laut.de-Kritik

Proeuropäischer Folk Noir für Nick Cave- und Leonard Cohen-Fans.

Review von

"In Luxemburg wächst man mehrsprachig auf. Wir haben drei Amtssprachen, und viele andere Sprachen sind Teil unseres Alltags. Wir haben über vierzig Prozent Ausländer. Ich sehe mich deshalb primär auch als Europäer, dann erst als Luxemburger", so Jerome Reuter, Vordenker von Rome, im Brustton tiefer Überzeugung. Entsprechend beschäftigt sich das neue Album "Le Ceneri Di Heliodoro" in mehreren Sprachen mit der politischen und gesellschaftlichen Situation Europas. Das künstlerische Ergebnis bietet herausragende Qualitäten in dunkelsten Klangfarben.

Nennen wir es Folk Noir, Chanson Noir, Post-Folk, Neofolk oder eine Art Gothic-Singer/Songwriter? Würde alles zutreffen - und gäbe doch nur Fragmente preis. Mit Reuters gedimmten Timbre, schroffen Samples, rhythmmischen Kerben und großen Melodien erschaffen Rome eine Textur, deren Sinnlichkeit man schon beim ersten Hören erliegt. Hinzukommt der philosophische Ansatz, gespickt mit intellektuellen Anspielungen, deren Gesamtheit sich erst beim vollständigen Eintauchen erschließt.

Am Ende der Addition steht eine Art komplexer Eingängigkeit in Form eines Mosaiks aus vielen Klängen und Zeilen. Dies alles gilt es, im Hinterkopf zu haben, wenn Slogans à la "Immer wieder kampfbereit!" ertönen. Denn obwohl die Akustik durchaus angetan ist, Freunde von Death In Junes zu ihrer "But What Ends When The Symbols Shatter"/"Rose Clouds Of Holocaust"-Phase oder Sol Invictus-Apologeten zu entzücken, beinhaltet Reuters prägnante Darstellung nationalistischer, faschistoider und angstschürender Tendenzen natürlich keinerlei tumbe Provokation oder rückwärtsgewandte Koketterie der üblichen Verdächtigen. "Ich denke in der Tat, dass einige Menschen mittlerweile etwas zu leichtfertig mit gewissen Symbolen umgehen."

Die Platte entlarvt stattdessen wie Laibach, atmet Leidenschaft wie David Tibets Current 93 und verströmt erhabene Finsternis zwischen Brel, Cohen und Cave. Damit gelingt Rome das Kunststück, sich wohltuend vom Szeneplaneten fern zu halten, um simultan ethisch wie humanistisch eine echte Vorbildfunktion einzunehmen. In Ermangelung musikalischer Limitierung erblüht die songwriterische Meisterklasse vollends.

So liegt die Stärke der Platte letzten Endes darin, jenseits aller Lyrics einfach nur als einnehmend ästhetisches Kleinod zu glänzen. Stücke wie "A New Unfolding", "Who Only Europe Know", "Feinberührung" oder "Black Crane" schmeicheln sich lässig in die Ohrmuschel, um dort scharfe Krallen auszufahren, zu verharren, zu hypnotisieren.

Das ist ebenso konseqent wie folgerichtig, denn Romes erklärtes Ziel besteht nicht darin, zu spalten, sondern unterschiedlichste Geister an einem Tisch zu vereinen. Am Ende gilt für uns alle ohnehin nur eine eherne Gewissheit: "Well you die if you worry, die if you don't".

Trackliste

  1. 1. Sacra Entrata
  2. 2. A New Unfolding
  3. 3. Who Only Europe Know
  4. 4. The West Knows Best
  5. 5. Feinberührung
  6. 6. Fliegen Wie Vögel
  7. 7. One Lion’s Roar
  8. 8. Black Crane
  9. 9. La Fin D’Un Monde
  10. 10. The Legion Of Rome
  11. 11. Uropia O Morte
  12. 12. Desinvolture

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LAUT.DE-PORTRÄT Rome

Der luxemburgische Musiker Jérôme Reuter besitzt vor der Gründung seines Hauptprojektes Rome 2005 schon Erfahrung in lokalen Punkbands und als Schauspieler.

5 Kommentare mit 30 Antworten

  • Vor 5 Jahren

    giele rezi. ich höre mal rein. Kennen Sie eigentlich "Death in Rome"? :koks:

    • Vor 5 Jahren

      herr torque? sind Sie es, sie altes monster? das sind ja mittlerweile mehr inkarnationen als bei vishnu.

      death in rome......hm...death in rome. klar kenne ich die. mit denen habe ich ein problem. die durchschimmernde nähe zur ib ist das eine. das andere ist die zerstörng einer guten idee.

      denn es wäre so schön gewesen, einfach mal welthits auf neofolk zu bürsten, gäbe es nicht diese bewusste verknüpfung mit bildmaterial, welche den zusammenhang mindestens in deutlich zweifelhafte richtugen ändert.

      die douglas-hommage im bandnamen finde ich auch anmaßend. letzterer machte immerhin ne tour durch israel (und die lassen keinen antisemiten ein). wohingegen d.i.r. anscheinend auf effekthascherei im millieu zielen.

      ich halte mich da lieber an die gegenbewegung a la jewdriver oder tyske ludder mit ihren moshe dajan-vids.

    • Vor 5 Jahren

      "barbie girl" zb wäre ne schicke pointe, so man sich im kontext über die täter lustig machen würde und über neonazis. es müffelt aber stark nach opferverhöhnng.

    • Vor 5 Jahren

      na wenn man den armen Torque immer bannt. :(

    • Vor 5 Jahren

      Dieser Kommentar wurde vor 3 Jahren durch den Autor entfernt.

    • Vor 5 Jahren

      Dieser Kommentar wurde vor 5 Jahren durch den Autor entfernt.

    • Vor 5 Jahren

      hehe schon klar. ihr hantiert mit trüben doppeldeutigkeiten wie etwa dem klaus barbie-konterfei bei "barbie girl", setzt euch damit kritik aus. und wenn die dann kommt, sind die monierenden stimmen "schwinger der nazikeule"....oh come on...

    • Vor 5 Jahren

      Dieser Kommentar wurde vor 3 Jahren durch den Autor entfernt.

    • Vor 5 Jahren

      danke für die antwort. auch für das weitgehend sachliche entgegnen.

      ich nehme euch das persönlich ab. d siehst ja auch anhand der rezi, dass ich dem genre durchaus zugetqan bin.

      mein problem ist ein anderes und zwar der empfängerhorizont. deine ausführngen mögen stimmen, doch sie sind für den durchschnittlichen hörer nicht erkennbar.

      das überlagernd erzeugte bild baut doch auf der doppeldeutigkeit der pointe "i'm a barbie girl", die sich aus dem pic ergibt. da denkt doch niemand an cia oder bnd oder feminismus. es bleibt der schenkelklopfer für den eisern bekreuzten stammtisch übrig.

      an dieser dominanz des effekts kommt man nicht vorbei. das liegt ja nicht daran, dass der empfänger dämlich oder böswillig wäre.

      auch ist es keine verurteilung. es ist kritik. ich fordere ja kein verbot oder so. aber gegenfrage:; wie glaubst du, wirkt so eine konstruktion auf jüdische bürger oder nachfahren von naziopfern? denken die "oh ja, schicker seitenhieb auf die cia!" ? oder empfinden die eher unbehagen ob der doppeldeutigen ebene?

      positive beispiele: nimm doch nur laibach oder current 93. erstere haben grandiose "schöner lachen über nazi und totalitäre!"-momente erschaffen mittels stilistischer überidentifikation.

      current 93 hingegen nutzen das swastika auch provokant, betten es aber in den erkennbaren zusammenhang marke hinduisms ein.

      ergo: ich halte euer konzept für grandios, befürchte jedoch, dass ihr damit lete ansprecht, denen an historischer relativierung gelegen ist.

    • Vor 5 Jahren

      Sehr geil. Der erste Kommentar hier von "Death In Rome" (der mit der signierten CD) hat den Anwalt zu 100% bestätigt.
      Sehr schön wenn der Schleier so bereitwillig selbst von der hässlichen Fratze gerissen wird.

    • Vor 5 Jahren

      Dieser Kommentar wurde vor 3 Jahren durch den Autor entfernt.

    • Vor 3 Jahren

      schöne Grüße an Alle!

  • Vor 5 Jahren

    Starkes Album. Mich irriterte aber zunächst die Zeilen
    "And who will hail our brothers slayers
    Who will hail the invading men?"
    aus "Why only Europe know"

  • Vor 5 Jahren

    Bin großer Fan seit ungefähr 10 Jahren und habe die stetige Weiterentwicklung von Jeromes Musik begeistert aufgenommen. Mit diesem Album stagniert er für mich aber auf sehr hohem Niveau. Es gibt wie zu erwarten wieder tolle Songs, aber das ganz große Aha bleibt für mich bisher aus, alles kommt einem bekannt vor. Andererseits gab's schon öfters Veröffentlichungen von Rome, die ich eher als Grower bezeichnen würde (Hell Money, Coriolan, Hall Of Thatch). Hier öfters als einmal zu hören lohnt bei der inhaltlichen und musikalischen Tiefe sowieso. Live ist er nach wie vor eine Wucht und wer die Vorgängeralben noch nicht kennt, wird hier eh hin und weg sein.

    • Vor 5 Jahren

      das grower-argument passt perfekt. gilt m.E. nach auch für nahez jede rome-scheibe.

      eine stagnation sehe ich nicht. im gegenteil. gerade weil er im gegensatz zu manch früherem track auf extras wie trompete etc verzichtet und musikalisch ein nahezu lupenreines genrealbum serviert, kommt der schlag gegen fiese und gen rechtsextremismus strebende strömungen sogar noch deutlicher zum ausdruck.

      damit befördert er death in rome und konsorten in jenes hmanistische abseits, dass sie verdienen und rettet die musikrichtung und deren teils betörende ästhetik vor mordor.

    • Vor 5 Jahren

      Dieser Kommentar wurde vor 5 Jahren durch den Autor entfernt.

    • Vor 5 Jahren

      "gerade weil er im gegensatz zu manch früherem track auf extras wie trompete etc verzichtet und musikalisch ein nahezu lupenreines genrealbum serviert, kommt der schlag gegen fiese und gen rechtsextremismus strebende strömungen sogar noch deutlicher zum ausdruck."

      Finde ich ja diesmal nicht, weil alles viel zu nett gemacht klingt und gerade deswegen unbeeindruckt am Ohr vorbeiplätschert. Von der treibenden Energie von "Hall Of Thatch" bleibt ohnehin nicht mehr viel übrig auf dem Werk.

    • Vor 5 Jahren

      hehe, versteh ich aus deiner sicht. wenn man die "thatch" als quasi ultimative messlatte heranzieht, kann einem mancher moment wie tüdelkram vorkommen. verlässt man diesen blickwinkel jedoch, zeigt sich, dass reuter hier einfach mehr den liedermacher-anteil, den folkanteil betont. simpler ja, aber eben nicht oberflächlicher als "thatch". so zumindest empfinde ich das.

    • Vor 5 Jahren

      Ungeschlagen in der Rome-Diskographie sind für mich immer noch die Veröffentlichungen von der Berlin EP bis zur Hell Money. Ich empfinde die ersten Alben, allen voran Masse Mensch Material, einfach als musikalisch und lyrisch tiefgründiger. Der Sound ist introvertierter, irgendwo im Spannungsfeld von Neofolk, Dark Ambient und Industrial-Klangcollagen und in seiner melancholischen und nostalgischen Düsternis speziell und einzigartig. Die vorwiegend kryptische Lyrik beschäftigt mich auch nach jahrelangem regelmäßigem Hören immer wieder, man muss sich die Alben regelrecht erarbeiten. Das meiste was danach kam, besonders die Aesthetik Trilogie, empfand ich dann immer als einen Hauch zu überambitioniert und streckenweise auch plakativer. Hinzu kommt noch, dass mir die Gestaltung der Platten seit dem Wechsel zum Label Trisol meistens gar nicht mehr zusagt. Vor allem Hyperion Machine hat ein wirklich grausames Coverdesign, passend zur restlichen Belegschaft des Labels. Der Wechsel zu Trisol war wahrscheinlich aus vertriebswirtschaftlichen Gründen nachvollziehbar, nur leider findet sich Rome dort in der Gesellschaft einiger ziemlich kindischer Grufti- und Cyberkapellen mit illustren Veröffentlichungen à la "Arschloch EP". Rome auf Trisol ist ungefähr so, als wenn McDonalds jetzt plötzlich auch Haute Cuisine anbieten würde. Dennoch meckere ich hier auf sehr hohem Niveau, denn wirklich gute Songs kann Jerome nach wie vor schreiben und er überragt immer noch das meiste an Neofolk das ich bisher gehört habe.

    • Vor 5 Jahren

      da hätten wir ne schöne pro/kontra-rezi machen können.

  • Vor 5 Jahren

    Ich hör lieber King Dude,

    • Vor 5 Jahren

      Dieser Kommentar wurde vor 5 Jahren durch den Autor entfernt.

    • Vor 5 Jahren

      Jein. Die letzte Platte war leidr eine ziemliche Enttäuschung.

    • Vor 5 Jahren

      Die fand ich ziemlich gut. Vor allem Velvet Rope.

    • Vor 5 Jahren

      Finde, dass die postpunkigere Ausrichtung dem Dude nicht gut steht, aber eventuell gönne ich der Platte nochmal eine Chance. "Hall Of Thatch" von Rome kann ich trotzdem sehr empfehlen. Lehnt sich nämlich vom Sound deutlich an King Dude an, nur mit etwas mehr Swans-Härte versehen.

    • Vor 5 Jahren

      Werd ihn mir nächsten Monat auch live ansehen. Also Rome.

    • Vor 5 Jahren

      Berlin eventuell, wenn ich Zeit habe.

    • Vor 5 Jahren

      ich persönlich mag king dude. hab ich zwei mal live gesehen. einmal dieses jahr, einmal 2016. das aktuelle albung ist allerdings auch nicht meins aber es nicht soo schlecht wie es geredet wird. dem dude seine zuhörerschaft hat sich ja zu 88% überwiegend aus (schwarz)metallern rekrutiert und bei denen ist er sehr in ungnade gefallen mit seinen statements zur taake bzw destroyer666 tour in den staten. luziferanischer safespace für alle und so. daher jetzt auch, sehr einfallsreich, "cuck dude" demnach wird, zumindest in der BM-szene, schlechter gemacht als es eigentlich ist.
      Aus dem bereich des alternativen country/folk würde ich persönlich die aktuelle goddamn gallows und die aktuelle those poor bastards empfehlen. allerdings ist das bisweilen roidig und sperrig. Das gefällt nicht jedem dieser eher femininen neuvölkischen knabenfreunde

    • Vor 5 Jahren

      Jo satanic du alter, ungewaschener Zausel! #gromky ist der Channel!

    • Vor 2 Jahren

      king dude is eh der beste!

  • Vor einem Jahr

    Klingt tatsächlich wie ein Nichtmuttersprachler, der versucht nach Nick Cave zu klingen. Und zwar sehr, sehr unbedingt. Inklusive dem schönen Männerchor, den die Bad Seeds oft abgegeben haben. Musikalisch durchaus sehr versiert, textlich bedeutungsschwanger und interpretationssicher. Aber irgendwie passt das alles für mich nicht wirklich zusammen. Vielleicht muss ich noch mehr ins Werk reinhören, was aber an sich kein gutes Zeichen ist.