laut.de-Kritik

Der Altmeister mixt wieder House-Beats unter alten Blues.

Review von

Kann mal irgendjemand das Geheimnis lüften, in welchem Loch dieser Typ in den letzten 15 Jahren verschwunden ist? Mit "Boulevard" und "Tourist" warf der Franzose zwei wunderbar fluffige Werke auf den Markt, die in ihrer Schwoofigkeit ihresgleichen suchten und dann kam einfach nichts mehr. Zumindest nichts Zählbares im Album-Format. Jahrein jahraus fragte man sich, wo er denn steckt und was er so tut. Und auf einmal ist er wieder da, der Ludovic, der Schlingel. Und macht einfach da weiter, wo er aufgehört hat. Nach seiner Hommage an den Jazz auf dem Vorgänger knöpft er sich nun den Blues in all seinen Variationen vor.

Der Opener und vorab als Anheizer veröffentlichte "Real Blues" gibt thematisch schon die Richtung vor, in die die Fahrt über das Album hinweg geht. Blues versteht Ludovic Navarre in seiner ursprünglichen Form. Vocal-Samples von Lightnin' Hopkins verpassen der ursprünglich klingenden Nummer einen tollen Dreh. Der Gesang vermischt sich mit sanftem Gitarren-Geknödel und soften House-Beats zu einer unaufdringlichen, aber dennoch einnehmenden Melange. Keine Ahnung, wovon die Dame da singt, es klingt aber sehr passend und stimmig.

Im weiteren Verlauf integriert Navarre traditionelle Instrumente wie die Kora, Balafon oder die aus Mali stammende N'Goni und indigenen Gesang in seinen Mix. Wie auch immer die Tracks zustande kamen, es tönt alles sehr organisch und natürlich. Eine Nummer wie "Hanky-Panky" besitzt sogar so etwas wie Jam-Charakter. Wenn über den monotonen Beat diverse Saiteninstrumente um die Wette fiedeln, kann man das Grinsen auf den Gesichtern der Beteiligten vor dem inneren Auge fast schon sehen.

Der Lebendigkeit im Sound steht das Coverartwork diametral entgegen. Das Gesicht des Musikers zu einer Maske verewigt, die im Sand zu verschwinden scheint. Das Artwork stammt vom Pariser Street Artist Gregos, der in Städten auf der ganzen Welt sein Gesicht als Maske hinterlässt. Auf Wänden, Mülleimern oder sonstwo. Im Gegensatz zum Künstler, der seine Fratze oft humorig in Schilder einbaut, wirkt Navarre hier ein wenig wie ein Toter.

Einen wirklichen Hit, der sich in den Vordergrund spielt, hat St. Germain nicht auf der Pfanne. Das Album fließt und groovt in seiner Gesamtheit vor sich hin und nimmt den Hörer mit warmen Rhythmen und verspielten Melodien ein. Der ganz große Wurf ist das selbstbetitelte Comeback dann zwar nicht geworden, aber eine runde Sache. Bleibt nur zu hoffen, dass sich der Herr nicht wieder 15 Jahre Zeit lässt, bis er uns mit neuer Musik beehrt.

Trackliste

  1. 1. Real Blues
  2. 2. Sittin' Here
  3. 3. Hanky-Panky
  4. 4. Voilà
  5. 5. Family Tree
  6. 6. How Dare You
  7. 7. Mary L.
  8. 8. Forget Me Not

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1 Kommentar

  • Vor 9 Jahren

    Bin ehrlich gesagt ziemlich entsetzt, wie gut das Album geworden ist, da so viele Jahren vergangen sind. Tourist ist definitiv ein Meilenstein der elektronischen Musik, aber der Boom-Bap, In-your-face House-Jazz kann einem auch auf die Eier gehen. Da finde ich es umso beeindruckender, dass auf St Germain die House-Trademarks fast ganz vergessen wurden. Außerdem muss ich eingestehen, dass der World Music Sound einfach besser passt. Album hat keine Aussetzer und alle Hi-Hats, beeps und Malischen Instrumente werden an der richtigen Stelle abgefeuert. 4/5 mind.