laut.de-Kritik
Emotionales Debüt des Lo-Fi-House-Pioniers.
Review von Maximilian FritzWie sollte man einen Text über Ross From Friends anders beginnen, als auf seine Wurzeln in der Lo-Fi-House-Szene zu verweisen? Konsequenter und beeindruckender als mit "Family Portrait" kann das Lossagen von der nur zu gerne in vorgefertigte Schubladen gepackten Strömung kaum stattfinden.
Auf zwölf Tracks und über 53 Minuten Spielzeit liefert Felix Weatherall ein Albumdebüt, das vor Ideenreichtum, Variabilität und Eigenwilligkeit nur so strotzt - ohne, dass er dabei seine Herangehensweise an die Musikproduktion grundlegend ändern würde. Monatelang habe er einzelne Tracks und deren Arrangements perfektioniert, wie das PR-Blatt behauptet.
Davon zeugt bereits das vertrackte Intro "Happy Birthday Nick", das den Soundkosmos Ross From Friends mit fast schon greifbarer, hallender Elektronik, Sample-Fetzen und ohne Beatstruktur abbildet. Die Überleitung zum ersten vollwertigen Track "Thank God I'm A Lizard" vollzieht sich nahtlos. Eine flüsternde Frauenstimme gibt den Takt vor, ehe Synthesizer und schließlich Kickdrum das Album vollends starten.
Noch während desselben Tracks steigen und fallen Spannungsbögen, etliche Spielereien und Effekte prägen das Klangbild, das dennoch stets kühl und keineswegs überfrachtet wirkt. Dafür zeichnet auch Weatheralls multiinstrumentaler Ansatz verantwortlich: Gitarren, Bläser und Klavier ordnen sich zwar dem poppigen House-Primat unter, sorgen aber für einen selten erreichten Abwechslungsreichtum.
Dazu kommen geschickt platzierte Interludes wie in "Wear Me Down", in dem weibliche Vocals dominieren. In etwas mehr als fünf Minuten wird die Melodie mehrmals dekonstruiert und wieder zusammengesetzt.
Der Vorab-Release "Project Cybersyn" besticht mit weichen Claps, die ein unnachgiebiger Rhythmus und surreale Synthesizer-Spuren kontrastieren. Die auf Dauer doch etwas schiefe Melodie retten hier verschiedenste Effekte, die das Klangbild ähnlich dem Ideenreichtum Makeness stetig auffrischen.
Den Kern des Albums bilden die beiden anschließenden Stücke: "Family Portrait" setzt auf einen gemächlicheren Breakbeat und schlägt nachdenklichere Töne an, die ein Sample im Stile Boards Of Canada garniert. Das traumhafte "Pale Blue Dot" sollte man am besten mit dem zugehörigen Video konsumieren, das die Europareisen von Weatheralls Eltern - Stichwort: Family Portrait - mit einem selbstgebauten Soundsystem und die damit einhergehenden Partys dokumentiert.
Auch in der zweiten Hälfte überzeugt die LP, was insbesondere am krautigen Ambient-Exkurs "Back Into Space" und dem elegischen "R.A.T.S." liegt, das, getragen von einem traumhaften Beat, eine einzigartige Mischung aus Melancholie und Euphorie serviert. "Don't Wake Dad" lässt sich aufgrund seiner sanften Keyboard-Anschläge mit der ein oder anderen Vondelpark-Nummer assoziieren. Der passend betitelte Closer "The Beginning" wendet sich mit verzerrten Samples dann nochmals an die Endorphin-Rezeptoren.
"Family Portrait" endet damit auf einer hohen Note, was perfekt zum Album passt. Keiner der zwölf Tracks fällt wirklich ab. Ross From Friends wechselt spielerisch zwischen verschiedenen Beatschemata und kreiert trotz großflächig fehlender Vocals eine extrem eingängige und vor allem emotionale Hörerfahrung, die House mit einer absolut verträglichen Prise Pop mischt.
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