laut.de-Kritik

Linzer Storytelling in gewohnter Qualität.

Review von

"Es ist wahr, ich pass' nicht mehr ins Game. Was ihr hier hört, ist unser letzter Schrei." Waaas? Bitte, was soll das bedeuten? Erwägt da etwa eine meiner favorisierten Alpenrap-Truppen den Rückzug aufs Altenteil? So nicht, meine Herren. Nicht mit mir. Wer eine derart gediegene Mischung aus altersweiser Abgeklärtheit, Scharfsicht und erquicklicher Rotzigkeit serviert, dem wird die Option des Handtuchwerfens schlicht nicht zugebilligt.

Das wäre ja auch noch schöner. Was soll aus der ohnehin schon kopflosen Jugend werden, überließen die Könner auf dem Parkett selbiges kampflos den gestressten Entertainern? Jetzt aber mal Schluss hier mit der Schwarzmalerei: "Ihr meint, wir hätten den Zenit schon überschritten / Weil wir keine Zeilen über Knarren, Koks und Titten spitten?" Solches kratzt bei Texta glücklicherweise niemanden. Hier, das verspricht bereits der Titeltrack, hat man glasklar erkannt: Es gibt Wichtigeres als ein Fickt-Euch-Lied. "Wir bieten euch Paroli, auch wenn morgen schon die Bombe hochgeht."

Ein Versprechen, das über die volle Longplayer-Distanz eingehalten wird. Texta präsentieren sich einmal mehr als Geschichtenerzähler deluxe. Ob sie über persönliche Befindlichkeiten schwadronieren, den Zustand des mittlerweile bereits mehrfach (und stets vergebens) totgesagten Lieblings-Genres Hip Hop analysieren oder größere politische Zusammenhänge sezieren - scheißegal. was die Crew aus Linz zu sagen hat, hör' ich mir auch dann noch gerne an, wenn zum gefühlt hundertsten Mal das Bild eines Boxkampfes aus der Mottenkiste gezogen wird ("Die Faust").

"Wenn der Inhalt nicht stimmt, ist das Argument unbrauchbar." Dieser Gefahr setzen sich Texta zu keinem Zeitpunkt aus. Die Botschaft stimmt und kommt, entsprechend den eigenen Ansprüchen, ohne moralisierend erhobenen Zeigefinger aus und überhaupt erfrischend unmissionarisch daher. Alles andere wäre angesichts der spöttischen Ohrfeige, die sich religiöse Eiferer im angemessen sakral angehauchten "Um Gottes Willen" abholen dürfen, ein Schuss ins Knie gewesen. "Wir könnten Schlumpfmusik machen, damit's den Majors in den Kram passt." Texta passiert das nicht.

Fast entfährt einem ein "Gott sei Dank" - insbesondere auch ob der anbetungswürdigen musikalischen Vielfalt. Tracks wie "Paroli" oder "Weltpolizist" entwickeln sich nach nahezu zartem Einstieg zu wuchtigen Kopfnicker-Nummern. "Überflüssig" erfreut mit unüberhörbarem Reggae-Einschlag über dubbigem Bass, während "Pause Für Rebellen" eine einzige Huldigung an die Oldschool-Veteranen von Public Enemy darstellt.

"(So Schnö Kaust Gor Net) Schaun!" in Zusammenarbeit mit Attwenger glänzt mit exquisiten Drums. Der relaxte Groove von "Ups & Downs" entfaltet sich dafür wieder vor einem souligen Hintergrund: Wer sich hier langweilt, trägt wahrhaftig selbst die Schuld.

Geschickt um die Stimmen herumarrangiert wirken die Beats etwa in "So Könnt's Gehen" oder "Kein Problem": reduziert und frei von unnötigem Firlefanz. Auch hier scheint der selbsterstellten Vorgabe Genüge getan: "Es ist Zeit, wegzuschmeißen, was überflüssig ist." In "Kein Problem", das als Bonus-Track übrigens in einer vergnüglichen Mundart-Fassung nachgeliefert wird, greift Nikitaman mit zum Mikrofon.

Nicht hundertprozentig glücklich bin ich im Grunde nur mit der Wahl des Beats zu "Zeit": Hier hätte ein etwas treibenderer, hektischer Unterbau der Thematik besser entsprochen. Abgesehen davon hätte ich mir ein wenig mehr Bergsprache gewünscht - doch derart enttäuschte Spezialvorlieben entstellen den hervorragenden Gesamteindruck noch nicht einmal unwesentlich.

Nachdem in "Der Letzte Schrei" - "'Halt's Maul, Deutschland!' steht auf meinem Lieblings-T-Shirt" - verdientermaßen die Rapszene des Nachbarlandes (Huch! Das ist ja die unsere!) abgewatscht wurde, fängt "Morgengrauen" die unwirkliche Stimmung am Ende einer durchfeierten Nacht ein. Wenn es schon wieder langsam hell wird und es dann heißt, das sei nun das sechste Album gewesen, doch "das siebente kommt auch noch" ... dann geht doch wahrhaftig die Sonne auf.

Trackliste

  1. 1. Paroli
  2. 2. Überflüssig
  3. 3. So Könnt's Gehen
  4. 4. Pause Für Rebellen
  5. 5. Kein Problem ft. Nikitaman
  6. 6. Um Gottes Willen
  7. 7. Ups & Downs ft. Wenzel Washington
  8. 8. Benedikt Walter Interlude
  9. 9. Zeit
  10. 10. (So Schnö Kaust Gor Net) Schaun! ft. Attwenger
  11. 11. Weltpolizist
  12. 12. Die Faust
  13. 13. Jugend Ohne Kopf
  14. 14. The Greatest Interlude
  15. 15. The Greatest Story
  16. 16. Der Letzte Schrei
  17. 17. Morgengrauen
  18. 18. Ka Problem

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