laut.de-Kritik
Eleganter Jazz-Nachtclub mit erlesener Song-Auswahl.
Review von Artur SchulzDie Vergleiche werden kommen, also haken wir sie rasch ab: Ja, San Glaser bewegt sich in der Ecke von Norah Jones/Sophie Zelmani/Katie Melua. Sie sagt selbst dazu: "Ich rechne sogar mit Vergleichen. Und um ehrlich zu sein: Norah Jones erinnert mich und viele andere ja nun auch an Musik, die wir schon etwas länger kennen. Und mögen". Richtig erkannt. Denn es wird Dean Martin schließlich auch nicht vorgeworfen, allzu vordergründig etwa in der Nische eines Frank Sinatra oder Sammy Davis Jr. gewildert zu haben - und umgekehrt. Und was sind das für gegensätzliche Leute mit unterschiedlichsten Ergebnissen in ihren Arbeiten! Darum braucht San auch keine Scheu vor Vergleichen zu haben. Erst recht nicht, wenn sie eine solche Platte am Start hat.
Einen abwechslungsreichen Stilmix hat die aparte Holländerin für ihr Debüt eingespielt. Acht der zwölf Songs sind von ihr getextet und komponiert. San Glaser eröffnet damit einen entspannt-eleganten Nachtclub, in dem sich der Gast bereits mit dem Opener "All Of My Life" wohlfühlt. Der Aperitif aus gestopfter Trompete, perlenden Pianoklängen und samtig-modulationsreicher Stimme nimmt den Hörer sofort gefangen. Vor dem geistigen Auge taucht jene berühmte Szene aus "Die fabelhaften Baker Boys" auf, in der sich Michelle Pfeiffer lasziv im roten Kleid auf dem Klavier wälzte und damit Jeff Bridges beinahe um den Verstand brachte.
Die Song-Bar von San Glaser bleibt gut sortiert. Auf verzaubernden Harmonien schwebt "Miracles" dahin. Mit souligen Untertönen in der Stimme fordert sie danach mit jetzt angezogenem Tempo "Consequences". Nach einem gefühlvollen Gitarren-Intro bietet "We All Love The Same" relaxt dahintreibende 70ies-Funksounds. Der Titelsong "Never In Vain" wird als leichter, mit Country- und Jazzfrüchten garnierter Popcocktail gereicht.
Zurück an der Champagnerbar sind wir dann mit "The Thing Called Love". Dem eigentlich recht schläfrigen Klassiker "Theme From Mahogany" haucht sie neues Leben ein, vielleicht sogar mit dem besten Arrangement, das bislang dafür geschrieben wurde. Die etwas hausbackene Marke Rotkäppchen wandelt sich so in einen feinen, aromatisch prickelnden Krimskoje-Sekt. Von sanfter Akustikgitarre unterlegt, lässt San mit "In My Dreams" ihr gelungenes Debütalbum ausklingen. Allzu harte Longdrinks werden nicht serviert, dafür lockt die Sängerin mit verführerischen Sound- und Gesangs-Cocktails.
12 Songs und kein Ausfall darunter, das gelingt den wenigsten Künstlern. Aber San Glaser beweist gleich mit ihrem ersten Album, dass sie keine von vielen ist und führt ein breites stilistisches Spektrum vor. Sie bleibt auf Albumlänge nicht in der Barjazz-Ecke stehen, sondern würzt ihre Titel etwa mit pointierten, funkigen Grooves und punktgenauem Pianoeinsatz. Auch verspielter, filigraner Pop, verfeinert mit dezenten Folk- oder Country-Zutaten, steht auf dem Programm. Die stimmliche Wandlungsfähigkeit beeindruckt. Klingt sie meist weich und samtig, ist der Sprung in soulige Höhen für die Sängerin kein Problem. Die langjährige Bühnenerfahrung und ihre persönliche Reife geben San die Möglichkeit, gekonnt Variationsmöglichkeiten auszuspielen.
Ihre Lieder lassen nicht frösteln durch zuviel sterile Technik oder aufgesetzte Coolness, sondern laden ein zum Verweilen an einem wärmenden Song-Kaminfeuer. "Never In Vain" ist eine deutsche Produktion, die sich dank ihrer Klasse nicht hinter vergleichbaren angelsächsischen oder amerikanischen Veröffentlichungen verstecken muss. Sie reiht sich künstlerisch vielmehr in die sehr erfolgreichen Arbeiten z. B. eines Till Brönner ein. Co-Produzent Martin Langer hat bereits Soul-Crooner Stefan Gwildis zum bundesweiten Durchbruch verholfen und legt Sans Kompositionen in luftige und transparente Arrangements.
Der Besuch von San Glasers Nachtclub bedeutet keine verlorene Zeit. Mit viel Aufmerksamkeit wird der Gast hier umschmeichelt und zur regelmäßigen Einkehr verführt. Und wer lässt sich nicht gern von Charme, gepaart mit Stil und Können, becircen? Denn davon besitzt die begabte Künstlerin ein seltenes, nicht alltägliches Maß.