laut.de-Kritik
Die Johnny Cash-Werdung des ehemaligen Chartstürmers.
Review von Sven KabelitzEs liegt eine Faszination darin zu sehen, wie groß Shakin' Stevens Anfang der 1980er war und wie wenig von seinem Ruhm geblieben ist. Als spät berufenes Teenie-Idol gehörten seine Alben wie "Shaky" und "This Ole House" bis in der ersten Hälfte des Jahrzehnts zum festen Bestandteil der Charts. Im United Kingdom schaffte er es mit "Merry Christmas Everyone", "This Ole House", "Green Door" und "Oh Julie" ganze vier Mal in die Pole der Singecharts. Er verkaufte in seiner Heimat mehr Seven Inches als Blondie, The Police oder Duran Duran.
Heute spielt der in Cardiff geborene Rockabilly-Sänger keine Rolle mehr. Nicht einmal mehr in den vielen in Nostalgie suhlenden 1980er Shows. Niemand bezieht sich auf ihn. Als hätte ihn jemand aus der Musikgeschichte radiert.
Von diesem Hintergrund stellt "Re-Set" die größtmögliche Überraschung dar. Nicht nur durch die verblüffende Tatsache seiner Existenz. Noch dazu klingt hier nichts mehr so, wie man es erwartet. Zwar hatte "Echoes Of Our Times" 2016 die Weichen bereits neu gestellt, doch auf "Re-Set" bleibt nichts mehr wie früher. Hier findet sich nicht mal mehr eine Spur von Elvis.
Mit gebrochener Stimme singt der nun 75-Jährige luftgetrocknete Rock- und Blues-Nummern, die gar nicht mal so britisch klingen. Die Texte wandeln zwischen nachdenklich und sozialkritisch. Wir erleben so etwas wie Shakin' Stevens' Johnny Cash-Werdung, nur ohne Rick Rubin und mit deutlich weniger Country.
Zu den beeindruckendsten Stücken zählt die bittere Blues-Klage "Beyond The Illusion", in der er sich mit dem Schicksal der im Mittelmeer ertrinkenden Flüchtlinge auseinander setzt: "Maybe they'd find their heaven on earth / Or a hell if the dream don't come true / ... / But off they go into the darkness / Not the first and they won't be the last".
Nach der eindringlichen Ballade "George" als Opener verfügt "Not In Real Life" über eine gehörige Portion Tom Petty-Vibe. Das sich mit unserer Umweltzerstörung auseinandersetzende "Tick Tock" fällt für das wichtige Thema leider zu plump aus: "Tick tock, can you hear that clock?", singt Stevens zu wenig subtilem Rock. Wichtiges Statement, schlecht verpackt.
"All You Need Is Greed" rechnet gallig mit dem zügellosen Kapitalismus ab. Das mit einem 'Man ernet, was man sät'-Text ausgestattete "It All Comes Round" bietet dafür etwas, was man in der Musiklandschaft eher selten findet: Nachbarschaftstipps. "Treat your neighbour kindly, or reap just what you sow / And evil, like a cancer does, will eat away your soul / So break out of the cycle, yeah, that should be your aim / And if we don't change our future, then there's no one left to blame". Auch mal schön.
Längst befreit von irgendwelchen Erwartungen gelingt dem Waliser mit "Re-Set" ein nahezu durchgehend überzeugendes, tief aus seinem Herzen kommendes Werk. Der unpolierte Sound bietet ihm genau die Basis, die seine angeknackste, aber gelungen in Szene gesetzte Stimme benötigt. Dass es erst so spät in seiner Karriere erscheint, stellt den größte Fehler des Albums dar. Eine unerwartete Perle, der auch Menschen eine Chance geben sollten, die bisher beim Namen Shakin' Stevens eher die Nase rümpften.
2 Kommentare
hört sich z.T. ganz okay an, aber sorry, für seine früheren Sünden muss er einfach büßen - nicht kaufen!!!
Das Album rockt und ist in GB zurecht schon in den Top-Ten der Charts! Ebenso konnte es sich schon in anderen europäischen Ländern plazieren. Welcher Musiker hat sich nach über 50 Jahren Karriere schon selbst neu erfunden? Shaky! Mir persönlich gefällt seine 80er Jahre Musik aber trotzdem noch besser. Auch wenn diese beiden Epochen nicht wirklich miteinander vergleichbar sind. Kurzum, absoluter Kauftipp!!!