laut.de-Kritik
Die Countrypopper funktionieren auch ohne Waylon.
Review von Kai ButterweckAls Waylon im Mai 2014 seinen Common Linnets-Ausstieg bekannt gab, ging ein Raunen des Entsetzens durch die Reihen der Anhängerschaft. Nach der kometenhaften Sturm-und-Drang-Phase, in der die Band so ziemlich jeden Freund puristischer Countrypop-Klänge um den Finger wickelten, schien die niederländische Erfolgsstory bereits nach einem Jahr wieder zu Ende zu sein. Doch statt die Flinte ins Korn zu werfen und sich wieder auf ihre Solo-Aktivitäten zu konzentrieren, verabschiedete sich Sängerin Ilse DeLange gemeinsam mit ihren Bandkollegen in Richtung Nashville, um den Debüt-Nachfolger in Form zu gießen. Das dort entstandene Klangpaket trägt den simplen Titel "II". Und um es vorweg zu nehmen: The Common Linnets funktionieren auch ohne Waylon.
Schon während des Einstiegs beeindrucken die ESC-Zweitplatzierten aus dem Jahr 2014 mit ausgeklügeltem Songwriting und dem Gespür für Melodien fernab der Masse ("We Don't Make The Wind Blow"). Der warme Americana-Sound tut sein Übriges, sodass sich bereits der Beginn einen wohlverdienten Applaus abholt.
Auch in der Folge gelingt es der Band, ihre europäischen Wurzeln mit zartbesaiteter Wildwest-Attitüde zu kreuzen, ohne dabei in Kitsch zu versinken. Mit pointierten Erinnerungen an vergangene Highlights von Bands wie Fleetwood Mac, Crowded House und Smokie, überspringen die Common Linnets jede sich vor ihnen auftürmende Klischeehürde mit einem lockeren Grinsen im Gesicht ("That Part", "Hearts On Fire", "As If Only").
Das niederländisch-amerikanische Quartett, das hier und da von Branchenikonen wie Jerry Douglas und Paul Franklin unterstützt wird, erfindet das Countrypop-Rad zwar nicht neu. Aber im Vergleich zu all dem überproduzierten Nashville-Mumpitz, der dieser Tage ins Freie gelangt, hievt sich das meiste Material auf "II" fast schon auf Champions League-Niveau.
Selbst die obligatorischen Balladen, die vielen Produktionen aus der Szene sonst meist den endgültigen Todesstoß versetzen, kuscheln sich befreit von jeglichen Krümeln watteweich in die Gehörgänge ("Dust Of Oklahoma", "Proud"). So gibts am Ende nichts zu meckern. Wer auf kantenfreien Countrypop ohne Standardschmalz und übermäßigen Zuckerguss steht, dem sei das zweite Studiowerk von Ilse DeLange und Co. wärmstens ans Herz gelegt.
1 Kommentar
Ich fand das Album zunächst durchschnittlich bis gut, nach Ansehen der beiliegenden DVD fand ich es wirklich richtig gut! Man sieht den Musikern an, wie seriös sie an die Sache herangehen (z.B. im Vergleich zu den fast vergessenen Texas Lightning) und wie sie sich als einzelne tolle Musiker zu einem Ganzen zusammenfügen. "Soho Waltz", bei dem Jake Etheridge die Hauptstimme singt, ist neben dem Mini-Hit "We don't make the wind blow" mein Favorit. An die Ausstrahlung von Waylon kommt letztlich aber bestenfalls Etheridge ran. JB Meijers, der ein großartiger Songwriter ist und auch für das fantastische Album "See You On The Ice" von Carice van Houten mitverantwortlich ist, sieht man leider nicht so gerne zu, wenn er mit Ilse "Calm after the storm" singt. Von mir aber knappe 4/5!