laut.de-Kritik

Schnörkellos, persönlich, mitreißend.

Review von

Rag'n'Bone Man war eine der großen Entdeckungen des Jahres 2016. Mit seinem Riesenhit "Human" katapultierte sich der tätowierte Koloss mit dem tiefen Organ über Nacht ins Rampenlicht. Fünf Jahre später hat der britische Shootingstar nun die üblichen Rockstar-Geschichten im Gepäck. Lange Zeit feierte Rag'n'Bone Man die Feste wie sie fielen. Die gesammelten Konsequenzen aus einer Zeit im Überfluss verarbeitet der Sänger nun auf seinem zweiten Album "Life By Misadventure".

Es beginnt mit zartem Vogelgezwitscher und einem halbakustischen Singer/Songwriter-Opener für seinen dreijährigen Sohn Reuben. Die Stimme des Urhebers präsentiert sich fragil und verletzlich. Eine schöne Melodie kreist um die Faszination für Glühwürmchen ("Fireflies").

Auch der zweite Song beginnt mit gezupften Gitarrenakkorden und dem Klang einer Stimme, die zwischen Freud und Leid hin und her pendelt ("Breath In Me"). Das Leben in Saus und Braus hat den Stimmbändern nicht geschadet. Trotz der vielen Klang-Zuarbeiten von Nashville-Sternen und Sternchen wie beispielsweise Mike Elizondo (Eminem, Fiona Apple), Daru Jones (Jack White) und Many Welvoin (Prince) präsentiert sich der Sound schnörkellos, transparent und zu keiner Zeit überladen.

Die intensivierte Zusammenarbeit mit externen Songwritern bringt den Sänger in seiner Entwicklung weiter nach vorne. Die aufwühlenden Zeilen, in denen sich Verzweiflung, Angst, Wut, Schmerz, Trauer und Hoffnung auf Augenhöhe begegnen, passen perfekt zum melancholischen Sound. Aber auch auf der Überholspur nimmt der Soul-Gigant kein Blatt vor den Mund.

Umgeben von flotten Retroklängen prangert Rag'n'Bone Man den Ist-Zustand seiner Heimatstadt London an ("All You Ever Wanted"). Die knarzige Apokalypse-Hymne "Crossfire" thematisiert flächendeckende Gleichgültigkeit. Und mit reichlich Blues, Funk und noch mehr Soul im Tank geht es unbelehrbaren Kerlen an den Kragen, die sich nicht eingestehen wollen, dass man als Mann auch Gefühle zeigen darf ("Somewhere Along The Way").

Die größten Spuren hinterlässt Rag'n'Bone Man aber nach wie vor im handgemachten Slowdown-Bereich, wo sich auch Kollegen wie Bruce Springsteen und Everlast am wohlsten fühlen. Die sich steigernde Dynamik des Ohrwurms "Alone" lässt den Hörer auch Stunden später nicht los. Und die schluchzende Dramatik im Song "Lightyears" sorgt für Gänsehaut – immer und immer wieder.

Dass sich das in den vergangenen Wochen medial so übervermarktete vermeintlich wertvollste Albumjuwel am Ende ziemlich weit hinten anstellen muss, verdeutlicht noch einmal die Qualität, die der Name Rag'n'Bone Man mittlerweile garantiert. Ein Rag'n'Bone Man braucht keine Pink um zu glänzen ("Anyway Away From Here"). Der große, tätowierte Mann mit der faszinierenden Stimme braucht nur sich, seine Geschichten und ein paar Musikanten im Hintergrund, die auf hohem Niveau abliefern.

Trackliste

  1. 1. Fireflies
  2. 2. Breath In Me
  3. 3. Fall In Love Again
  4. 4. Talking To Myself
  5. 5. Anywhere Away From Here (feat Pink)
  6. 6. Alone
  7. 7. Crossfire
  8. 8. All You Ever Wanted
  9. 9. Changing Of The Guard
  10. 10. Somewhere Along The Way
  11. 11. Time Will Only Tell
  12. 12. Lightyears
  13. 13. Party's Over
  14. 14. Old Habits
  15. 15. Anywhere Away From Here

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