Porträt

laut.de-Biographie

Thaiboy Digital

Stockholm klingt nach vielem, aber nicht unbedingt nach einer Hochburg für experimentellen Hip Hop. Aber wie der Schein trügen kann: Am Anfang der 2010er kommen hier zwei Hip Hop-Crews zusammen, die gerade auf dem eingeebneten Feld der Raplandschaft nach der Ära Soulja Boy und Lil B stehen. Diese zwei Crews machen im selben Atemzug wie Future und Young Thug den Hip Hop der Zukunft, der von A$AP Rocky bis Travis Scott die Rap-Hipster der Dekade beeinflussen wird.

Thaiboy Digital - Legendary Member Aktuelles Album
Thaiboy Digital Legendary Member
Cloudrap oder: Wo furchtbare Vocals alles richtig machen.

Diese Crews sind die inzwischen mehr als ikonische Sad Boys-Formation um Yung Lean und Yung Gud. Und da sind noch die Jungs, die erst Smög Boys heißen, dann Gravity Boys und schließlich als Drain Gang in die Geschichte der Hip Hop-Obskuritäten eingeht. Während Yung Lean schon bald minderen Pop-Ikonen-Status erreicht, halten Thaiboy Digital, Ecco2k und Bladee Stockholm weird mit Ausrufezeichen.

Wo Einflüsse aus allen Herren Genres zusammenkommen, gibt es Spannendes zu entdecken. Wie viele der neuen Trap-Avantgarde interessieren sich Lean und Bladee für Indie und Klassiker, für die Crystal Castles oder MGMT. Thaiboy hält als Gegengewicht stand: Er involviert Einflüsse aus Trance, Jungle und House in den aufkeimenden Cloud Rap. 2013 und 2014 verstreichen und Stockholms stimmverzerrteste Weirdos gewinnen Profil.

Und gerade, als alles so wunderbar zu laufen scheint, erhält der frisch 18 gewordene Thaiboy Digital einen schicksalhaften Anruf. Da er nun volljährig sei und seine schutzbefohlene Mutter, die zehn Jahre zuvor für einen Küchenjob bei der österreichischen Botschaft von Bangkok losgezogen war, schon lange nicht mehr in Schweden lebe, muss auch er das Land verlassen. Eine Abschiebung, auf die Thaiboy gar nicht vorbereitet sein kann, ist er doch seit seinem achten Lebensjahr in Schweden sozialisiert und findet gerade dort Erfolg.

Doch er nimmt das Schicksal, wie es kommt. Noch bevor er das Land verlassen muss, nimmt er sein Debut-Mixtape "Tiger" auf, das vor allem auf Frustration und emotionalem Outlet basiert. Es ist Rap an der absoluten Grenze zum Nicht-Rap. Und doch birgt es seinen großen Hit: "Diamonds" mit Yung Lean wird ein unverzichtbarer Cloud Rap-Staple und sammelt Clicks in zweistelliger Millionenhöhe. In Bangkok fühlt er sich indes unwillkommen und fehl am Platz, während seine Freunde doch die Welt touren und immer weiter an ihrer Vision schrauben.

Thaiboy verlässt die neue alte Heimat bei jeder Gelegenheit. Mit Lean geht er auf seine amerikanische "Warlord"-Tour, die Drain Gang kommt ihn sogar mehrmals in Bangkok besuchen. Dort machen sie Songs über Songs, verziehen sich auf Inseln, feiern in Clubs. Resultate gibt es gleich zwei: 2019 veröffentlichen sie den behäbigen Drain Gang-Sampler "Trash Island" und im selben Atemzug Thaiboys Debutalbum "Legendary Member".

Es ist eine Geschichte des globalisierten Hip Hops. Und eine der wenigen Geschichten, in der die Rapmusik außerhalb Amerikas nicht nur selbst aufblüht, sondern das Mutterland selbst rückwirkend ein wenig beeinflusst. Ein Unikum, denn bisher gab außer dem Reggaeton- und Dancehall-Wirbel durch Artists wie Bad Bunny oder Wizkid wenig Hip Hop-Strom, der weg vom Zentrum Amerika ging. Und auch wenn der Einfluss von Yung Lean und seinen Zeitgenossen inzwischen historisch nur noch rudimentär zwischen Lil B und Future zu spüren ist, waren sie doch alle da: Yung Gud, Yung Sherman, Whitearmor, Bladee, Ecco2k und Thaiboy Digital haben ihre Spuren am großen Ganzen hinterlassen.

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