laut.de-Kritik

Der große Befreiungsschlag aus dem Retrowahn bleibt aus.

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Man hätte es ihnen gewünscht nach dieser zehnjährigen Auszeit und noch mehr, als man das arme britische Trio neulich auf Oliver Geissens Höllencouch sitzen sah. Doch der große künstlerische Befreiungsschlag gelingt The Human League auf "Credo" nur bedingt. Nach wie vor ist es bedauerlich, dass sich 2001 kein Mensch für "Secrets" interessierte und die Synthie Pop-Institution in der Folge zehn Jahre lang mit 80er Schlappschwänzen wie Howard Jones oder Boy George über Retro-Festivals tingeln musste.

Mit bürokratischer Geschichtsverwaltung hat der schwungvolle Opener "Never Let Me Go" zum Glück überhaupt nichts zu tun: Sänger Philip Oakey wirft seinen Bariton sogleich behende über die guten alten 80er Orchesterschläge, bevor seine zwei Mädels vorführen, dass auch sie mittlerweile einen Vocoder zu bedienen wissen. Der steht der extrem groovenden Nummer sogar ganz ausgezeichnet und erinnert ein wenig an die futuristischen Experimente der 70er Jahre-League.

Der Tiefpunkt folgt auf dem Fuß. Zum Glück habe ich die Single "Night People" nicht schon vorab gehört, denn weder steht sie stellvertretend für das restliche Album-Material, noch sehe ich irgendeine Chance, dass jemand anhand des nervtötenden Refrains und der unnötig komplizierten Songstruktur Lust auf vorliegendes Comebackalbum bekommen sollte.

Wie es stattdessen geht, belegt "Sky", die auf Anhieb einen Platz in der ewigen League-Song-Top 5 erobert. Ein katzenhaft federnder Synthie-Bass, sphärische Key-Streicher und dazu eine der einprägsamsten Melodien, die Oakey je vortrug. Noch dazu gelingt ihm hier das generell im heutigen Pop seltene Kunststück, eine brillante Bridge mit dem Refrain noch zu toppen. Was wiederum am klugen Schachzug liegt, Joanne Catherall und Susan Sulley erst ab dem ersten Refrain zirpen zu lassen.

Der Wunsch, mit Hilfe von Produzent I Monster ein modernes Clubalbum abzuliefern, ging auf: Das Alter der Protagonisten hört man nicht raus. Zudem faden "Into The Night", "Egomaniac" und "Single Minded" wie einst bei Madonna und Stuart Price schick ineinander über.

Der Beat-Teppich lenkt jedoch nicht davon ab, dass man ab "Single Minded" eine kreative Durststrecke überwinden muss, ehe Human League mit "Privilege" unverhofft an ihre düstere "Being Boiled"-Seite (!) anknüpfen und mit "Breaking The Chains" noch einen sehr charmanten Pop-Feger ans Ende setzen.

Wies das jüngste "Alterswerk" der Kollegen OMD ob seiner groben Modernisierungsambitionen nicht selten krampfhafte Züge auf, muss man Oakey und Co. zugute halten, dass der experimentelle Geist der Band auf "Credo" elegant in die Jetztzeit hinüber gerettet wurde. Hoffen wir, dass "Credo" etwas an der öffentlichen Meinung ändert, die Human League als die Band mit dem Uralt-Hit "Don't You Want Me" ausweist. Ansonsten: See you, 2021!

Trackliste

  1. 1. Never Let Me Go
  2. 2. Night People
  3. 3. Sky
  4. 4. Into The Night
  5. 5. Egomaniac
  6. 6. Single Minded
  7. 7. Electric Shock
  8. 8. Get Together
  9. 9. Privilege
  10. 10. Breaking The Chains
  11. 11. When The Stars Start To Shine

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