laut.de-Kritik
Metzelfantasien wechseln sich mit kleinlauter Schwermut ab.
Review von Dominik Lippe"Er kam bei dem alten Friedhof an. Es war ruhig, nicht einmal die Vögel hörte man zwitschern", trägt Schwartz mit sonorer Erzählstimme vor. "Ein Schwarzer Tag (Intro)" wirft die Hörerschaft direkt ins Geschehen und weckt die Hoffnung auf eine zusammenhängende Geschichte. "Hier ließen sie ihn in Frieden. Hierhin kamen sie nicht - die anderen. Sie trauten sich nicht an diesen Ort", führt er mit Raum für Interpretationen weiter aus, während im Hintergrund ein kalter Wind vorbeizieht. Der Protagonist findet schließlich einen Walkman, auf dem er sich "Aus Liebe Zum Hass" von Rako anhört.
"Ich bin Psycho, ich bin Killer, wenn ich komme, dann fließt Blut", gibt "Psychopathic Lunatic" die geläufige Stoßrichtung des mordgierigen Psychokore zum Memphis-Sound vor. Im Team von Hirntot Records nimmt Rako eine ähnliche Stellung ein wie Sa4 bei der 187 Strassenbande. Neben den überdreht extrovertierten Kollegen klingt er selbst im Blutrausch noch so besonnen, als erledigte er nebenbei die etwas lästige Steuererklärung. Zumindest im Vergleich zu Schwartz wirkt der maskierte "Totengräber" regelrecht gesittet, wenn er zu einem Instrumental des Wahnsinns die Sterbeglocke schlägt.
Es hatte schon einen gewissen Beigeschmack, als Rako wenige Monate nach Beginn der russischen Invasion das "Panzer Tape, Vol. 2" veröffentlichte. Blokkmonsta legt noch einen drauf. "Der Panzer rollt und das nicht nur, wenn der Russe kommt", verpasst er dem schrillen "Blutfontänenregen" eine deutlich zu hohe Dosis Realität. Dann doch lieber den randalierenden King Kong im Kofferraum transportieren ("Bang Bang") oder vor Dämonen Reißaus nehmen ("Renn"). Krächzende Krähen ziehen dazu ihre Kreise über dem rutschigen Asphalt: "Die Straßen sind blutig und voller Gewalt."
Besagte Gassen liegen in "Süd-Berlin". "Mach' ein Schritt in meine Gegend, doch sei besser vorsichtig", warnt er Außenstehende, die sich in seinen Ortsteil verirren. Zum zitternd-blubbernden Instrumental von Scoofy Beatz fährt Rako alle erdenklichen Gangsterrap-Versatzstücke auf. Die Waffe liege "unterm Vordersitz", Kugeln fliegen durch die "Neighborhood" und vor Gericht schweigen die Zeugen. In seiner Interpretation herrschen in Lankwitz statt Gentrifizierung dieselben Bedingungen wie im Compton der 1990er Jahre, die er ironischerweise nostalgisch einfasst.
Rückwärtsgewandt wirkt der Rapper insbesondere auf "Savage". Schon auf "Rako" pochte er auf die Werte seiner Kultur. "Was ich hier mache, das ist echter Rap-Shit. Du nennst dich Hip Hop, doch bist nicht berechtigt", knurrt er seine Playlisten-Kollegen an, während Krypta Beatz mit großer Ernsthaftigkeit für Klavierbegleitung sorgt: "Wer ist real? Kleiner Tipp: Ihr seid es nicht. Denn ihr bringt nur die Kultur aus dem Gleichgewicht." Das irritiert vor allem deshalb, weil er selbst die ungeschriebenen Rap-Regeln ausdehnt. Rako ist nicht der deutsche KRS-One. Und Rap entstand nicht auf Friedhöfen.
Nah am Zeitgeist bewegt er sich wiederum beim Thema Mental Health. "Depression und Suizid, das ist hier der Lifestyle", beklagt er zwischen Trap-Beat und Autotune-Hook in "Fick Die Welt". An die merkwürdigste Mischung wagt er sich in "Bitte Töte Mich". "Traurig bin ich chronisch, fröhlich nur ironisch. Selbst meine Mutter fragt mich, was ständig mit mir los ist. Es ist komisch, denn ich weiß, dass mein Lachen nur gespielt ist. Doch wie soll ich sonst kaschieren, dass mir alles zu viel ist?", trägt er verstörend emotionslos über ein elektronisches Dancefloor-Instrumental von Scoofy Beatz vor.
Die letzten drei Remixe bieten überschaubaren Mehrwert, auch wenn "Bang Bang (Frantic Remix)" mit einem nocturnen Instrumental aufwartet, das die "rappende Killermaschine" zu beschatten scheint. In Summe vermittelt das Album jedoch einen zu uneinheitlichen Eindruck. Schon "Rako" schwankte stark zwischen manischen und depressiven Phase. "Aus Liebe Zum Hass" schreitet nach dem vielversprechenden Intro inhaltlich erneut zu breit gefächert voran. Metzelfantasien wechseln sich mit kleinlauter Schwermut ab, was Rako dann mit dem unangemessenen Branding 'Real Rap' versieht.
1 Kommentar mit 6 Antworten
Wie viele 16-jährige Edgelords gibt es eigentlich, dass die ein ganzes Label finanzieren können?
Homer: 7!
nein, dad. das ist eine rhetorische frage.
8!
Ich besitze tatsächlich das ein oder andere Hirntot-Album. Mochte den Independent-Flair und unterstütze gerne Kunst, die anders sein will. Was aber nicht heißt, dass ich diese Musik in allen Facetten für gelungen halte. Aber Horrorcore-Rap finde ich in vielen Bereichen viel zu plakativ und direkt, dass ich es meistens eher komisch finde.
Was macht eigentlich Kralle?
@ cooler Typ:
9!