laut.de-Kritik
Klingt zu sehr nach In Extremo.
Review von Michael EdeleCorvus Corax und ihr Nebenprojekt Tanzwut waren noch nie dafür bekannt, leise zu treten und Understatement zu betreiben. Große Töne spucken war da schon immer angesagt. Wenn man sich ansieht/anhört, was sie mit "Cantus Buranus" geleistet haben durchaus zu Recht.
Mit dem Album "Schattenreiter" sieht die Sache ein wenig anders aus. Der Opener und Titeltrack kommt als schnelle Nummer mit einigen Industrial-Anleihen daher. Das lässt sich durchaus hören und ist ähnlich gefällig wie das mit Breakbeats versehene "Der Arzt", das sich textlich mit dem Schönheitswahn befasst, dabei aber nicht wirklich auf den Punkt kommt. Das darauf folgende "Im Tiefen Gras" ist mit seinem Surfgitarren-Sound aus den Fünfzigern dann aber eine richtig coole Sache.
Zum Thema 'Voll in die Hose' fällt mir spontan das völlig belanglose "Endlich" ein. Das Stück klingt einfach nur pseudohart und geht ziemlich auf den Sack; hat was von gewollt, aber nicht gekonnt. Der Chorus geht zwar einigermaßen in Ordnung, aber genau wie das die CD I abschließende "Immer Noch" (bei dem auch Schandmaul teilnehmen dürfen), klingt das zu sehr nach In Extremo. Ein wenig arg trantütig singt sich der Backgroundchor durch "Dein Zweites Gesicht" und auch "Geisterstunde" vermag mit seinem primitiven, monotonen Riff nicht zu begeistern.
Was ist nur los mit den Jungs? Waren bei "Cantus Buranus" nicht mehr genügend brauchbare Ideen für Tanzwut übrig? "Schattenreiter klingt wie ein unnötiger Schnellschuss. Zu allem Überfluss erscheint das Package dann auch noch als Doppel-CD. Wenigstens "Spieler" und "Seelenverkäufer" fallen unter die Kategorie 'brauchbar', was aber schon fast einer Beleidigung gleichkommt. Ein Glück setzt da CD II zwei gleich ganz anders ein.
Nach einem Orgelintro wagen sich die Berliner an Johan Sebastian Bachs "Toccata" und machen aus dem ohnehin schon bewegenden Stück eine richtige Abgehnummer. Mit "Der Bote" fällt die Stimmungskurve aber dann gleich wieder nach unten ab. Es ist unüberhörbar, dass Tanzwut mit den üblichen Gitarren-Elektro-Rockern ziemlich an ihre Grenzen gestoßen sind. Da reißen auch die Dudelsäcke nicht mehr viel raus.
"Versuchung" könnte genauso gut von Umbra Et Imago stammen, was weniger als Kompliment zu verstehen ist. Auf der Habenseite verbuchen sie wenigstens das sehr tanzbare "Vulkan" und das stimmungsvolle "Kaltes Grauen". Auch das folgende "Du Sagst" ist musikalisch nicht schlecht, aber der Marilyn Manson-Touch ist unüberhörbar. Zum Ende hin beweisen die Jungs schließlich doch noch einmal, dass sie etwas zu bieten haben. "Am Riff" schallt vollkommen ungezwungen und mit einem ordentlichen Groove durch die Speaker und auch "Gefangen" setzt zumindest auf gute Melodien und treibt ordentlich an.
Das instrumentale "Signum Ignitum" ist abschließend nicht mehr als ok und allein der Video-Track ist vielleicht noch für Fans interessant, fällt aber sonst auch unter den Bereich 'belanglos'. So wichtig Corvus Corax für die musikalische Landschaft sind, so entbehrlich sind Tanzwut mit einer Veröffentlichung wie dieser.
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