15. Juli 2002
"Zum ersten Mal glaube ich, dass wir wirklich gut sind!"
Interview geführt von Martin MengeleVor dem Konzert auf dem Zillo Festival zwackte Sänger Robert Smith zehn Minuten seiner kostbaren Zeit für ein Sechs-Augen-Gespräch mit LAUT ab. Ob der Mann neben Fußball auch am Internet Interesse hat, und wie er es derzeit mit dem Dauerthema "The Cure und die Zukunft" hält, lest ihr hier.
Hi Robert. Du bist doch ein großer Fußballfan. Wo hast du den World Cup angeschaut?
Ich habe jedes einzelne Spiel daheim angeschaut, habe also den ganzen Juni daheim verbracht. Einfach perfekt. Sowas habe ich seit fünf Jahren nicht mehr gemacht. Für die "besonderen" Spiele kamen ein paar Kumpels (lacht) - natürlich meine ich die England-Spiele. Und auch zu ein paar von den Irland-Spielen. Das ist dann teilweise schrecklich ausgeartet. Wir haben die ganze Nacht durchgezecht und uns dann morgens die England-Spiele angeschaut. Danach sind wir alle ins Bett gefallen.
Ihr spielt gerade diese Festivaltour ohne irgendwelche Plattenreleases im Vorfeld. Verspürst du manchmal dieses Verlangen, von zu Hause ausbrechen zu müssen, weil dich das "normale Leben" langweilt?
(zögert) Nun, so etwas wurde mir nachgesagt. Und es ist schon was Wahres dran. Aber ich glaube, das ist einfach etwas, was wir seit 15 Jahren so machen. Wir entschließen uns einfach, ein paar Festivals zu spielen. In der Vergangenheit fanden solche Aktionen zwar immer im Zusammenhang mit einer Plattenveröffentlichung statt. Dieses Mal ging es aber einfach nur um den Spaß an der Sache. Wir haben kürzlich ein paar Demos aufgenommen, hatten aber aus verschiedenen Gründen noch keine Zeit, sie abzumischen. So haben wir uns gedacht, noch einmal ein paar unserer alten Songs live zu spielen, weil wir in Zukunft vielleicht nicht mehr so oft dazu kommen.
Es ist meine Art, einen bestimmten Abschnitt von The Cure abzuschließen, bevor wir mit etwas Neuem beginnen. Was auch immer wir in Zukunft machen werden, es wird in einem anderen Umfeld geschehen und andere Leute sind dann darin involviert. Wir sind nicht einmal mehr bei unserem alten Label. Es sieht so aus, als müssten wir uns für die neuen Demos eine völlig neuartige Bühnenshow ausdenken. Ich weiß zwar nicht, wie viele Songs wir davon heute oder morgen spielen werden, geschweige denn, welche es auf unser neues Album schaffen werden.
Aber um nochmal auf deine Frage zurück zu kommen: Es geht uns dieses Mal einfach nur um den Spaß. Und wir treffen immer so viele nette Leute, wie z.B. Wayne (Hussey, Sänger von The Mission, Anm. d. Red., allgemeines spöttisches Lachen).
Ich versuche immer etwas früher auf dem Festivalgelände zu sein, um vor dem Gig noch mit ein paar Leuten abzuhängen. Vorgestern haben wir z.B. Orbital getroffen, das war ziemlich nett. Es ist einfach ein entspannteres Gefühl. Und jedes Mal, wenn wir auf die Bühne gehen, ist da viel mehr Enthusiasmus dahinter, als sonst, weil wir eben nicht wirklich "auf Tour" sind. Wir fahren zwischendurch heim für vier Tage und wenn wir dann wieder zurück kommen, dann sind wir alle total aufgeregt, wieder auf der Bühne stehen zu dürfen.
Werden die Demos, über die du gerade gesprochen hast, auch auf dem neuen Album zu hören sein?
Ja, definitiv. Wir befinden uns jetzt in einer witzigen Situation. Ich habe nämlich gerade meinen Krempel für mein Soloalbum fertig gekriegt. Da habe ich jetzt schon 18 Monate dran rumgewerkelt. Aber ich habe es noch nicht abgemischt. Gleichzeitig habe ich begonnen, neues Material für The Cure aufzunehmen. Ich weiß noch nicht, wo das hinführen wird. Vielleicht werden wir ein neues Cure-Album aufnehmen und mein Soloalbum ist dann als kostenlose Bonusplatte mit dabei.
Ich glaube, wenn ich mit meinem eigenen Soloding anfange, dann kostet mich das ein Jahr meines Lebens und ich bin mir nicht sicher, ob ich das so will. Weißt du, ich bin wirklich froh, wieder mit der Band zusammen zu sein. Ich genieße die Gegenwart der Jungs, wann immer es möglich ist. Ich hätte es lieber, wenn The Cure ein neues Album aufnehmen würden, und mein Soloprojekt würde noch zurückgestellt. Andererseits muss ich das Teil ja irgendwie promoten, wenn es rauskommt. Und eigentlich bin ich ziemlich selbstbewusst, was dieses Projekt angeht.
Wenn The Cure ein neues Album rausbringt, ist das nicht so schwer, es ist einfach ein Abschnitt in der Bandgeschichte, mit all den Dingen, die dem vorausgingen. Am liebsten wäre es mir, wenn meine Soloplatte mit der neuen Cure-Platte zusammen herauskommt, so ähnlich wie beim Greatest Hits-Album und der Akustik-CD. Dann ist sie halt raus und die Leute können sich drüber beschweren. Wenn sie sie dann alle scheiße finden, dann ist das egal und sie können sie einfach wegschmeißen (lacht).
Wie würdest du dein Soloprojekt beschreiben?
Es ist sehr atmosphärisch, aber gleichzeitig auch sehr elektronisch. Das neue Cure-Zeug ist unglaublich heavy. Schon fast Heavy Rock. Das sind zwei total verschiedene Sachen. Aber ich spiele immer noch lieber zusammen mit der Band, als alleine Musik zu machen.
Für die Greatest Hits-Platte hast du zusammen mit Saffron von Republica ein Duett aufgenommen. Würdest du gerne auch mit anderen Künstlern etwas ähnliches machen?
Saffron wurde mir von einem gemeinsamen Bekannten empfohlen. Ich hab sie auch schon ein paar Mal getroffen und mir gedacht, dass so eine Zusammenarbeit ein interessantes Experiment wäre. Es hat dann auch viel Spaß gemacht. Als ich mit der Arbeit an meinem Soloalbum anfing, hatte ich schon eine Liste mit Leuten zusammengestellt, die ich gerne dabei gehabt hätte. Aber das kann sich immer noch ergeben, weil ich es noch nicht abgemischt habe. Ich habe gerade mit Earl Slick einen Song aufgenommen, dem Gitarristen von Bowie. Während wir ein paar Demos aufgenommen haben, hat er die Gitarre auf "A Forest" mit uns gespielt und es war einfach fantastisch, diesen Typen Cure-Songs spielen zu hören. Das war schon ein cooles Erlebnis.
Die Möglichkeit, dass wir im Rahmen von The Cure in Zukunft öfter solche Kollaborationen eingehen, ist ziemlich groß. Ich spüre, dass der Sound der Band sehr stark gereift ist. Zum ersten Mal glaube ich, dass wir wirklich gut sind. Ich glaube, die "Bloodflowers-Tour" hat uns in diesem Lineup zu einer ganz guten Truppe gemacht. Und deshalb fände ich es sehr angenehm, andere Leute einzuladen, um mit uns zusammen zu spielen. Ich glaube, das würde ziemlich gut klappen. Wir werden sehen.
Aber um noch mal auf deine Frage zurück zu kommen, es gäbe da nicht viele Leute, mit denen ich gerne mal singen würde. Und deshalb fiel die Wahl auf Saffron auch nicht zufällig. Als ich sie das erste Mal traf, war ich eher zurückhaltend, aber als ich dann mit ihr quatschte, fanden wir heraus, dass wir in der gleichen Gegend aufgewachsen sind. OK, sie ist viel jünger als ich, aber sie ist nur fünf Meilen von mir entfernt aufgewachsen, kennt die gleichen Leute und hat früher in den selben Pubs gesoffen wie ich. Wir haben gemerkt, das wir viel gemeinsam haben. Sie ist eine sehr selbstbewusste und lebensbejahende Persönlichkeit und hat deshalb keine Schwierigkeiten mit mir. Die meisten Leute, die ich mag, sind aber eher Jammerlappen und wenn ich mit denen dann in einem Raum zusammen bin, dann wird es schrecklich (lacht).
Weißt du schon, auf welchem Label die neue Platte rauskommen wird?
Nein, wir haben uns noch für keine Firma entschieden. Wir hatten aber ein paar Angebote ...
Aber sie wird nicht ausschließlich im Internet veröffentlicht?
(zögert) Ja und Nein. Wir haben mit ein paar Firmen gesprochen, die hauptsächlich auf dem Internetvertrieb basieren. Das sind keine Plattenfirmen im herkömmlichen Sinne. Sie haben sich speziell aufs Internet ausgelegt und sind aber trotzdem vertraglich mit den traditionellen Labels verbunden. Das ist eine ziemlich interessante Sache und wir haben schon eine besondere Firma im Auge. Wir wollten die Platte ursprünglich selbst rausbringen, aber das ist einfach zu viel Arbeit. Ich meine, wir als The Cure hatten noch nie ein Imperium (lacht).
Es ist einfach nur eine Band. Und die Platte selbst zu veröffentlichen, würde bedeuten, wir müssten ein Büro aufmachen und Leute einstellen und ich würde wahnsinnig werden mit dem ganzen Business-Quatsch. So etwas interessiert mich nicht wirklich. Falls wir jedoch eine Plattenfirma finden sollten, die unsere Situation versteht, dass wir fast die letzten 25 Jahre bei einem Majorlabel gesignt waren und eine derartige Beziehung nicht mehr wollen, dann könnte sich schon etwas ergeben. Sogar Fiction Records (Roberts ehemalige Plattenfirma, Anm. d. Red.) als Independentlabel wurde immer von Universal und Elektra dreingeredet. Also war Ficition auch nicht independent - keine Firma ist heute noch wirklich "independent" (lacht).
Ein Label, das viele Künstler unter sich vereinigt, hat den Vorteil, dass es mehr Schutz bieten kann. Wenn Fiction nur uns als Künstler hat, dann kann uns das Label weniger Schutz bieten, sobald wir weniger Platten verkaufen. Wenn wir ein Label finden könnten, das vier oder fünf Künstler unter sich hat, die auch wir mögen, dann findet man besser zusammen und hat miteinander eine größere Stimme. Es gibt zwei Labels die nach dem eben gesagten für uns in Frage kämen. Vielleicht machen wir das auch, mal sehen.
Das wichtigste in meinem Alter ist jetzt, mit Leuten zusammen zu arbeiten, mit denen ich auskomme - wisst ihr, die sind alle jünger als ich (allgemeines Lachen). Das ist mein Problem mit den Majorlabels. Die Abteilungsleiter sind alle weit jünger als ich und sie sagen mir, was ich zu tun und zu lassen habe (lacht).
Die Rolling Stones feiern gerade ihr 40-jähriges Bühnenjubiläum. Kannst du dir vorstellen, mit 60 noch mit The Cure auf Tour zu gehen?
Nein! (lacht) Aber wir werden nächstes Jahr zum offiziellen 25. Bandjubiläum etwas auf die Beine stellen. Wir planen dafür etwas sehr besonderes. Es wird nächstes Jahr im Mai ein einmaliges Event geben und es ist geplant, dass alle ehemaligen Bandmitglieder mit von der Partie sind. Auch Lol (Tolhurst, Gründungsmitglied von The Cure, Anm. d. Red.) wird da sein. (kurze Denkpause) Aber nach 40 Jahren werde ich definitiv nicht mehr auf der Bühne stehen.
OK, vielen Dank für das Gespräch, Robert!
Danke euch auch. laut.de gehört zwar bisher nicht zu meinen Bookmarks, aber ich werde mal reinschauen, versprochen!
Das Interview führten Martin Mengele und Michael Schuh.
Nach dem Interview war es uns vergönnt, The Cure von der rockigsten Seite zu erleben. Robert Smith und Simon Gallup in absoluter Bestform! Kunststück bei dem glasklaren, fett abgemischten Sound - mit "Heavyrock" hat Smith uns nicht zu viel versprochen. Dazu ein Repertoire das seinesgleichen sucht. Eine Rückschau auf Klassiker, von "The Drowning Man" über "The Figurehead" und "A Hundred Years" bis hin zu "Shake Dog Shake", "Torture" und "The Kiss". Smith bot eine Setlist voller Insiderhits die ihresgleichen sucht und trotzdem gut ohne die Gassenhauer "Boys Don't Cry" und „Friday I'm In Love" auskommt. Von den neuen Demos war leider noch nichts zu hören.
1 Kommentar
Tja, wie die Zeit vergeht. Jetzt Robert Smith 57, und tourt immer noch um die Welt.