laut.de-Kritik
Solche Leichtigkeit findet man selten im Jazz.
Review von Sven Kabelitz"Ich liebe diese Jungs! Sie haben eine andere Perspektive – offen wie eine warme Umarmung. Oder wie ein hungriger Mund. Oder ein leeres Grab", schwärmt der britische Jazz-Multi-Instrumentalist Fred Frith über die Schweizer Rusconi. "Fred ist wie eine Katze. Er landete bei unseren wildesten musikalischen Eskapaden immer sanft auf den Pfoten", gibt Schlagzeuger Strüby das Kompliment zurück.
Tatsächlich steckt viel Wahrheit in Friths Beobachtung. Die drei Freigeister aus Zürich lernten ihn während der Aufnahmen an "History Sugar Dream" kennen. Vieles unterscheidet sie von unzähligen Genre-Kollegen. Das Rusconi-Kollektiv umgibt eine spielerische Anarchie, indem es ohne weiteres Einflüsse von Miles Davis, Sonic Youth und Aphex Twin verbindet. Zu viert liefern sie nun live sechs imposante Improvisationen zwischen Free Jazz, Avantgarde, Blues, Noise Rock und groovendem Pop-Funk: ein Album voller Überraschungen.
Frith, der auf "Live In Europa" zur Gitarre greift, schraubt die Intensität noch ein Stück nach oben. "Tempelhof" ("Revolution") liegt zeitweise zuckend am Boden, erblüht aber schon im nächsten Augenblick in funkelnden Farben. Mit einem ermunternden Pfeifen beginnend, ändert sich die Atmosphäre des Stücks kontinuierlich. Inmitten eines perlenden Grooves und niederschmetternden Klangexperimenten scheint alles erlaubt. Zwischen den von schattenlosen Harmonien und stetigem Lärm getriebenen Stefan Rusconi, Fabian Gisler und Claudio Strüby fügt sich Fred Frith ein, als sei er schon immer ein Teil dieser über viele Jahre gewachsenen Band gewesen.
Im Sonic Youth-Stück "Karen Revisted" ("It's A Sonic Life") bewegen sich Schlagzeug, Bass, Klavier und Gitarre in Wellen zueinander. Unberechenbar und sprunghaft, zwischen Komposition und Improvisation schwankend, bis der verstörende disharmonische Nichtgesang einsetzt. In "Berlin Blues" lassen die Schweizer Frith über noch rauere Klippen springen, geben ihm aber auch Raum für ungewohnt deutlichen Blues, bis das Stück weiter ausfranst und sich im Verlauf alle Möglichkeiten eröffnet.
Jegliches Verkrampfte und Verstaubte perlt von Rusconi und Fred Frith auf "Live In Europe" ab. Sie haben die musikalischen Fähigkeiten, sind kreativ, aber niemals überheblich. Ihre Musik umgibt eine Leichtigkeit, wie man sie im Jazz nur selten findet. Man hört in jeder Note, dass es ihnen schlichtweg Vergnügen bereitet und nicht um das reine Profilieren geht. Selbst in den düsteren Momenten versprühen sie mit ihrer Lust am Experiment unbändige Lebensfreude.
Noch keine Kommentare