laut.de-Kritik
Zeitlos wie Black Sabbath und Led Zeppelin.
Review von Yan VogelSoundgarden lehnen sich von den großen Grunge-Bands am stärksten an Hardrock- und Metal-affine Spielarten an. Natürlich spiegeln die Kompositionen insbesondere in der Frühphase den jeweiligen Zeitgeist wider. Spätestens mit "Badmotorfinger" ist das Ende der Geschichte eingeläutet, sind die Weichen wie bei den großen Vorbildern Black Sabbath und Led Zeppelin auf zeitlos gestellt. Zu hoch gegriffen? Vielleicht lässt sich der Skeptiker von dieser Live-Platte umstimmen. Der 29-Song-starke Abschluss der King Animal-Tour erscheint etwas mehr als zwei Jahre nach dem Tod von Sänger Chris Cornell.
"Incessant Mace" mäandert entsprechend im schleppenden Sabbath-Groove. "I did it my wave?" Das an Frees "You Really Got Me" angelehnte Riffing mündet im Song "My Wave" in einen 5/4 Takt. Cornell greift oft zur Rhythmus-Klampfe, Kim Thayil steuert die Schmakerl an den sechs Saiten bei. Beeindruckend, wie die vier Instrumentalisten häufig polyrhythmisch und kontrapunktisch agieren und dabei trotzdem straight und zupackend klingen. Das thrashig-punkige "Jesus Christ Pose" gibt hierfür ein gutes Beispiel ab. Auch "A Thousand Days Before" geizt nicht mit Ben Sheperds Tiefton-Eskapaden und Matt Camerons tomlastigen Tribal-Einlagen.
"Been Away Too Long" spannt einen Call and Response-Part zwischen Lead-Vocals/Gitarre und der Rhythmus-Fraktion auf. Blues- und Rock'n'Roll-Attitüde geben sich hier "high five". Apropo Call and Response. Vor "Outshined" motiviert der introvertierte Cornell das Auditorium zu einem enthusiastischen Mitsing-Miteinander, bevor er in der Pose auf dem Monitor den brillanten Refrain intoniert. "Flower" atmet dagegen Gunners-Rauch und klingt wie der noch dreckigere Bruder des eh schon extrem räudigen "Paradise City".
Im hypnotischen "Taree" bleibt kein Takt wie der nächste. Die einzelnen Stimmen, instrumental wie vokal verzahnen sich zu einem faszinierenden Ganzen. Gleiches gilt für die Psychedelic-Perle "Bones Of Birds" mit seiner eindringlichen Hook. "4th Of July" und "Slaves And Buldozzers" enden in Feedback-Orgien und Jam-Exzessen.
"Spoonman" ist ein mäandernder Brocken im metrisch verqueren Gewand, dessen Riffs das perfekte Einfallstor für dynamische laut/leise Spiele geben. Darauf folgt das ähnlich vertrackte "By Crooked Steps", das trotz der 18 Jahre Unterschied zwischen "Superunknown" und "King Animal" eine symbiotische Einheit mit "Spoonman" bildet.
Das 2012er-Comeback bildet neben den Klassikern das Rückgrat des 2013 gefilmten Gigs. Aber auch auf Raritäten verzichtet die Band nicht. "Blind Dogs" verbindet dispergierende Thayil-Gitarren mit Cornells Klagegesang zu einem schwermütigen Monolith. Der Basslauf zu Beginn von "Rowing" stünde auch Tool gut zu Gesicht. "Non State Actor" oder "Ty Cobb" gehen für Soundgarden-Verhältnisse nach vorne wie ein von der Leine gelassener Maiden-Track auf der "Killers".
Noch eine Ecke aggressiver geraten "Hunted Down", "Rusty Cage" sowie "Drawing Flies" mit seiner im Nachhinein prophetischen Textzeile "I share a cigarette with negativity". Dem setzt "Black Hole Sun" noch die Dornenkrone auf. Auch mit der Powerballade "Blow Up The Outside World" oder dem "Down On The Upside"-Doppel bestehend aus dem an Nirvana erinnernden "Fell On Black Days" und dem Southern-rockigen "Burden In My Hand" sind der Weltverdrossenheit die Wege geebnet.
Spielerisch und soundtechnisch agiert die Band auf hohem Level. Das Bild ist unauffällig und Diener der jeweiligen Bandperformance. Gleiches gilt für die Lightshow. Es gibt Raum für Details durch die lange Verweildauer zwischen den Schnitten. Daraus entsteht eine sehr würdevolle Inszenierung, die sowohl Fans der ersten Stunde als auch zu spät Gekommene mitnimmt. Das Quartett enttäuscht live so gut wie nie, wovon auch die Nachlese von 2010 "Live On I-5" Zeugnis ablegt.
Cornells ergreifende Stimme zwischen minutiös ausleuchtend, markerschütternd und ergreifend prägt die diversen Solo-Veröffentlichungen, aber auch Projekte wie Temple Of The Dog und Audioslave. Man muss sich schon mehrmals beim Genießen der Aufnahme kneifen, dass dieser Gig im Wiltern Theatre in Los Angeles und dessen Konservierung so etwas wie ein Schwanengesang ist. Eine Band, die nach ihrem Mittneunziger-Zenit und vielen anschließenden Rückschlägen so auftritt wie am 17.02.2013, hat das Prädikat "Weltklasse" verdient.
4 Kommentare mit 9 Antworten
bei einem Konzert im E-werk in K war den Jungs nur eines anzumerken, eine abartige Unlust. SO was schaue och mir nächstes mal nicht mehr bis zum Ende an. Die Lust ab der Band hab ich dann auch irgenwie verloren...
Her damit.
"Zu hoch gegriffen?"
Methaphernphantasiemangel?
Geh eigentlich d'accord mit dem Review, nur bei der Einleitung stellt sich die Frage fast automatisch. Wenn Soundgarden nicht Chris Cornell in ihren Reihen gehabt hätte, würde sich die Frage nach Zeppelin u. Sabbath nie stellen. Hätte, hätte Fahradkette schon klar.
Gut klopfen wir den Vergleich mal ab, auf Inhalt. Mit ihren jeweiligen herausragenden Frontmännern Ozzy Osbourne u. Ronnie James Dio hatte Sabbath jederzeit etwas zu melden. Beim Frontmann Robert Plant von Zeppelin befindet man sich ausserhalb jeder Einordung einer Liga. Der war und ist eine eigene Liga. Gilt das für Chris auch?
Da muss ich ins Auge fassen, was hatte die Frontmänner für Unterstützung durch die anderen Bandmitglieder. Tja und da schwächelt halt Soundgarden etwas. Ein Kim Thayil ist nicht unfähig, aber mit Tony Iommi oder einem Jimmy Page kann er nicht mithalten.
Gruß Speedi
Legenden bildet man, und unterschlägt dass Iommi nicht der beste Gitarrist war und Page wesentliche Songideen nicht selbst hatte. Genauso kann man dies mit Soundgarden betreiben oder auch nicht, wie man will.
Instrumental muss sich Soundgarden vor den beiden Genannten nicht verstecken.
Bewertung geht OK. Aber auch wenn Soundgarden eine großartige Band war, so verbietet sich doch ein Vergleich mit BS und vor allem den GOAT LedZep.
Warum denn? Sind alles erfolgreiche Rockbands nur aus unterschiedlichen Jahrzehnten
Soundgarden haben nur bei sich selbst geklaut, u.a. Fell on black Days / Room thousand years wide ..... Zepp hingegen viel bei anderen:
https://www.youtube.com/watch?v=JyvLsutfI5M
https://www.youtube.com/watch?v=tiiY4ciKFQA
Superunknown und Totd höre ich noch immer gerne, keine Frage. Es bleibt nur nichts (OK, Black Hole Sun und Spoonman sind die Ausnahmen) auf lange Zeit hängen - und das ist beim Triumvirat" Led Zeppelin, Black Sabbath und Deep Purple halt anders.
Deep Purple vor allem.
Alles drei unfassbare Langweiler, ma sagen!
Wenn man halt irgendwie Jahrzehnte in der Vergangenheit lebt und einen Discman für den letzten Schrei hält, dann kann man sowas schon noch fieren, ja...
*feiern