hast ein Instagram-Profil und ein paar Hunderttausend Follower. Wenn du dann ein Foto in Unterwäsche postest nach der Detox-Kur und dann darauf Zehntausende Kommentare bekommst wie: "Du bist so cool und schön, du bist so ein toller Mensch, ich wäre so gerne wie du", wirst du überschwemmt mit positivem Feedback. Dein Bruder baut vielleicht richtig geile Rückenlehnen, aber bekommt nicht einen Brief von einem Kunde, auf dem steht: "Ey, richtig geile Rückenlehne." Wenn dein Bruder aber dieses Feedback bekommen würde, hätte er vielleicht gar nicht so ein Problem, jeden Tag Rückenlehnen zu bauen. So wie die Modeblogger jeden Tag ein Bild in Unterwäsche posten. Dein Bruder würde sagen: "Okay, ich baue die Lehnen richtig gerne und heute gebe ich mir beim Bauen mal richtig Mühe". Dann kommt er vielleicht auf neue Ideen, baut eine aus Mahagoni, eine aus Ahorn. Einfach nur weil er weiß, dass die Leute auf seine Rückenlehnen stehen. Es wäre dann weniger schlimm, einen monotonen Job zu machen.

Das ist ja auch ein Problem in unserer Kultur, Dinge die monoton sind, als negativ zu bezeichnen. In Japan zum Beispiel gibt es Familien, die ihr ganzes Leben lang nichts anderes als Messer herstellen. Jeden Tag das gleiche Kochmesser. Die finden das mega geil, weil es voll ihr Ding ist und sie extrem gut darin sind. Sie sind erfüllt von ihrem Beruf und stolz darauf, ihre Traditionen weiterzuführen. Wenn du mit solchen Leuten sprichst, die ihr Handwerk lieben, merkst du, dass es für sie nicht negativ ist, immer das Gleiche zu machen. In unserer Gesellschaft wird aber jemand, der immer das Gleiche macht, negativ betrachtet. Das ist meiner Meinung nach der Gesellschaft antrainiert, etwas nicht als gut zu befinden, wenn keine Abwechslung da ist.

Wir streben immer möglichst bald danach, Dinge, die eigentlich gut funktionieren, zu ersetzen. Du hast einen zehn Jahre alten Golf und der fährt echt super. Du könntest eigentlich alle Teile, die abgenutzt sind, ersetzen. Aber die meisten Leute wollen dann gleich das ganze Auto ersetzen. Da tut die Werbeindustrie dann auch alles dafür. Ich brauche dann nicht nur den Golf, sondern gleich eine ganze Nummer größer: einen Audi, BMW, Benz.

Du meinst also, es würde bereits was bringen, wenn die Leute ein besseres Feedback für ihre Arbeit bekommen würden?

Natürlich! Ein Beispiel: Ich habe mal eine Unterrichtsstunde in einer Schulklasse für Problemkinder gegeben. Als ich die gefragt hatte, was sie später mal werden wollen, haben total viele gesagt, sie möchten Polizisten werden. Das hat mich verwundert, weil der Beruf eines Polizisten normalerweise kein gutes Feedback bekommt. Du bist ja nicht der gute Freund und Helfer sondern eher das Bullenschwein, das andere hin und wieder schikaniert - soweit zumindest mal das gängige Klischee. Obwohl ich nur wenige Auseinandersetzungen mit der Polizei hatte, dachte ich mir trotzdem: Was sind das denn für unfreundliche Arschlöcher? Was habe ich denen denn getan, dass die so unfreundlich sind und nicht einmal die Grundregeln der Höflichkeit beherrschen? Das hat mich verwundert. Und ich glaube, dass das daran liegt, dass man diesen Job nicht so hoch schätzt und sich das dann in deren Verhalten widerspiegelt. Kann aber auch sein, dass das an der Stadt liegt und auf dem Land anders abläuft.

Mit Sicherheit. Auf dem Land ist man nicht so anonym wie in der Stadt. Hier kennt sich ja keiner mehr.

Das stimmt, ja. Nicht mal die Leute die in einem Haus leben grüßen sich. Aber das Problem ist doch, dass man keine Achtung mehr vor solchen Berufen hat. Wieso bekommt ein Schreiner, der ja durch seine Arbeit die Welt ein bisschen besser macht, etwas Schönes erschafft, nicht die Wertschätzung oder den Respekt wie so ein Instagram-Blogger der die Welt kein Stück besser macht und mit seinen Fotos nur Produkte von irgendwelchen Scheiß-Firmen wirbt?

Sind das auch Themen die du in "Im Westen Nix Neues" aufgreifst?

Auch, ja. Aber ich versuche immer die große Welt aus dem Kleinen, aus dem Privaten heraus zu erklären. Weil wenn ich jetzt sagen würde, dass es da draußen in unserer Gesellschaft ein Problem gibt, dann wäre das zu weit weg, nicht greifbar. Aber ein Problem ist dann für dich als Mensch relevant, wenn das bei dir Zuhause stattfindet oder in deinem Umfeld. Einige Songs behandeln auch meine privaten, familiären Probleme. Die sind darauf zurückzuführen, dass das Gedankenmodell von einer bestimmten Beziehung, einer Partnerschaft, überholt ist und bei mir eben nicht tragbar ist. Man kennt das ja aus Disney-Filmen: Der Prinz erobert die Prinzessin und es gibt ein Happy End. Es gibt diese Serie, "The Wire", die es schafft, an einer kleinen Straßenecke die Probleme der Welt sichtbar zu machen. So etwas schaffen Künstler auch im Theater. Wenn man mal Shakespeare als Beispiel nehmen will, schafft er das ja auch krass große Probleme auf zwei oder drei Protagonisten zu reduzieren.

Ein Song auf dem Album ist direkt an meine Tochter adressiert und heißt "Die Füllung Vom Kissen". Darin geht es um Wahrheit. Man lügt Kinder ja ständig an. Du erzählst ihnen, es gäbe einen Weihnachtsmann. Das ist eine klare Lüge. Oder ein anderes Beispiel: Angenommen du hast finanzielle Probleme und dein Kind fragt dich, ob alles in Ordnung sei, lügst du es an und sagst es sei alles prima. Du sagst nicht die Wahrheit. Und das musst du auch nicht. Das Kind ist eingelullt von Unwahrheiten und wir tun das auch gerne. Wir betten uns gerne auf Kissen, das ist die Metapher in dem Song, ohne zu wissen was in dem Kissen steckt. Wir ziehen einen weichen Bezug darüber, waschen ihn mit unserem Lieblings-Waschmittel, schlafen seelenruhig darauf und merken gar nicht, was für Leichen wir da im Keller liegen haben.

"Ich bin in einem sehr linken, 68er Umfeld groß geworden."

Ein anderer Song, der mir sehr positiv im Gedächtnis hängen blieb, war "Schornsteine". Du kritisierst darin die deutsche Rüstungs-Industrie.

Ganz viele Nationen machen das aber nicht anders: England, U.S.A, Frankreich. Ich habe es jetzt auf Deutschland bezogen, weil wir ja immer so stolz sind auf unsere Marken. Fahr mal nach Japan und erzähle, dass du aus Deutschland kommst. Da fallen sofort so Stichwörter wie Oliver Bierhoff, Mercedes-Benz, Porsche. Und du denkst dir dann, ja man, genau, das sind wir. Ist ja auch eine schöne Sache. Aber keiner würde auf die Idee kommen und sagen Heckler & Koch oder Leopard-Panzer. "Deutsche Waffen, deutsches Geld, morden mit in aller Welt". Das ist so ein 80er Jahre-Spruch. Ich bin ja in so einem sehr linken, 68er Umfeld groß geworden und ich würde mich politisch ins sehr linke Spektrum verorten. Das Thema um die Waffen ist sehr kompliziert. Auf der einen Seite der Welt schlägt eine Kugel in einem Kopf ein. Diese Kugel wurde in Deutschland gefertigt, von jemandem der Familie hat, Steuern bezahlt, Kinder in den Kindergarten bringt, Ehe-Probleme hat und der Lebensstandard von diesem Arbeiter wird erkauft mit dem Tod oder dem Leid von anderen Leuten auf der Welt. Das will er aber nicht sehen. Ich wollte aber zeigen, dass der eine Teil mit dem anderen verbunden ist. Der Song steht da dazwischen. Was wollen wir in Deutschland? Wir wollen dass es keine Arbeitslosigkeit gibt, wir wollen Fabriken, wir wollen dass das hier ein Technologie-Standort ist. Selbst eine Waffenfabrik filtert ihr Abwasser. Das ist es was ich in dem Song zeigen wollte. In der zweiten Strophe kommt ein Pilot zum Sprechen, der stolz darauf ist, was er für eine Arbeit leistet. Der ist genauso stolz wie ein Zahntechniker, der die filigransten Mikroplastiken erstellt, obwohl er eine Rakete in ein Dorf abschießt. Ich finde, das ist ein Song über Täter. Aber das ist ein Song über Täter die sich nicht als Täter begreifen.

Das ist auf jeden Fall ein bewegender Track. Vielleicht auch deshalb, weil so ein Thema nur sehr wenige ansprechen.

Das hörst du leider von fast gar niemandem. Ich hatte überlegt, ein Feature mit auf den Song zu nehmen. Das wäre ein kurdischer Rapper gewesen, Kurdo, um seine Sicht am Ende dazu zu stellen.
Die Peschmerga wurden ja beliefert mit deutschen Waffen. Dann war es aber auch so gewesen, dass Deutschland die alten NVA-Panzer an Erdogan gab, der sie im Einsatz gegen die Kurden verwendet. Das heißt du hast auf pikante Art und Weise auf beiden Seiten deutsche Waffen die gegeneinander kämpfen. Das ist ein unheimlich kompliziertes Thema.

Das ist es tatsächlich. Aber mal was anderes: Ich bin heute Morgen auf deinem Facebook-Profil rumgesurft ...

(Unterbricht) Ich stelle mich da sehr unklug, ungelenk und dumm an (grinst). Aber ich sehe mich halt nicht als Marktschreier, oder als jemand, der subversiv seine Produkte den Leuten aufschummeln will. Ich mach halt meine Musik, hau' die raus und wenn sie jemandem gefällt, dann freue ich mich darüber. Und wenn sich jemand mit den Themen auseinandersetzt, um so besser.

Ich frage deshalb, weil ich einen Kommentar von dir sauwitzig fand: Da hatte jemand die Schrägstriche in einigen deiner Songs als Hipster-Scheiße abgetan und deine Antwort darauf war: Ich mag dein Halstuch.

Ja, ich erinnere mich. Das ist doch unglaublich, wie kann eine Schreibweise denn Hipster-Scheiße sein? Weißt du was Hipster-Scheiße ist? Das inflationäre Benutzen von griechischen Buchstaben wo sie überhaupt gar keinen Sinn machen. Da wird jemand wie ich, der griechisch kann, richtig erbost darüber. Wie kann man denn so etwas jetzt reininterpretieren? Das ist doch nicht dem sein Ernst?

Also ich fands witzig. Und es zeigt ja auch, dass du Kommentare offensichtlich liest.

Ja, ab und an mal mach ich das. Ist ja auch witzig. Da schreibt mir dann einer und meint, deine alte Musik war echt geil, aber dein neues Zeug ist einfach nicht mehr so cool. Da denke ich mir, du bist 14 Jahre alt, "Kompass Ohne Norden" ist drei Jahre alt und meine neue Musik kommt erst im Januar, die kennst du noch gar nicht. Aber trotzdem polemisiert der da im Internet, einfach nur um was gesagt zu haben. Es gibt ja kaum einen Mittelweg im Internet. Entweder sie finden dich total scheiße oder sie wollen dich sofort heiraten. Es gibt nur Extreme im Internet und kein Mittelmaß. ( kurze Pause)

Speaking of Dani Fromm... (lacht). Wird Dani Fromm die Kritik vom Album schreiben?

Nein, die darf ich machen. Die Dani hat stets versucht, deine Platten anderen Schreiberlingen anzudrehen. Nur eben die Porno-Platte landete auf ihrem Schreibtisch.

Naja dann freue ich mich mal auf deine zwei von fünf Punkten oder was auch immer ihr da vergebt (lacht).

Eine Frage habe ich noch: Eine gute Freundin von mir hört dich schon sehr lange und war schon zu Prinz Porno-Zeiten Fan von dir. Aus Stuttgart kommend will sie nun wissen, was du gegen die Stadt hast. In "Donnerwetter" rappst du nämlich: "als ich Stuttgart erschuf ist meine Hand kurz verrutscht."

Ich habe gar nichts gegen Stuttgart. Aber die Stadt liegt in einem Talkessel und es ist eigentlich sehr ungünstig wie die da so liegt, wenn man an Smog und Abgase denkt. Wenn man auf die Landkarte schaut könnte man meinen, Stuttgart sei ein bisschen verrutscht. Das ist eigentlich alles was ich damit sagen wollte.

Du meinst also mehr die geografische Lage?

Ja, genau. Aber lustig, dass sie danach fragt.

Alles klar, ich denke das wars. Danke dir für deine Zeit.

Ich hab zu danken. Das war ein schönes Interview. Das erste schöne Interview auf laut.de ever seit Dani Fromm in unseren Backstage gebrochen hat (lacht). Ich weiß gar nicht, ob sie wirklich gebrochen hat, aber sie war halt richtig am Randalieren.

Sie war am Randalieren? Ich kenne sie als sehr friedfertige Person.

Ey, die kam da halt so an, es war ganz nett aber irgendwann war die so besoffen und meinte: "ich hab jetzt kein Bock mehr Mann, interviewe dich doch einfach selber, ich kann gar nicht mehr reden", oder irgendwie so.

Aber du hast das doch gut gelöst. Ich fand das sehr witzig wie du dich selbst interviewt hast.

Ja so war das, richtig? Das war das Eigen-Interview! Für mich war das krass, weil ich zusammen mit K.I.Z. und Kollegah zum ersten Mal so auf einer großen Tour war. Das war das erste richtige Ding, bei dem wir angefangen haben, in die weite Welt hinauszukommen. Ich hatte damals mein erstes Juice-Cover. Und dann kommt eben das laut.de-Interview und für mich war das wie ein Ritterschlag, dass mich jetzt auch die seriöse Musikpresse wahrnimmt und nicht nur so Hip Hop-Leute. Und dann entpuppt sich das halt als so etwas und ich war so neeeiiiin.

Die seriöse Musikpresse war in diesem Fall völlig besoffen?!

Sozusagen ja. Das hat meine Welt ins Wanken gebracht. Das hat natürlich mein Verhältnis zu dem Presse-Organ nachhaltig verändert.

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