24. September 2004

"Bring Bier mit!"

Interview geführt von

Dass nach einem solchen Album die Journaille Schlange steht, um den Beteilligten auf den Zahn zu fühlen, ist klar. Auch LAUT darf Gitarrist Anders Björler kurzfristig auf die Nerven gehen und fragt nach, wo die Gründe für die plötzliche Stilvielfalt liegen.

Hi Anders, wie gehts dir denn? Hattest du einen harten Tag?

Das kannst du laut sagen. Ich gebe seit zehn Uhr heute Morgen Interviews, und jetzt bin ich hundemüde.

Woohaa, dann will ich dir auch nicht lange auf die Nerven gehen. Kommen wir also gleich zur Sache. Peter (Dolving, Sänger auf dem ersten Album "The Haunted") ist wieder bei The Haunted, und er hat einen fantastischen Job gemacht, wie ich finde. Warum ist er damals überhaupt ausgestiegen?

Er hatte damals ein Menge persönlicher Probleme und konnte sich nicht so auf The Haunted konzentrieren, wie es ihm und auch uns recht gewesen wäre. Hinzu kam, dass auch unser Label Earache einfach einen miesen Job getan hat, was ihn ebenfalls - und uns natürlich auch - tierisch angekotzt hat. Es gab kaum Promotion fürs das Album, wir konnten keine Tour fahren, die ganze Situation zwischen dem Label und der Band war beschissen. Das alles zusammen hat dann einfach gereicht, dass er die Schnauze voll hatte und das Handtuch geschmissen hat. So wirklich konnten wir ihm das nicht mal verübeln. Inzwischen hat sich Peter aber zu einem ganz anderen Menschen entwickelt. Er hat eine Frau und zwei Kinder und scheint sein Leben richtig zu genießen.

Klingt ja gut, aber was hat Marco dazu bewegt, The Haunted zu verlassen?

Gott, das waren die üblichen, banalen Sachen. Das Tourleben war nicht mehr so ganz sein Ding, denn zuhause wartete die Familie, die er immer sehr vermisst hat. Diese muss er natürlich auch ernähren, und da erschien ihm ein normaler Daytime-Job einfach sicherer. Ich denke, das war schon nach der letzten Tour abzusehen, denn er hat sich dort schon immer weiter zurückgezogen.

Hat er sich das neue Album mal angehört?

Oh ja und er findet es großartig.

Ist er ein bisschen eifersüchtig?

Keine Ahnung, hahaha, aber ich glaube schon irgendwie.

Du hast nach "The Haunted Made Me Do It" auch für kurze Zeit die Band verlassen.

Ja, das ist eine total schizophrene Band hier, hahaha. Ich bin damals an die Uni zum Studieren gegangen, weil ich dachte, dass es das ist, was ich machen will. Es hat aber nicht lange gedauert, bis ich gemerkt habe, wie sehr mich das auf Dauer anödet. Hinzu kam ein typischer Eight-to-Five-Job, und das war einfach nichts für mich. Da die anderen bis dahin keinen festen Ersatz für mich gefunden hatten, stieg ich einfach wieder bei The Haunted ein. Da gehöre ich hin.

Der Deal mit Earache ist endlich ausgelaufen, und ich habe bisher selten etwas Positives über deren Arbeit gehört – willst du dazu noch was sagen?

Puh, was soll ich dazu noch sagen. Earache haben den Ruf ein Kultlabel zu sein, und ich habe das Gefühl, dass sie sich darauf einfach ausruhen. Wenn es aber darum geht, einer Band die notwendige Unterstützung zu geben, passiert einfach nicht viel. Als Mitglied einer Band ist es immer hart, dass du während den Touren so weit und lange von deiner Familie weg bist. Viele würden dann einen Job in einer Fabrik oder sonst wo vorziehen. Das machen wir aber nicht, und deshalb müssen wir sehen, dass wir durch unsere Musik genügend verdienen, um unsere Familien und uns zu ernähren. Das funktioniert aber nur mit einem entsprechend arbeitenden Label.

Ich nehme an, ihr konntet euch euer neues Label in aller Ruhe aussuchen.

Ja, es waren in etwa zehn größere Plattenfirmen, die Interesse an uns hatten. Century Media haben uns aber nicht nur das beste Angebot gemacht, sondern sie haben uns auch die besten Perspektiven und Pläne für unsere zukünftige Zusammenarbeit präsentiert. Das war uns einfach verdammt wichtig.

Für "Who Will Decide" habt ihr euch Lou Koller von Sick Of It All ins Studio gezerrt. Wie kam es denn dazu?

Das war gar nicht so schwer. Wir kannten Lou schon von einer früheren Tour mit SOIA durch Schweden, und als sie gerade hier spielten, während wir "Revolver" aufnahmen, fragten wir ihn, ob er nicht Lust habe, bei dem Track zu singen. Er kam dann einfach vorbei und wir hatten den Song innerhalb von zwei Stunden im Kasten. Ich schätze Lou und SOIA sehr, und er und seine Jungs stehen auch auf The Haunted. Es war trotz aller Professionalität eine total relaxte Atmosphäre im Studio.

Obwohl es natürlich die typischen The Haunted-Songs auf dem Album gibt, sticht doch ein Track wie "Burnt To A Shell" heraus. Bis auf die typischen Sololines könnte der Song durchaus auch von Danzig stammen.

Danzig ist ein ganz guter Vergleich, wir haben versucht, dem Song so einen leichten Boogie-Flair zu verpassen. Jensen hatte sich mehrere Möglichkeiten für dieses Riff ausgesucht und Peter dann die Entscheidung darüber überlassen. Dabei ist etwas heraus gekommen, was man von The Haunted nicht unbedingt erwartet.

Das kann man wohl sagen. Es fällt auch auf, dass es sehr unterschiedliche Stücke auf das Album geschafft haben. War es das Ziel, so variabel wie möglich vorzugehen?

Nicht unbedingt, das hat sich eher so ergeben. Man hört sich die Lieder an und sucht sich dann die besten raus. Das hätten genauso gut zehn, zwölf schnelle sein können. Dass es letztendlich so viele unterschiedliche Songs geworden sind, ist aber natürlich kein Fehler, denn es macht die Scheibe wesentlich dynamischer. Ich bin mit dem Ergebnis jedenfalls sehr glücklich. Auf dem letzten Album haben wir auch schon eine gewisse Variabilität, aber lange nicht so ausgeprägt, wie auf diesem, da hast du schon recht. Einen großen Beitrag dazu dürfte aber auch Peter geleistet haben. Es ist natürlich viel einfacher zu variieren, wenn du auch einen Sänger hast, der das mit seiner Stimme tragen und unterstützen kann.

Du willst mir jetzt aber nicht erzählen, dass das tatsächlich Peter ist, der die klaren Vocals bei "My Shadow" singt, oder?

Na was denkst du denn, hahaha. Natürlich ist das Peter, er hat einfach einen unglaublichen Stimmumfang. Wir mussten ihm zwar etwas die Nüsse stretchen, aber dann lief das wie geschmiert, hahaha.

Klingt wie ein Taumjob, na ja. Habt ihr das Stück extra an den Schluss der Platte gestellt, weil es doch recht experimentell ausgefallen ist?

Ja, auf jeden Fall. "My Shadow" ist kein typischer The Haunted-Song, aber wir dachten, dass es ein guter Rausschmeißer wäre. Die Stimmung ist sehr düster, und ich finde den Song schon beinahe episch. Er ist absolut nicht repräsentativ für uns, aber nichtsdestotrotz ein sehr guter Song.

Habt ihr vor, in Zukunft noch weiter in dieser Richtung zu experimentieren?

Keine Ahnung, wir wollten etwas in der Art von "Frantic" vom ersten Album machen. Also etwas, das nicht dem typischen The Haunted-Sound entspricht. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass wir das in Zukunft wieder versuchen werden, also mach dich auf alles gefasst, hahaha.

Mit dem Titel und der speziellen Schreibweise "rEVOLVEr," habt ihr euch mal wieder was Nettes einfallen lassen. Was steckt dahinter?

Prinzipiell steckt dahinter das Verb "revolve", der Zyklus, in dem sich alles wiederholt. Auch für uns als Band hat sich, jetzt nachdem Peter wieder in der Band ist, ein Kreis geschlossen. Wir haben ein neues Label, ein neues Album und fangen noch mal neu an. Mit nem Revolver, also der Knarre, hat das überhaupt nichts zu tun.

Im Gegensatz zum Titel ist das Coverartwork doch sehr simpel gehalten.

Ja, aber auch da steckt Kalkül dahinter. Das wird aber erst so ganz klar, wenn du das komplette Booklet betrachtest. Ich kann dir schon so viel verraten, dass es mit dem Kerl im Logo unseres Schriftzuges zu tun hat. Da unser Zeichner zwei Entwürfe für das Cover hatte, haben wir uns dazu entschlossen, für die Digipack-Version seinen zweiten Vorschlag zu übernehmen.

Ihr fahrt eure ersten Tour zu dem Album ja mit Shadows Fall und Damage Plan durch die Staaten. Was hältst du denn persönlich von der sogenannten New Wave Of American Metal?

Hm, da kann ich gar nicht so viel zu sagen. Ich hab mir von Shadows Fall und Killswitch Engage ein paar Songs angehört, aber die treffen irgendwie nicht wirklich meinen Nerv. Es sind durchaus gute Sachen dabei, die mir richtig gefallen, aber ... keine Ahnung, ich hab mich echt zu wenig mit diesem Sound beschäftigt, um ein anständiges Urteil zu fällen. Ich find es an sich nicht schlecht, dass sie ein paar Stile miteinander vermischen, aber für meinen Geschmack übertreiben sie es etwas damit. Was weiß ich, ein großer Fan von der Mucke werde ich vermutlich aber nicht, die sind mir zu schizophren, hahaha.

Na das würde doch zu euch passen, hehe. Noch eine abschließende Frage, wer macht eigentlich eure Homepage?

Ein guter Freund von uns, wieso?

Ihr solltet die mal etwa öfter auf den neusten Stand bringen. Eure Biographie endet im Jahr 2000.

Na und, is ja auch nicht viel passiert seit dem, hahaha. Nein, du hast schon recht, da sollte mal wieder ein Update kommen. Für eine aktuellere Bio kannst du aber die Homepage von Century Media checken.

Oder die von LAUT!

Wieso, ist die besser als unsere?

Öh, immerhin geht sie vier Jahre weiter als eure.

Gutes Argument, hahaha. Ich werde das im Auge behalten, und vielleicht sehen wir uns ja irgendwo auf Tour in Deutschland – dann bring Bier mit!

Das Interview führte Michael Edele

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