laut.de-Kritik

Die Schönheit in der Finsternis.

Review von

Musik aus einem Land, in dem der Glaube an Feen und Trolle auch in der heutigen Zeit noch zum Alltag gehört, kann ja eigentlich unmöglich langweilig, austauschbar oder gar mainstream-orientiert sein. Auch Sólstafir aus dem isländischen Reykjavik werden kaum müde, ihren Sound stets weiter zu entwickeln. Zu dem in den Anfängen dargebotenen, grimmigen und eher primitiven Black Metal gesellten sich nach und nach Einflüsse aus Post-Rock, Folk und Heavy Metal, die Alben werden vielseitiger, die auf der Agenda stehenden Beschreibungen der heimischen Landschaft immer ausschweifender.

Auf dem achten Studioalbum "Hin Helga Kvöl" finden sich zwar keine großen stilistischen Erweiterungen, wohl aber eine rückblickende Schau auf alles bereits Dagewesene mit dem sehr präsenten Gefühl, dass endlich alles genau dorthin gehört, wo es sich gerade befindet. "Das heilige Leiden", so die Übersetzung des Albumtitels aus dem Isländischen, macht seinem Namen dabei alle Ehre. Selten liegen träumerisch Melancholie und zornige Aggression so nah beieinander, noch seltener werden solche Gefühlswandlungen mit einer mitunter kaum erträglichen Coolness transportiert. Inhaltlich geht es, so Bandkopf Tryggvason, um unser aller Kampf gegen das Leiden in der Welt.

Musikalisch befinden wir uns buchstäblich auf einer aufregenden Berg- und Talfahrt, zwischen Momenten der Ruhe auf der einen und garstiger Raserei auf der anderen Seite. Den vor allem im Post-Rock allgegenwärtige Spannungsaufbau innerhalb der einzelnen Songs zelebrieren Solstafir in beinahe jedem Stück, wobei die starken Gegensätze aber auch für stete Abwechslung sorgen. Nach dem mystischen, ausladenden Opener "Hún Andar", der mit seinen leichte wavigen Post-Punk-Anleihen anfangs etwas zahm wirkt, schießt der anschließende Titeltrack aus vollen Rohren. Die kleine, aber sehr feine Rückbesinnung auf den rohen Black Metal der Anfangstage, gepaart mit erhabener Dramatik und gelegentlichen Grooves begeistert durchaus.

Die größten Momente des Albums liegen in den nahezu stadiontauglichen, trotz der spürbaren Düsternis irgendwie vitalisierend wirkenden Rocksongs wie "Blakkrakki" oder "Freygátan", die zwar auch vom Werk losgelöst für sich funktionieren, sich aber eben auch perfekt ins Konzept einfügen. Die Songs transportieren eine dramatische Stimmung, als würde der finstere Himmel aufreißen und Hoffnung in Form kräftiger Strahlen auf den nebligen Boden treffen. Reminiszenzen an Größen wie Sisters Of Mercy oder Fields Of The Nephilim lassen sich hier kaum verhehlen.

Elemente aus dem klassischen Psychedelic Rock sind im ruhigen "Sálumessa", vor allem aber im mitreißenden Midtempo-Rocker "Grýla" verbaut. Neben aller gelebten Finesse des Post-Rocks schlägt hier vor allem die Stimmgewalt von Aðalbjörn Tryggvason positiv zu Buche, die von theatralischer Dignität bis hin zu klirrend kalter Verachtung reicht. Am Ende steht das tiefgängige, dunkel glänzende "Kuml (Forspil, Sálmur, Kveðja)", ein drei-aktiger Film-Noir-Soundtrack, der mit seinem gespenstischen Saxofon und tiefen Wikingergesängen klingt wie "Careless Whisper" aus einem der neun Höllenkreise.

So ist "Hin Helga Kvöl" ein wirklich spannendes und vielseitiges Album, das geschickt zwischen Genregrenzen wandelt und mit jedem weiteren Durchlauf mehr von sich preisgibt.

Trackliste

  1. 1. Hún Andar
  2. 2. Hin Helga Kvöl
  3. 3. Blakkrakki
  4. 4. Sálumessa
  5. 5. Vor Ás
  6. 6. Freygátan
  7. 7. Grýla
  8. 8. Nú Mun Ljósið Deyja
  9. 9. Kuml (Forspil, Sálmur, Kveðja)

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2 Kommentare

  • Vor 21 Stunden

    Steffen Eggert, Du geile Sau - Ich küsse deine Augen und lecke deinen Nacken!

    Danke für die schöne Rezession, mit der ich (bislang und nach noch viel zu wenigen Durchläufen) leider noch fast kaum mitgehe, die aber hier Gelegenheit zum Austausch gibt, falls noch wer Bock hat.

    Habe gerade noch nicht Zeit und Muße, das detaillierter auszuführen, aber ich bin irgendwie enttäuscht vom Album nach dem ersten Eindruck :(

  • Gerade eben

    Bin nach mehrmaligem Hören auch enttäuscht. Ehrlich gesagt, sehr.
    Der Sound ist furchtbar matschig und Aðalbjörn Gesang zu eindimensional.
    Auch fehlt es diesmal an Ideen.
    Für mich ihr bisher schwächstes Album.
    Habe zum Vergleich mal Svartir Sandar wieder angehört. Unfassbar geil!